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Razzia bei RechtsextremenZwei Dutzend Neonazis in Haft

Weil sie immer wieder Linke angegriffen haben sollen, nimmt die Polizei 24 Mitglieder einer Kameradschaft fest – darunter den Koblenzer NPD-Kreisvorsitzenden.

Fundstücke aus dem „Braunen Haus“ und anderen Gebäuden. Darunter zwei Pistolen, eine Schleuder mit Stahlkugeln, ein Hitler-Porträt aus Metall. Bild: dapd

BERLIN taz | Eine derart groß angelegte Aktion gegen gewalttätige Neonazis gibt es nicht alle Tage: Am Dienstag hat die Staatsanwaltschaft Koblenz 24 Rechtsextremisten festnehmen und Wohnungen in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Thüringen durchsuchen lassen. Die Razzia richtet sich gegen die Kameradschaft „Aktionsbüro Mittelrhein“. Die Ermittler stufen diese als kriminelle Vereinigung ein.

Unter den Festgenommenen waren auch Mitglieder der NPD, etwa der Koblenzer Kreisvorsitzende der rechtsextremen Partei. Verbindungen zur Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) gebe es nach derzeitigem Stand nicht, so das rheinland-pfälzische Innenministerium.

Gestürmt wurde von der Polizei am frühen Dienstagmorgen unter anderem das „Braune Haus“ im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr-Ahrweiler, einer Kleinstadt, die zwischen Bonn und Koblenz liegt. Das Haus soll dem „Aktionsbüro Mittelrhein“ als eine Art Hauptquartier gedient haben, hieß es.

Die rechtsextreme Gruppe soll die linke Szene ausgespäht, Antifaschisten geoutet und so „ein Klima des Hasses geschaffen und Ängste geschürt“ haben, so die Staatsanwaltschaft. Immer wieder seien die Rechtsextremen aber auch „offen gewalttätig“ gegen Linke und Gegendemonstranten vorgegangen.

NPD-Plakate abgehängt

Zum Beispiel im Februar 2011 in Dresden: Da sollen 15 der von der Koblenzer Staatsanwaltschaft Beschuldigten an einem brutalen Angriff auf ein linkes Wohnprojekt in Dresden-Löbtau beteiligt gewesen sein. Die Attacke am Rande der Neonazi-Demonstration zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens hatte damals für Aufsehen gesorgt. Rund 300 Rechtsextreme hatten das Haus mit Steinen beworfen und die Fenster mit Stöcken eingeschlagen, ohne dass die Polizei eingriffen hatte. Bereits auf der Anfahrt nach Dresden hatten Neonazis Busse von Gegendemonstranten attackiert, auch dabei sollen Neonazis vom „Aktionsbüro Mittelrhein“ mitgemischt haben, wie ein Vertreter der Staatsanwaltschaft am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Koblenz berichtete.

Aber auch bei zahlreichen anderen Anlässen sollen Mitglieder des „Aktionsbüros Mittelrhein“ in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen Linke angegriffen haben, etwa weil diese NPD-Plakate abhängten.

Beobachter aus der antifaschistischen Szene warnen schon seit Jahren vor der Aggressivität des „Aktionsbüros Mittelrhein“. Auch der Verfassungsschutz und die Ermittler haben die Kameradschaft schon länger im Visier. So hat die Polizei Koblenz im Frühjahr 2010 eine eigene Ermittlungsgruppe eingerichtet – fast zwei Jahre später erfolgte nun der Schlag der Staatsanwaltschaft.

Bei der Razzia gegen die Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz und anderen Bundesländern ist nach taz-Informationen auch der Koblenzer NPD-Kreisvorsitzende Sven Lobeck festgenommen worden. Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft auf Nachfrage bestätigte, gehört er zu den insgesamt 33 Beschuldigten in dem Ermittlungsverfahren gegen das rechtsextreme „Aktionsbüro Mittelrhein“.

Interne E-Mails belegen Zusammenarbeit

Linke Szenebeobachter halten Lobeck für einen der führenden Köpfe der Kameradschaft. Bei der Bundestagswahl 2009 war er als NPD-Kandidat angetreten. Auch interne E-Mails, die der taz vorliegen, belegen die Zusammenarbeit der NPD mit dem „Aktionsbüro Mittelrhein“.

Festgenomen wurde nach Angaben aus Sicherheitskreisen am Dienstag auch Christian H., der als Chefkoordinator des „Aktionsbüros Mittelrhein“ gilt und in der Kameradschaftszentrale „Braunes Haus“ sogar gewohnt haben soll.

