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Vattenfall klagt gegen DeutschlandRegierung lehnt Schiedsverfahren ab

Die GroKo hält die Vattenfall-Klage zum Atomausstieg jetzt erst recht für unzulässig. Sie begründet dies mit einem EuGH-Urteil.

Das AKW Krümmel in Geesthacht (Schleswig-Holstein) Foto: dpa

Die Bundesregierung stellt die Vattenfall-Klage zum Atomausstieg nun ganz grundsätzlich infrage und beruft sich dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom März. Das erklärte Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Bareiß (CDU) in einer parlamentarischen Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion, die der taz vorliegt.

Vattenfall hat 2012 die Bundesrepublik vor dem Schiedsgericht der Weltbank (ICSID) in Washington verklagt. Das schwedische Unternehmen verlangt von Deutschland 4,4 Milliarden Euro plus Zinsen. Durch den beschleunigten Atomausstieg nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima seien seine Reststrommengen entwertet worden.

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht Vattenfall 2016 bereits Schadenersatz zugesprochen. Doch der schwedische Energiekonzern verlangt vor dem Schiedsgericht ein Mehrfaches davon. Dabei beruft sich Vattenfall auf den Energiecharta-Vertrag von 1994, der ausländische Investoren in der Energiebranche vor Enteignung und unfairer Behandlung schützt.

Eigentlich sollte das Washingtoner Urteil im ersten Quartal 2018 verkündet werden. Doch dann eröffnete das ICSID-Schiedsgericht das Verfahren erneut und bat um Stellungnahmen zum EuGH-Urteil „Achmea“. Darin hatte der EuGH bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Staaten beanstandet. Mit der Begründung: Die darin vorgesehenen Schiedsgerichte könnten das EU-Recht anders auslegen als der EuGH.

Eigentlich findet sie Investitionsschutzabkommen gut

Der Vattenfall-Konzern erklärte schnell, dass das EuGH-Urteil für den multilateralen Energiecharta-Vertrag keine Bedeutung habe, da dort die EU selbst eine der Vertragsparteien sei. Doch wie würde sich die Bundesregierung positionieren? Eigentlich findet sie Investitionsschutzabkommen gut, doch im Vattenfall-Streit könnte ihr das EuGH-Urteil gelegen kommen.

Der Linken-Abgeordnete Klaus Ernst fragte die Bundesregierung und bekam jetzt Antwort. Wenn der Europäische Gerichtshof Investitionsschutzabkommen zwischen zwei EU-Staaten für unzulässig hält, dann sei dies auch auf Klagen im Rahmen der Energiecharta übertragbar, so Staatssekretär Bareiß. Das heißt: Die Klage eines Unternehmens aus dem EU-Staat Schweden gegen den EU-Staat Deutschland wäre auch im Kontext der Energiecharta ein Verstoß gegen EU-Recht. Die Bundesregierung habe erneut beantragt, die Klage von Vattenfall abzuweisen.

Klaus Ernst ist das noch nicht genug: „Die Bundesregierung sollte sich aus der Energiecharta und der Paralleljustiz für Konzerne insgesamt verabschieden.“

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5 Kommentare

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  • Es würde – lange nicht nur hier – der Regierung guttun, sich grundsätzlich einmal am Grundgesetz zu orientieren und einige Klettereien der Neuzeit daran rückgängig zu machen.

     

    "Alle Gerichte sind Staatsgerichte" – so stand es einmal darin, und das hatte seinen Sinn. Mit den privaten Schiedsgerichten wird eine Paralleljustiz mit ganz eigenen Gesetzen geschaffen.

     

    Das Recht auf Entschädigung entgangenen Profits diskriminiert den Normalbürger: Ich kann nicht einen Konkurrenten verklagen, wenn er mir einen Auftrag weggeschnappt hat, oder den Auftraggeber, sollte er den Vertrag aufheben.

  • Das nützt der Bundesregierung garnichts. Vattenfall verklagt die Bundesregierung in den USA. Da hat der europäische Gerichtshof keinen Einfluss aus mehreren Gründen. Und so wie es aussieht wird Vattenfall Recht bekommen. Die Bundesregierung hat einen riesigen Fehler gemacht indem sie den Vertrag damals einseitig geändert hat. Das gibt es nirgendwo auf der Welt dass man einen Vertrag einseitig ohne das Einverständnis der anderen Seite ändern kann. Frau Merkel schafft das, sie wird nähmlich ein paar Milliarden auf Kosten des Deutschen Steurzahlers nachzahlen müssen. Dummheit schützt vor Strafe nicht, so ein Sprichwort.

    • @Alfredo Vargas:

      Selbst wenn das Schiedsgericht in den USA die EuGH-Rechtsprechung ignoriert, so kann die Bundesregierung die Vollstreckung des Urteils verhindern bzw. von Vattenfall Schadensersatz fordern.

      Ein EU-Unternehmen kann nicht einfach EU-Recht aushebeln, in dem es in den USA klagt.

      Das Argument, dass die Energiecharta von der EU selbst unterzeichnet wurde, ist da schon gewichtiger. Fragt sich also, ob die EU den EuGH diesbezüglich entmachten durfte. Mitgliedsstaaten dürfen das nicht. Ergibt sich die Zuständigkeit des EuGH zwingend aus den europäischen Verträgen, so kann auch die EU nicht davon abweichen.

  • Klaus Ernst. Der war Mitgründer der WASG und damals ein echter Streiter für Arbeiterinteressen. Heute muss er Ökokram machen. Traurig.

  • An dieser Stelle muss sowohl die Bundesregierung als auch die Landesregierung sich für die Zukunft Gedanken machen, wie man Unternehmen behandeln soll, damit Bürger wegen der Profitorientierung von Unternehmen nicht immer wieder leiden müssen.

     

    Vattenfall verklagte ja Deutschland und auch das Land Berlin. Aber Vettenfall bekam trotzdem die Verlängerung der Konzessionsverträge für Stromversorgung als Grundversorger. Politiker hätten diese Verträge so machen müssen, dass das Unternehmen schlechte Konditionen bekommt. Man hätte zum Beispiel eine derartige Klausel in Verträgen einbauen können, wie:

     

    "Vattenfall verpflichtet sich, niedrige Preise (untere 10 % im Bundesweiten Vergleich) den Bürgern anzubieten...Sämtliche Preiserhöhungen sind nicht einseitig möglich, nur mit der Zustimmung vom Land Berlin..."

     

    Verträge sind ja frei verhandelbar. Energiewende, seit Jahren zu stark und zu schnell steigende Strompreise und soziale Krise in Deutschland erfordern mehr Handeln sowohl von der Bundes- als auch seitens der Landespolitik!!!