Vor dem Besuch des türkischen Premiers: Köln rüstet sich für Erdogan-Auftritt
„Ich habe dort 3 Millionen Staatsbürger“ – Erdogan hält an seinem umstrittenen Besuch in Deutschland fest. Nicht nur Kanzlerin Merkel mahnt zur Besonnenheit.
KÖLN dpa | Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan muss sich kurz vor seinem umstrittenen Auftritt in Köln noch einmal heftige Kritik gefallen lassen. So sagt CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer in der FAZ (Samstagausgabe) einen „heißen Samstag mit Erdogan-Show und Gegendemo“ voraus, der durch den Großeinsatz der Polizei „ein kostspieliges Wochenende für den deutschen Steuerzahler“ werde. Die Polizei rechnet mit Zehntausenden Anhängern und Gegnern des konservativen Politikers.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte Erdogan, gemäßigte Töne anzuschlagen. Sie gehe davon aus, dass er wisse, „wie sensibel dieser Termin gerade diesmal ist, und dass er verantwortungsvoll auftritt“.
Besorgt zeigte sich Merkel über einige Entwicklungen in der Türkei. Als Beispiele nannte sie in einem Interview des Pfälzischen Merkurs und der Saarbrücker Zeitung (Freitagsausgabe) das harte Einschreiten der Polizei im vergangenen Sommer gegen die Gezi-Demonstranten, die Übergriffe auf die sozialen Netzwerke und die Lage der Christen. Gleichzeitig sei „unbestritten, dass die Türkei mit Ministerpräsident Erdogan große wirtschaftliche Fortschritte“ erzielt habe.
Erdogan bestätigte am Freitag noch einmal, dass er trotz aller Kritik in Köln auftreten will. „Wir gehen dorthin“, bekräftigte er in einer Rede vor Provinzpolitikern in Ankara. „Ich habe dort drei Millionen Staatsbürger, natürlich gehe ich nach Deutschland.“
Offiziell spricht Erdogan zum zehnjährigen Bestehen der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), die als verlängerter Arm seiner Partei AKP gilt. Die Türkische Gemeinde in Deutschland und viele andere vermuten dagegen, dass es Erdogan darum geht, Wählerstimmen zu sammeln. Etwa 1,5 Millionen in Deutschland lebende Türken dürfen im August bei der türkischen Präsidentschaftswahl ihre Stimme abgeben.
Die Integrationssprecherin der Linken-Fraktion, Sevim Dagdelen, warnte, Erdogan dürfe „seinen Auftritt vor ausgewähltem Publikum und ausgewählter Presse nicht erneut nutzen, um den demokratischen Protest zu kriminalisieren“. Die Bundesregierung dürfe die „Gewaltpolitik Erdogans hin zu einem islamistischen Unterdrückungsstaat nicht länger unterstützen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann