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Rassismus in den USAMord an Jogger wird zum Politikum

Zwei weiße Männer haben in den USA im Februar einen schwarzen Jogger erschossen, ein Video soll die Tat zeigen. Nun wurden sie festgenommen.

Die zunächst ausbleibenden Ermittlungen sorgten für Empörungen und Demonstrationen Foto: Bobby Haven/The Brunswick News/ap

New York taz | Die Jagdszene, bei der zwei weiße Männer einen schwarzen Jogger erschießen, spielt am helllichten Tag. Auf offener Straße. Direkt vor den Vorgärten von gepflegten Einfamilienhäusern am Satilla Drive am Stadtrand von Brunswick im Bundesstaat Georgia. Die beiden Täter haben ihren Truck mitten auf der Straße abgestellt. Jogger Ahmaud Arbery rennt um den Wagen herum – direkt in die tödliche Falle.

Ein dritter Mann – ein Komplize der beiden Täter – filmt die Szene aus einem zweiten Wagen – inklusive den drei Schüssen, den Bildern von den beiden Tätern und ihren Waffen und dem Moment, in dem der 25-jährige Jogger auf dem Asphalt zusammen bricht. Im Hintergrund der Videoaufnahmen scheppert Radiomusik.

Das Verbrechen geschah am 23. Februar. Das Video liegt den Ermittlern seither vor. Die beiden Todesschützen, der 64-jährige Gregory McMichael und sein 34-jähriger Sohn Travis, waren bis Anfang der Woche auf freiem Fuß, mittlerweile wurden sie festgenommen. Die beiden Männer werden des Mordes und der schweren Körperverletzung beschuldigt, teilten die regionalen Ermittlungsbehörden am Donnerstagabend (Ortszeit) mit. Zuvor, als der Anwalt der Arbery-Familie das 31 Sekunden lange Video auf Twitter veröffentlichte, liefen nicht einmal Ermittlungen gegen sie.

Als ein Reporter von CNN Anfang dieser Woche zu Filmaufnahmen an den Tatort kommt, und nach Gesprächspartnern sucht, ist die Straße menschenleer. Momente später geben Unbekannte eine Salve von Schüssen aus halbautomatischen Waffen ab. Niemand wird verletzt. Aber die Drohung ist unüberhörbar.

Bescheidene Wünsche

Die Familie des Toten hat bescheidene Wünsche. „Ich möchte, dass die beiden Männer festgenommen werden“, sagt Wanda Cooper Jones, die Mutter des Toten. Sie glaubt, dass ihr Sohn erschossen worden ist, weil er schwarz war. Freunde des Joggers haben eine Facebookseite geöffnet, auf der sie Gerechtigkeit für ihn verlangen.

Doch erst in dieser Woche bringt die Veröffentlichung des brutalen Videos auf Twitter Bewegung in die Sache. Sprecher der schwarzen Community vor Ort verlangen eine Aufklärung des Verbrechens. Viele von ihnen sprechen von einem „Lynching“.

Mehrere ältere Männer sagen, dass sie beim Anschauen des Videos geweint hätten. Am Dienstag gehen mehrere Dutzend junge Leute trotz Pandemie auf die Straße und verlangen Ermittlungen. Unter den Demonstranten sind nur wenige Weiße.

In den Wochen zwischen der Tat und der Veröffentlichung des Videos haben sich in Georgia zwei örtliche Staatsanwälte für „befangen“ erklärt. Gregory McMichael, der Vater, hat früher für sie gearbeitet. Das Video unterbricht für einen Moment die nationale Fixiertheit auf die Pandemie.

Für Ordnung gesorgt

Und es wird ein Politikum. Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden spricht von einer „kaltblütigen Tötung“ und verlangt einen Prozess. Zahlreiche andere Oppositionspolitiker folgen seinem Beispiel. Die Republikanische Partei schweigt.

