SPREEUFER: Bezirk mit dem Rücken zur Mauer

Der Senat kritisiert Friedrichshain-Kreuzberg und dessen Bezirksbürgermeister Franz Schulz für den gestoppten Teilabriss der East Side Gallery. Doch die Investoren will Rot-Schwarz weiterbauen lassen.

Es geht nicht nur um eine Mauer, sondern um ein ganzes Ufer. Bild: dpa

Klaus Wowereits Lächeln wirkt so glücklich wie authentisch auf dem Foto, es stammt aus einer Zeit, in der East-Side-Gallery-Protest und Flughafen-Desaster noch weit weg waren: von 2006, der Regierender Bürgermeister von der SPD schüttelt dem Immobilieninvestor Maik Uwe Hinkel bei einem Richtfest die Hand. Bis heute wirbt Hinkel mit der Aufnahme in einer Broschüre für seine Bauvorhaben in der Stadt.

Gute Voraussetzungen also für das, was Wowereit in Sachen East Side Gallery nun vorhat: „Wir werden uns vermittelnd einschalten“, versprach er am Montag. Der Teilabriss der 1990 von Künstlern bemalten Mauerteile erscheine nicht als notwendig, so der Regierende. Nun müssten Alternativen gefunden werden, um das Gelände zu erschließen.

Hinkel plant einen Luxuswohnturm, gegen den am Montag bei einer Mahnwache erneut 100 Teilnehmern demonstrierten. Schon zuvor hatte Hinkel die Abrissarbeiten an der East Side Gallery gestoppt. Bei der nächsten Tagung des Forums Stadtspree am 18. März will er mit allen, die am Spreeufer etwas zu sagen haben, diskutieren.

Damit schließt sich der Kreis: Nach der letzten Sitzung des Forums Ende Januar hatte sich der Protest gegen die Spreeuferbebauung neu formiert. Der Chef des Sage-Club in Mitte und Mitbegründer der Club-Kommission, Sascha Disselkamp, organisiert ihn maßgeblich. Die Ankündigungen Wowereits machten ihn „total fassungslos“ sagte Disselkamp am Montag der taz: „Es geht nicht darum, ein paar Zufahrtswege zu ändern, sondern um den ganzen Todesstreifen.“ Diesen in den neunziger Jahren als Bauland deklariert zu haben, sei ein grober Fehler, den Senat und Bezirk nun rückgängig machen müssten. „Das ist der Grund, warum am Sonntag Tausende auf die Straße gegangen sind“, sagte Disselkamp. Auf dem Nachbargrundstück von Hinkels Areal ist ein weiterer, achtzig Meter langer Gebäuderiegel geplant. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) lehnt es bisher ab, Investoren Ersatzgrundstücke anzubieten. Dafür fehle das gesamtstädtische Interesse, erklärte Nußbaum Ende 2012 in einem Brief an Friedrichshain-Kreuzbergs Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne). (Seite 1 und Seite 2 des Briefes)

Schulz selbst hatte bei der Demonstration am Sonntag eingeräumt, nicht mit solch vehementem Protest gegen den Abriss von Teilen der East Side Gallery gerechnet zu haben. Am Montag war er nicht erreichbar. Vonseiten der Landespolitiker wurde er scharf angegriffen: Die Fraktionschefs von SPD und CDU im Abgeordnetenhaus, Raed Saleh und Florian Graf, sprachen in einer Mitteilung von „Berlin schädigendem Planungschaos des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg“. Der Senat solle nun für eine Umsetzung der Investorenvorhaben sorgen – ohne weitere Beeinträchtigung der East Side Gallery, schrieben Saleh und Graf. Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) stimmte in die Kritik ein. „Ich bin im Moment einigermaßen überrascht, dass der Bezirk nicht die eigene Verantwortung sieht.“

Derweil hat die Onlinepetition gegen die Bebauung des Todesstreifens einen neuen Unterstützer gefunden: US-Sänger David Hasselhoff, der 1989 auf der Mauer stehend „Looking for Freedom“ sang, begründete seine Stimmabgabe //twitter.com/DavidHasselhoff/status/308508397995712512:via Twitter damit, dass die Mauer ein Symbol für Freiheit und Durchhaltevermögen sei.

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