Video der Woche: Krieg in Neukölln
In Berlin-Neukölln herrscht am Silvesterabend Ausnahmezustand. Ein Youtubevideo zeigt wildes Geböller. Zur Freude von Sarrazin- und Buschkowskyanhängern.
BERLIN taz | Schreiende Menschen, Explosionen, Gaspatronen. Das ist nicht Afganistan. So zeigt das Youtubevideo feiernde Menschen zu Silvester auf der Hermannstraße in Neukölln. Das Video ist wegen bedenklicher Inhalte nur nach Youtubeanmeldung und Altersüberprüfung zu sehen.
In rund zwei Minuten zeigt die Aufnahme Jugendliche, die ihre Feuerwerkskörper nicht aus einer Flasche, sondern in ihrer Hand zünden, und warten bis die Raketen in die Luft abheben.
Die Feuerwerke fliegen unkontrolliert auf Autos und den Bürgersteig. Es ist laut auf der Straße, ein junger Mann ruft „Hey, hör auf, ich ruf die Polizei! Eieiei! Ich will doch nur schlafen.“
Funken in der Hand
Einer der Jugendlichen tritt die Tür eines Wohnhauses ein und schießt mit Gaspatronen in den Hausflur. Ein anderer versucht einen Feuerwerkskörper in den Hausflur zu werfen, was jedoch nicht gelingt. Das Video endet mit einer Explosion in Nahaufnahme: Einer der Jugendlichen hat das Feuerwerk absichtlich nicht losgelassen.
Empfohlener externer Inhalt
Es zündet und Funken sprühen in seiner Hand. „Opfer“, „Vollidioten“, „Armutszeugnis der Gesellschaft“, sind die häufigsten Reaktionen auf das Video. Ein paar Kommentatoren auf Facebook gehen jedoch auch weiter:
„Erstaunlich das sich diese Art "Mensch" nicht selbst ausrottet...wirklich sehr erstaunlich bei diesen Bildern!“ – Frank D.
„Vielleicht sollte man die alle mal in richtige Kriegsgebiete aussiedeln.......mal schauen, ob´s dann auch noch so lustig wäre zu Silvester. Hier wird mal wieder gezeigt, was fehlt!“ – Anika W.
Und auch auf Youtube wird das Video fleißig kommentiert. Einer der Kommentare mit den meisten Likes:
„Ich als Migrantenkind schäme mich zutiefst, wenn ich diese Vollidioten dort sehe. Das hat weder damit zu tun, dass Berlin weiß wie man feiert, noch damit, dass wir "Normalos" spießbürgerlich sind. Ich selbst finde, dass man solche Idioten abschieben, da die Eltern anscheinend mit der Erziehung überfordert waren und ihren Kindern weder Vernunft noch Verstand beigebracht haben. Und mal so nebenbei, in der Türkei würden solche Jugendliche direkt einen Arschtritt bekommen für solch ein Benehmen“ – cococ55
Auch andere Kommentatoren versuchen die Behauptungen der Vorredner zu entkräften:
„Oh man da werden wieder tolle Vorurteile geschürt über Migranten. Ich selbst wohne in Hellersdorf - da gibt's hauptsächlich Kevins und Mandys und die haben sich an Silvester genauso verhalten, so dass ich seit Jahren da gar nicht mehr raus gehe zu 0 Uhr. Hat also nichts mit Migranten sondern mit der sozialen Schicht zu tun.“ – Bipolare Stoerung
Echte Bilder
Aufgenommen hat das Video der Streetartkünstler Peter Pink. „Ich war privat auf einer Party in Neukölln und habe Fotos gemacht“, so der Künstler. „Aber als die angefangen haben mit Gaspatronen herumzuschießen, war ich geschockt.“
Die Bilder sind echt, nicht wie einige Kommentatoren des Videos behaupten gestellt. Der Mann, der nach der Polizei ruft, spielt das Geschreie jedoch nur. „Wir haben uns darüber lustig gemacht, wie wohl einige Leute auf den Lärm reagieren“, so der Berliner Künstler.
Zunächst hatte der 31-Jährige das Video nur auf seiner privaten Facebookseite veröffentlicht. Er bemerkte die große Resonanz auf das Video und stellte es auf seine Künstlerseite. Dort entdeckte es auch die Facebookseite „StreetArt in Germany“ und teilte es mit dem Titel „Silvester (or war?)“ mit über 550.000 Usern.
„Als ich das Video gedreht habe“, so Peter Pink, „habe ich einfach aufgenommen was um mich herum geschehen ist. Silvester in Berlin fühlt sich für mich wie Krieg an, das habe ich darstellen wollen. Dieses Gefühl habe ich aber auch in anderen Stadtteilen, nicht nur in Neukölln.“
Zwar sei Neukölln immer ein Einsatzschwerpunkt, die genauen Einsatzzahlen kann die Pressestelle der Berliner Feuerwehr jedoch nicht nennen. In ganz Berlin gab es Silvester mehr Brände als im Vorjahr, das liege jedoch vor allem an der milden Witterung, so die Silvester-Bilanz der Feuerwehr.
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