Die beiden Todesschützen haben sich damit gebrüstet, dass sie für Ordnung gesorgt haben. Sie wollen den Jogger dabei beobachtet haben, wie er sich eine Baustelle in dem Stadtteil angesehen hat. Laut ihrer Beschreibung machte das den unbewaffneten jungen Jogger zu einem Verdächtigen.

Am Dienstag reagiert ein dritter Staatsanwalt in Georgia. Tom Duden kündigt an, dass eine „Grand Jury“ zusammen kommen werde, um das Material zu prüfen. Da die Arbeit der örtlichen Justiz wegen der Pandemie gegenwärtig still steht, soll das frühestens Mitte Juni geschehen.

So lange wollen die Freunde und Angehörigen von Arbery nicht warten. Am 8. Mai – der Geburtstag des Toten – rufen sie zu einem Solidaritäts-Lauf auf. Sie wollen unter dem Hashtag „I run with Maud“ joggen und ihre Bilder auf den sozialen Medien veröffentlichen.

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15 Kommentare

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  • Es wird immer wichtiger, dass nicht nur Trump sichtbar in Erscheinung tritt, sondern auch deutlich und bildhaft Öffentlichkeit entsteht, die die Maßnahmen, die gegen die arme Bevölkerung oder gegen Gleichbehandlung durch die Regierung getroffen werden, vermitteln kann. Gegen den Corona-Herrscher, der täglich seine angeblichen Siege zum besten gibt, braucht es dringend eine Gegenöffentlichkeit. Da ist die Presse gefragt ... und die Demokraten.

  • Willkommen im Nationalsozialismus 2.0. Die weiße "Superrasse" sorgt nun für "Ordnung". Treibjagd und Abschlachtung auf offener Straße am hellichten Tage.



    Wenn man die Bilder sieht, wo WEISSE Demonstranten (gegen den Lock-Down) mit Uniformen und WAFFEN auf die Straßen ziehen und Trump bejubelt das auch noch, dann errinert mich das an die Prügeltruppen der SA (Sturmabteilung) in den 30ern. Sie ermorderten auf offener Straße Hunderte Menschen und bezeichnete dies auch mit "Ordnung wieder herstellen".



    Die USA zogen gegen den Nationalsozialismus in den Krieg. Doch nun hat man einen Präsidenten gewählt, dessen Vorgehen und Politik immer mehr Paralelen dazu aufweist.



    Die "Ordnungstruppe" mordet und der Rest der Weißen schweigt. Man lässt sogar die MÖRDER frei herumlaufen.



    Was ist aus den USA geworden. Dem Land der Gleichheit und Freiheit. Jetzt fehlen nur noch die Fackelmärsche (mal abgesehen von den Fackelmärschen und brennden Kreuzen der Kapuzenträger vom KKK). Es kommt mir so vor, als gäbe es in den USA nur noch Egoistische, sich Minderwärtig fühlende weiße Waffennarren die vom großen Geld träumen und wo sich hinter einer Fassade verschanzen, die immer mehr Risse bekommt......

    • @Thorsten Kluge:

      >>=>.....TRAURIGE, SEHR TRAURIGE ->ABER LEIDER WAHRE WORTE!!!!



      und,ich will nicht wirklich wissen wie hoch die dunkelziffer solcher verbrechen ist.



      leider ist das ansehen solcher neo-faschistischen gruppen auch hier in unserem land,in den letzten 5 jahren auch wieder stark gestiegen.nur wird es mit namen wie "das völkische" oder "national-und patriotismus" umschrieben.



      ABER: FASCHISMUS IST,WEDER EINE MEINUNG - NOCH EINE POLITISCHE EINSTELLUNG =>FASCHISMUS IST EINE VERBRECHEN....NICHT MEHR UND NICHT WENIGER!!!!!

  • Erschreckend das erst ein Video veröffentlicht werden muss damit genug Aufsehen erregt wird um die beiden überhaupt zu verhaften....

