Sudanese über Flucht: „Das ist fast Selbstmord“
Emad Hassan sagt, er würde in jedes Land gehen, das Sicherheit biete. Er kennt das Risiko einer Flucht, hat aber nichts mehr zu verlieren.
taz: Herr Hassan, Sie sitzen als Flüchtling seit dem Libyenkrieg in Tunesien fest. Welche Perspektiven haben Sie?
Emad Hassan: Ich bin als Flüchtling vom UNHCR anerkannt, aber es gibt kein Land, das uns aufnehmen will. Wir demonstrieren daher seit sechs Monaten vor dem UN-Büro in Tunis. Wir wollen in ein Land, wo wir mit unseren Familien leben können.
Nach Europa?
Nicht unbedingt. Das ist ein europäisches Vorurteil. Wenn es ein anderes Land gäbe, auch in Afrika, wo wir in Sicherheit und Würde leben könnten, würden wir morgen dorthin gehen.
Sie haben zwei Jahre mit vielen Tausend anderen Flüchtlingen im UN-Lager Choucha in der tunesischen Wüste gelebt. Das ist mittlerweile geschlossen. Was geschieht mit den Menschen?
Vielen wurde die Anerkennung als Flüchtling verwehrt, oder es gab keine Resettlement-Plätze. Immer wieder waren einige so verzweifelt, dass sie auf Boote gegangen sind. Ein Teil ist ertrunken, ein Teil hat es nach Europa geschafft. Als die UN das Lager geschlossen haben, haben einige 1.500 Dinar [etwa 670 Euro; d. Red.] als Eingliederungshilfe für Tunesien bekommen. Doch hierher kann man seine Familie nicht nachholen. Es gibt für uns keine Möglichkeit, unsere Existenz zu sichern. Man hängt im Nichts, es fühlt sich an wie ein Gefängnis. Deshalb haben viele das Geld genommen, um damit eine Überfahrt zu bezahlen.
Reicht das?
Vielleicht nicht ganz, aber es hilft ein gutes Stück weiter.
Der 25-Jährige ist im Sudan geboren und hat bis zum Krieg 2011 in Libyen gelebt. Dort werden Subsaharis heute als angebliche Unterstützer des gestürzten Diktators Muammar al-Gaddafi verfolgt. Die taz erreichte ihn bei der Dauermahnwache vor dem UNHCR-Büro in Tunis am Freitag per Telefon.
Warum gehen die Flüchtlinge nicht in ihr Land zurück?
Die Leute kommen aus Diktaturen oder Kriegsgebieten, Eritrea, Somalia, Sudan. Dorthin kann man nicht zurück. Und in Libyen ist die Lage für subsaharische Migranten extrem gefährlich.
Am Donnerstag hat sich vor Lampedusa eines der größten Unglücke mit Flüchtlingsbooten ereignet. Was haben Sie gedacht, als Sie davon hörten?
Wir haben alle davon gehört, und es macht uns alle sehr betroffen. Man weiß bei solchen Nachrichten immer nicht, ob nicht auch welche aus Choucha dabei sind, Menschen, die wir kannten.
Dennoch entscheiden sich immer wieder Flüchtlinge, die Überfahrt zu wagen. Weshalb?
Man kommt an einen Punkt, an dem man sich blockiert fühlt, es gibt keine Zukunft, nichts, was man ein Leben nennen könnte, kein Vorwärts, kein Zurück. Dann ist einem alles egal. Man weiß, dass man ein 80-zu-20-Risiko hat zu sterben. Das ist fast wie Selbstmord, ja, das ist dann auch klar, aber wenn man nichts mehr zu verlieren hat, ist es egal. Die Menschen sind so verzweifelt, dass ihnen das Risiko nichts mehr ausmacht. Sie haben vor gar nichts mehr Angst. Entweder geht es weiter, oder man stirbt eben.
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