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Vertrauensvotum für Frankreichs PremierWeiter auf Sparkurs

Das französische Parlament spricht Frankreichs Regierungschef Manuel Valls das Vertrauen aus. Doch mehrere Sozialisten verweigern die Zustimmung.

Frankreichs Regierungschef Manuel Valls kann weiterregieren. Bild: ap

PARIS afp | Mit einer knappen Parlamentsmehrheit im Rücken kann Frankreichs Premierminister Manuel Valls seinen umstrittenen Reformkurs fortsetzen: Bei einem Vertrauensvotum in der Nationalversammlung stimmten am Dienstag in Paris 269 Abgeordnete für Valls, 244 Abgeordnete gegen ihn und 53 enthielten sich.

Die Abweichler bei den regierenden Sozialisten hatten zuvor ihre Enthaltung angekündigt, um Valls durch ein „Nein“ nicht zu Fall zu bringen.

Die Mehrheit für den 52-jährigen Regierungschef, der erst seit April im Amt ist, war bei seiner ersten Vertrauensabstimmung im Frühjahr deutlich klarer ausgefallen: 306 Abgeordnete stimmten damals für ihn, 239 gegen ihn. Nun enthielten sich aus dem eigenen sozialistischen Lager 31 Abgeordnete, wie aus Fraktionskreisen verlautete.

Auch die meisten Grünen wollten sich enthalten. Die Linkspartei und Kommunisten hatten ihr „Nein“ angekündigt. Die absolute Mehrheit liegt bei 289 Stimmen, Enthaltungen werden beim Vertrauensvotum aber nicht mitgezählt.

Valls hatte zuvor in einer Regierungserklärung eindringlich für seinen Spar- und Reformkurs geworben, der insbesondere im linken Lager als zu unternehmerfreundlich kritisiert wird. Valls zeigte Verständnis für „die Ungeduld, die Zweifel, die Wut“ angesichts von Rekord-Arbeitslosigkeit und schwachem Wachstum. Er lehnte aber einen „ZickZack“-Kurs ab.

Zweifler rief er zum Durchhalten auf: „Regieren, das ist standhalten. Regieren, das ist reformieren.“ Den Linken sicherte er zu, dass er den Schwachen und Benachteiligten helfen und nicht das „Sozialsystem zerschlagen“ wolle.

Gegen Einmischung aus Berlin und Brüssel

Valls machte auch deutlich, dass er sich eine Einmischung aus Berlin und Brüssel bei seiner Reform- und Haushaltspolitik verbitte. „Frankreich entscheidet alleine, was es machen muss“, sagte er. Deutschland müsse seinerseits seiner Verantwortung für Wachstum in Europa gerecht werden, forderte er Berlin erneut zu mehr Investitionen auf. Valls trifft nächste Woche in Berlin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Frankreich hatte kürzlich angekündigt, dass das Drei-Prozent-Defizit-Kriterium der EU anders als versprochen auch im kommenden Jahr nicht eingehalten werde. Valls rechtfertigte dies mit dem schwachen Wachstum und der niedrigen Inflation, es dürfe zu keiner „Depressionsspirale“ kommen.

Das erneute Vertrauensvotum hatte Valls in Abstimmung mit Frankreichs Präsident François Hollande erbeten, nachdem Ende August mehrere Minister vom linken Flügel wegen ihrer Kritik am Spar- und Reformkurs aus der Regierung entlassen worden waren.

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4 Kommentare

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  • Wieso orientiert man sich nicht an Ländern mit besseren Wirtschaftergebnissen? Davon gibt's genug. Siehe Wiki Liste 2013: Wachstum BSP United States 4,20% (2014 est.), Singapore 4,10%, Latvia 4.00%, Uruguay 3,50%, Argentina 3,50%, Hong Kong 2,90% , Australia 2,50%, New Zealand 2,50%, SKorea 2,8%. Wer absolut nicht von anderen lernen will, ist eben selber schuld.

    • @Gabriel Renoir:

      Lettland erzielt diese Wachstumsraten ausgehend von dem Nachausteritätsniveau, das 20% unter dem vorherigen lag - kaum ein gutes Beispiel. Und Australien schwimmt noch auf einem Bergbauboom, der allerdings bei der arbeitenden Bevölkerung nicht so richtig ankommt. Wirtschaftspolitisch fände sich Valls mit den Regierungen beider Länder genau auf einer Linie.

      • @BigRed:

        und auf welchem Boom schwimmt Neuseeland? Die haben ihr Land wenigstens mal richtig umgekrempelt, davor scheut sich Frankreich. Lettland hat sein Schicksal selbst gemeistert, im Gegensatz zu vielen anderen.

        • @Gabriel Renoir:

          Dass es Länder gibt, deren Wachstum nicht illusorisch ist, heisst dennoch nicht, dass man sich Anleihen bei denen holen soll, die's auf Kosten ihrer Bevölkerung machen.

           

          Ich muss zugeben, dass ich die neuseeländische Situation nicht kenne, aber diese Rufe nach "richtig umkrempeln" verlangen ja normalerweise nach einer Thatcher-/Schröderisierung...und die bringt ein Land halt nur einen grossen Schritt näher an den Ruin.

           

          Und zu Lettlands "meistern": http://www.france24.com/en/20120522-latvia-emigration-population-brain-drain-economy/