Rassismus in den USA: Der Schrei verhallt
Eine Studentenverbindung grölt rassistische Lieder und filmt sich dabei. Nach kurzem Shitstorm wird sie aufgelöst, eine Debatte gibt es nicht.
Ein Bus voller gut gelaunter Studenten. Direkt vor der Linse der Handykamera steht ein junger Mann. Er trägt Jackett und Fliege, singt am lautesten und reckt die geballte Faust in die Luft. Der ganze Bus skandiert mit ihm einen rassistischen Sprechgesang über dunkelhäutige Menschen.
Nur neun Sekunden dauert das Video, das eine Studentenverbindung der University of Oklahoma auf dem Weg zu einer Party zeigt. Nur wenige Stunden hat es gedauert, bis das Video über das Internet zum Aufreger wurde.
Was die Studenten auf ihrem Bustrip singen, ist alles andere als harmlos. Im Chor beleidigen sie dunkelhäutige Menschen und feiern, dass sie diese niemals in ihre Verbindung aufnehmen würden. Das Lied ist ohne Zweifel rassistisch und dafür gibt es keine Rechtfertigung. Aber was bringt der Shitstorm im Internet?
Das Netz differenziert nicht
Ob nur einfach dahergesagt oder tief sitzender Rassismus – das Netz differenziert nicht. Es lässt keinen Dialog auf Augenhöhe zu. Vielmehr soll der, der am Online-Pranger steht, büßen. Die totale Aufklärung wird suggeriert. Aber der Aufschrei im Netz dient weder einer ehrlichen Debatte noch dem kritischen Hinterfragen des eigenen Verhaltens. Eine kurze Empörung, vielleicht ein neues Hashtag – das war’s. Der Schrei verhallt, die Ursachen bleiben. An den wohl tatsächlich rassistischen Gedanken der Jugendlichen aus dem Bus wird sich dadurch nichts ändern.
Wer Fehler macht, soll die Konsequenzen im richtigen Leben tragen – im Gespräch mit seinem Umfeld. Und nicht nur schweigen. Die Studentenverbindung aus dem Video wurde unmittelbar aufgelöst. Dialog sieht anders aus.
**
Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version des Texts konnte eine Passage missverstanden werden und wurde entsprechend geändert. Danke für den Hinweis der Kommentator_innen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen