Suche nach Whistleblower Snowden: Aufenthaltsort unbekannt
Edward Snowden, der das Netz-Überwachungsprogramm der US-Regierung offenbarte, ist untergetaucht. Die politische Debatte läuft.
BERLIN taz | Edward Snowden ist weg. Während die US-Justiz dabei ist, eine Anklage gegen den 29-Jährigen zu formulieren, der sich am Wochenende als derjenige geoutet hatte, der dem britischen Guardian und der Washington Post geheime Informationen über das sogenannte „Prism“-Programm des US-amerikanischen Militärgeheimdienstes National Security Agency zukommen ließ, hat Snowden am Montag sein Hotel in Hongkong verlassen – wohin, ist unbekannt.
Nicht einmal, ob Snowden noch in Hongkong ist oder sich bereits in ein mögliches Asylland aufgemacht hat, ist bekannt – Wikileaks-Chef Julian Assange empfahl öffentlich Ecuador, in dessen Londoner Botschaft er sich seit einem Jahr aufhält.
Noch ist unklar, wegen welcher Vergehen Snowden angeklagt werden soll. Sicher ist, dass er als Mitarbeiter der Firma Booz Allen Hamilton, einem Subunternehmer der NSA, eine Verschwiegenheitsklausel unterzeichnet und diese verletzt hat. Ob sich, wie im Fall des Wikileaks-Informanten Bradley Manning, auch die „Weitergabe von Informationen an den Feind“ konstruieren lässt, ist offen.
In Hawaii, wo Snowden einige Monate gelebt hatte, berichtete ein Immobilienmakler, dass die Polizei bereits am Mittwoch vergangener Woche an seinem früheren Wohnsitz aufgetaucht sei und nach Snowden gefragt habe – vor beziehungsweise zeitgleich mit der ersten Teilveröffentlichung im Guardian und mehrere Tage vor Snowdens öffentlichem Bekenntnis. Woher die Polizei zu diesem Zeitpunkt seine Identität kannte, ist unbekannt.
Debatte schwankt zwischen zwei Polen
Die politische Debatte in den USA schwankt derweil zwischen zwei Polen: Für Bürgerrechtsorganisationen, Linksliberale und Rechtslibertäre ist Snowden ein Held und sind die USA auf dem Weg zum Überwachungsstaat. Für die führenden Politiker der beiden großen Parteien jedoch ist Snowden ein „Verräter“, wie es der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, ausdrückte. Snowdon müsse deshalb mit aller Härte des Gesetzes verfolgt werden, sagte die demokratische Senatorin Dianne Feinstein. Wie andere Mitglieder des Geheimdienstausschusses im Senat spricht sie von unabsehbaren Folgen für die nationale Sicherheit der USA.
Boehner, der noch Ende vergangener Woche von Präsident Barack Obama verlangt hatte, der Öffentlichkeit die Recht- und Verhältnismäßigkeit der Überwachungsmaßnahmen zu begründen, sprach jetzt von einem gründlich, wenn auch nicht öffentlich vom Kongress kontrollierten Programm, das zum Aufspüren terroristischer Kontakte notwendig und vollends legal sei.
Obama begrüßt Diskussion
Obama ging auf Snowden nicht direkt ein. Sein Sprecher wollte auch nicht die Frage beantworten, ob Obama das auf der Guardian-Homepage veröffentlichte Videointerview angesehen habe, in dem Snowden die Motive seines Handelns erläutert. Obama sagte nur allgemein, er begrüße eine große Debatte über die Ambivalenz zwischen Freiheitsrechten und Sicherheit. Wo und wie diese Debatte aber stattfinden könne, sagte er nicht.
Die beiden Ausschusssitzungen im Kongress, die sich in dieser Woche mit dem Prism-Programm beschäftigen werden, finden hinter verschlossenen Türen statt. Und selbst Senatorin Feinstein, Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Senat, sagte, sie sei zwar offen dafür, jeden Monat eine Anhörung zum Thema zu veranstalten, allerdings seien alle Detailinformationen geheim.
Unterdessen verlangen auch mehrere europäische Regierungen von den USA Aufklärung. Das Europaparlament wollte am Dienstag über das Thema debattieren. Aus Deutschland hieß es, Kanzlerin Angela Merkel werde Obama bei seinem Berlinbesuch in der kommenden Woche auf das Thema ansprechen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“