  • Daß bei den Demonstranten wie beschrieben nur wenige Weiße darunter waren, zeigt m. E. das denen dieses Thema egal ist. Oder sie es insgeheim vielleicht sogar gutheißen. Für mich stellt sich die Frage, warum dem so ist. Ist der schwarze Jogger weniger wert oder liegt es nur an Corona? Wie auch immer es ist 😢

    • @Nobodys Hero:

      Oder sie haben einfach Schiss dasjemand sieht dass sie mit ihnen demonstrieren...

  • Welche Mittel gibt es gegen diese rassistische Mentalität?

  • Zwei Leute erschiessen einfach mal jemand, und die Polizei tut erst etwas, nachdem die Sache an die Öffentlichkeit gekommen ist. Die USA sind unter Trump zum failed state geworden

  • wahnsinn, diese US-Gesellschaft.

  • im westen nichts neues

    • @Timelot:

      Doch, doch. Da braut sich was zusammen.

      Ich blicke mit Sorge auf die nächsten Wahlen: entweder Trump macht's, was bitter und enttäuschend wird, schmerzhaft für uns alle -- oder er macht's nicht: dann wird dieser durchgeknallte Mob denken, sie müssen "Amerika" retten. Auch schmerzhaft.

  • Unglaublich. Hoffentlich gibt es irgendeinen sachlichen Grund, oder ggf. geheim laufende Ermittlungen.

  • Könnt ihr bitte, liebe taz, liebe Dorothea Hahn, bei so einem Thema, was so unglaublich wichtig ist - GANZ genau auf eure Sprache achten? Ich weiss, es tut im Grunde nichts zur Sache, aber jegliches sprachliches Aufpumpen wie "scheppert Radiomusik" (die ist im Video kaum zu hören), "Jagdszene" (est ist eine eiskalte brutale rassistische Tötung, aber keine JAGDszene!) , "Falle" - das ist aus dem Video nicht ersichtlich.

    Ich finde es respektlos, Berichterstattung sprachlich zu ideologisieren, respektlos dem Opfer gegenüber und den vielen Menschen die sich Antirassistisch engagieren - denn so glaubt ein*e kritisch*e Leser*in den Rest des Artikel deutlich weniger. Was soll das? Bleibt bei den sichtbaren Fakten und dann dem, was recherchiert wurde bitte! Als ob der Journalismus nicht schon genug unter Beschuss sei, gerade linker Journalismus!

    • 9G
      91751 (Profil gelöscht)
      @Tongo:

      Eine Falle zu stellen ist durchaus eine Jagdmethode. Und es sieht schon sehr nach einer Falle aus, zumal die filmende Person nicht ein bisschen schockiert oder überrascht wirkt. Und wo der Artikel respektlos gegenüber dem Opfer ist, bleibt mir ein Rätsel.

      Krass, dass er noch gegen diese Rassisten gekämpft hat. Die enthemmung in den USA hat unter Trump zugenommen, wenn die Afd hier an die Macht kommen sollte wird hier dasselbe passieren- mit ein paar weniger Schusswaffen, vielleicht

      • @91751 (Profil gelöscht):

        Es kommt nicht unbedingt auf die Menge der Schusswaffen an sondern wer welche hat. Wenn Mitglieder unserer Sicherheitsbehörden 'unbemerkt' Schusswaffen und zehntausende Schuss Munition beiseite schaffen können, dann hätten die 'richtigen' Personen bei einem Machtantritt der AfD mit Sicherheit sofort ausreichend Schusswaffen. Außerdem würden der AfD ja dann alle offiziellen Schusswaffenträger unterstehen.



        Goering war auch erst preussischer Innenminister und hat als Dienstherr der Polizei die Nazis offiziell in die Polizei aufgenommen und mit Schusswaffen ausgestattet. Dadurch war bei der Machtergreifung dann alles ganz einfach denn die wichtigsten Teile des Machtapparats hatte man bereits in der Hand und konnte sofort losschlagen.