Auf ihrer Homepage, die am Dienstag nach wie vor im Netz zu finden war, bezeichnen sich die Rechtsextremen vom „Aktionsbüro Mittelrhein“ selbst als „Nationale Sozialisten“. Das Motto der Kameradschaft: „Deutschland muss leben.“ Der letzte Eintrag stammt von Dienstag früh 6.09 Uhr, kurz nach Beginn der Razzia, und warnt die Kameraden: „Es ist mit weiteren Durchsuchungen zu rechnen.“

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7 Kommentare

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  • GL
    gustav landauer+erich mühsam

    alles erst mal abwarten...es geht vor allem nicht darumnur die npd zu verbieten.es muß darum gehen,jegliche organisation des rechten sprektrums zu

    verbieten.derartige geistes bzw. ungeistigkeiten und unmenschlichkeiten können nirgendwo in einem menschenrechtsstaat oder -.staatengebilde eine existenzberechtigung haben.für rassismus gibt es keine meinungsfreiheit oder organisations und handlungsfreiheit.

    zu fragen ist aber auch wie leute wie die quandts und flicks ihr kapital das in der nazizeit erwirtschaftet ,hatten behalten konnten.quandtsvermögen immerhin aus 100% sklavenvernichtungsarbeit..und wie man sich ohne diesen fall hinreichend gelöst zuhaben in der brd

    dann zu verfassungsjuristereien aufschwingen kann,ohne einige grundprobleme der menschenrechtstaatlichkeit gerecht gelöst zu haben.

    so kann man dann auch ssopfer nicht entschädigen

    weil sie wie die beiden griechen als pogrommopfer

    allein überlebende sind und man sich gegen einzelfälle mir einem zynischen entschädigungsgesetz repräsentiert hat,gerade so als hätte der nazinachfolgestaat sich selbst von den nazis befreit und hätte dem selbstverständlickeitsanspruch auf entschädigung nur freiwillig nachzukommen.es bestünde keine völkerechtsethische verpflichtung..entschädigungen nachzukommen.derartige rechtsauffassungen sind von den hochjuristen nicht beanstandet sondern bestätigt worden.eine sehr suspekte form der

    rechtsauffassung sei den herren richtern damit attestiert.ja eine spezielle form der diskriminierung.eine juristische perfidie der gesetzmacher.eine ethische minderwertigkeit des

    geistigen handwerkes..

    ebenso ist die auffasung der verfassungsrichter

    ja auch absurd..zu behaupten es wäre unmöglich die npd zu verbieten,weil dort vermeindlich v-leute

    in der führungsebene sitzen.jedes mitglied einer (kriminellen) organisation ist IMMER für seine eigenen taten selbst verantwortlich.ob nun agenten provozieren oder zu straftaten aufrufen ,ist unerheblich,für die ausführung ist der täter verantwortlich.daher ist der befehlsnotstand auch nur eine flucht in die verantwortungslosigkeit.

    enttäuschend jedenfalls juristen die konstruiertes recht der offensichtlichen und nachweisbaren gerechtigkeit vorziehen.

    wie gesagt..der quandtfall ist nicht rechtstattlich

    gelöst worden.dies nicht zu tun ist begünstigung im amt.mankann sklaverhaltervermögen nicht einfach den

    erwirtschaftern und erben überlassen.das grenzt

    an beteiligung an menschenrechtsverbrechen.

  • R
    riotgirrrl

    warum die nciht eher festgenommen und gerazzt wurden ist ganz einfach, dann hätte man ja schon alles vom aktionsbüro mittelrhein lahmgelegt... so hat man abgewartet und weiter geforscht... ganz normale gängige perverse polizeitaktik...

     

    nunja, so richtig ist hier auch noch nicht klar, warum die in haft sitzen, um mal ehrlich zu sein, hier wird auch die extremismustheorie hochgehalten

     

    in deutschland werden gerade 2 wesentliche feinde gebraucht, die linke und die rechte... die rechte hat eine gewisse begründung... bei der linken werden begründungen konstruiert

  • N
    noevil

    Hoffentlich müssen wir die derzeitigen Aktivitäten einer aufgeschreckten Polizei nicht später als reinen Aktionismus zur Beruhigung der Öffentlichkeit einordnen.

     

    Es wird wohl vernünftig sein, auch das weitere Vorgehen der Justiz durch die Medien aufmerksam betrachten zu lassen.

     

    Oder ist am Ende damit zu rechnen, über kurz oder lang die rechten Spießgesellen wieder auf freiem Fuße erleben zu müssen, und sie dann -schlimmer als je zuvor- nicht am Agieren hindern zu können - Dank immerhin möglichem "Persilschein"?

     

    Haben die bekannten Untaten in Dresden aus 2011 denn strafrechtliche Relevanz? Wenn ja, warum sind sie dann nicht bereits unmittelbar danach geahndet worden? Da drängen sich natürlich einige ungute Vermutungen auf.

  • WR
    Weiße Rose

    Zwei Dutzend ist immerhin ein Anfang. Führende Neonazis müssen nun - wie Kinderficker - dringend in Sicherungsverwahrung, bis ihre Unschädlichkeit für die Allgemeinheit sichergestellt ist.

  • M
    menschenfreund

    Zwei Dutzend sind nicht viel - aber hofentlich ein guter Anfang!

  • M
    menschenfreund

    Zwei Dutzend sind nicht viel - aber vielleicht ein guter Anfang!

  • RD
    Richard Detzer

    Solange die schriftliche und mündliche Artikulation der NPD Programmatik gnadenlos verfolgt und verboten wird, ist die Gewalt dort keine Selbstartikulation, sondern erlaubt.