Reaktionen auf Obamas Klimainitiative: Gas ist eh billiger
Für manche sind Obamas Klimapläne ein Angriff auf Jobs, für andere ein überfälliger Schritt. Für den Präsidenten ist es auch ein Wahlkampfmanöver.
WASHINGTON taz | „Ehrgeizig, aber machbar“, nennt Gina McCarthy, Chefin der US-Umweltbehörde EPA, den Plan, den CO2-Ausstoß der USA bis zum Jahr 2030 drastisch zu reduzieren. Kaum hat sie den 645 Seiten langen Plan am Montag in Washington vorgestellt hat, beginnt der Sturm an Reaktionen. Kohle-Lobbyisten sowie deren Freunde in Republikanischer und Demokratischer Partei prognostizieren schweren Schaden für Wirtschaft, Arbeitsplätze und den Standort USA. Und kündigen ihren Widerstand in Politik und vor Gericht an.
Zugleich bekommt die Regierung von Barack Obama Zuspruch von einer Gruppe, die in den zurückliegenden fünf Jahren die Energie- und Klimapolitik des US-Präsidenten immer heftiger kritisiert hat: Umweltschützer. Sie loben Obama jetzt dafür, dass er einen Schritt macht, der zwar längst überfällig und zu zaghaft sei, aber in die richtige Richtung gehe.
Michael Brune, Präsident des 2,4 Millionen Mitglieder großen „Sierra-Clubs“, der Anti-Kohle-Kampagnen macht, preist Obama, weil er zum ersten Mal in der Geschichte der USA CO2-Ausstoß begrenzen will, und weil er sich anschickt „den größten einzelnen Schritt eines Präsidenten gegen den Klimawandel zu tun.“ Bill McKibben von der Gruppe „350.org“, die mit landesweiten Protesten bislang den Bau einer Ölpipeline von Kanada nach Texas verhindert hat, nennt den Plan (hier als pdf) „eines von vielen Dingen, die wir erledigen müssen, wenn wir den Klimawandel aufholen wollen.“
In einer gemeinsamen Reaktionen bemängeln Wenonah Hauter von „Food & Water Watch“ und Janet Redman vom „Institute for Policy Studies“, dass Obamas Klima-Plan nur Kohle-Kraftwerke betreffe und dass seine Ziele weit hinter dem zurückbleiben, was die IPCC von den Industrieländern bis zum Jahr 2020 erwarte. Die UN-Organisation fordert, dass das Niveau der CO2-Ausstoß 15 bis 40 Prozent unter dem Niveau von 1990 liegen: „Doch mit Obamas Plan werden die US-Schadstoffe im Jahr 2030 immer noch über denen des Jahres 1990 liegen.“ Die beiden kritisieren auch die zentrale Rolle des Emissionshandels in Obamas Plan. Sie erlaube Kraftwerksbetreibern zu „zahlen um zu verschmutzen“. Den Bundesstaaten und Anrainerkommunen hingegen gebe er keine Handhabe zur Gestaltung.
Zwei wichtige Wählergruppen im Blick
Fünf Monate vor den Kongresswahlen in den USA ist der – wenn auch nicht unkritische – Zuspruch von Umweltschützern viel wert für Obamas Partei. Denn die Pläne sprechen zwei wichtige demokratische Zielgruppen an: AfroamerikanerInnen und Latinos. Der Präsident betont, dass beide Gruppen zu jenen gehören, die am stärksten von CO2-Verschmutzung und den daraus folgenden Krankheiten betroffen sind.
Auf der Seite der Kritiker steigen mit den nun vorgestellten Plänen von Obama in den 25 Bundesstaaten, in denen Kohlekraftwerke stehen, Kohle gefördert und Kohle verladen wird, Wahlkämpfer für die Zukunft des Rohstoffes in den Ring. Und in Washington wettern der republikanische Chef des Repräsentantenhauses, John Boehner (er kommt aus dem Kohle-Staat Ohio), und der Chef der republikanischen Minderheit im Senat, Mitch McConnell (aus dem Kohlestaat Kentucky), gegen eine „nationale Energiesteuer“, die Obama mit dem Plan einführen will. Sie sprechen von einem „Angriff auf die Kohle-Jobs“. Die Handelskammer behauptet, der Plan gefährde 800.000 Arbeitsplätze und werde die Energiekosten in die Höhe treiben.
Solche Katastrophenbilder fängt das Weiße Haus mit der Prognose ab, die CO2-Schadstoffbegrenzung werde einen Schub von Innovationen, von Investionen und von neuen Arbeitsplätzen bedeuten und die USA weltweit zu einer führenden Nation in diesem Bereich machen. Präsidenten-Sprecher Jay Carney erinnert auch daran, dass jede Umweltreform – vom Luftreinhaltungsgesetz von 1970, bis zum Vorgehen gegen Sauren Regen 20 Jahre danach – ähnliche Katastrophen-Szenarien beschworen wurden, die sich nicht bewahrheitet hätten.
Politisch schwerer für Obama wiegt die Kritik von Politikern seiner eigenen Partei. Die demokratische Senatorin Mary Landrieu aus Louisiana, die dem Energiekomitee des Senat vorsteht, spricht sich zwar nicht grundsätzlich gegen den Plan aus. Verlangt aber, dass statt der Umweltbehörde der Kongress über den Austoß von CO2 entscheiden solle. Der Kongress jedoch hat schon in Obamas erster Amtszeit ein Klimagesetz verhindert.
Von der Bundesstaaten- auf die Bundesebene
Nun versucht Obama daher, den Kongress zu umgehen. Umweltchefin McCarthy erklärt, dass es eine typische Aufgabe der Umweltbehörde sei, Schadstoffabgaben zu begrenzen. „Wir regulieren auch Quecksilber und Arsen“, sagt McCarthy, „jetzt, wo wir wissen, wie gefährlich es ist, müssen wir es auch mit Kohlendioxid tun.“ Die EPA-Chefin hat früher für den republikanischen Gouverneur Mitt Romney in Massachusetts gearbeitet. Massachusetts hat, wie ein Dutzend anderer US-Staaten, längst Obergrenzen für den CO2-Ausstoß festgelegt.
Der Plan hievt dieses Modell auf die Bundesebene. Zugleich verspricht er eine lange politische Auseinandersetzung. Jeder Bundesstaat kann entscheiden, ob er seine CO2-Obergrenzen mithilfe von Emissionshandel, Schadstoffbegrenzungen oder verstärkter Arbeit mit Erneuerbaren Energien erreicht. Nur wenn gar nichts passiert, will die Bundesregierung aktiv werden. Wie sie das tut, ist im Plan nicht präzisiert
Im Juni 2015 soll der Plan in seiner endgültigen Fassung vorliegen. Anschließend bleiben drei Jahre Zeit für die Umsetzung. Bis zum Januar 2017, wenn Obamas NachfolgerIn ins Weiße Haus zieht, wären damit die Weichen für einen Umbau des veralteten Kohle-Kraft-Werkparks gestellt. Eine massive Umstellung von Kohle auf Gas hat in den US-Kraftwerken längst begonnen. Der Fracking-Boom hat die Gaspreise so gesenkt, dass viele Energiehersteller aus der Kohle ausgestiegen sind – wegen der Kosten, nicht wegen des Klimas.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen