Proteste gegen Naziaufmarsch in Jena: Im Damenviertel geht es rund
„Thügida“-Anhänger wollen am Todestag von Rudolf Heß einen Fackelmarsch veranstalten. Gegendemonstranten haben kurzerhand ein Haus besetzt.

Jenas Jugendpfarrer Lothar König sieht in den wiederholten Attacken der rechten Thügida-Szene den „Versuch, in einer Bastion Fuß zu fassen, an die man bislang nicht herankam“. Zum fünften Mal in diesem Jahr marschiert Thügida auf.
Der rechte Aufzug soll erst um 18 Uhr beginnen. Nach Angaben von Polizeisprecherin Steffi Kopp sind 300 Teilnehmer angemeldet, eine Zahl, die vermutlich aber nicht erreicht werden wird.
Widerständige Aktionen begannen bereits in der Nacht zum Dienstag. Früher als ursprünglich geplant, wurde schon kurz vor sechs Uhr am Mittwochmorgen ein Haus nahe des Planetariums „von vermutlich linksgerichteten Personen“ besetzt, sagte Polizeisprecherin Kopp. Noch am Morgen hielten sie eine Kundgebung mit mindestens 80 Sympathisanten ab. Die Stadtverwaltung erließ daraufhin allerdings eine Allgemeinverfügung, die alle Demonstrationen außer der von Thügida angemeldeten im Damenviertel untersagt.
„Kreide gegen Dummheit“
Außerdem wurden 43 entlang der Naziroute aufgestellte Halteverbotsschilder entwendet. Einige von ihnen wurden inzwischen in Hinterhöfen und anderen Verstecken wieder entdeckt. Ein Mitarbeiter des Kommunalservices der Stadt KSJ kann den Sinn der Aktion nicht einsehen. Die Schilder seien zum Schutz der Autos von Anwohnern aufgestellt worden, die ausnahmsweise nun im Stadtzentrum parken dürfen. Eine Behinderung des Thügida-Marsches sei so nicht zu erreichen, erklärte der KSJ-Mitarbeiter. Anwohner und eine Initiative „Kreide gegen Dummheit“ haben außerdem begonnen, Straßen und Plätze mit Parolen gegen Rechts zu bemalen.
Das seit 1992 agierende Aktionsbündnis gegen Rechts hat für 17 Uhr zu einem „Picknick gegen Nazis“ an der Sophienstraße aufgerufen. Am Kirchplatz wollen zur gleichen Zeit Politiker der Linken und der Grünen wie Umweltministerin Anja Siegesmund reden. Die Facebookseite „Damenviertelfest Jena“ ruft unter dem Motto „Musik an, Fenster auf“ dazu auf, die Marschroute mit eigener Lieblingsmusik zu beschallen.
Das aufgeklärte und akademisch geprägte Jena zeigte sich schon früher weitgehend resistent gegen „Thügida“. Zum „Führergeburtstag“ am 20. April protestierten mehr als 3.000 Jenaer Bürger gegen etwa 200 Nazis. Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) hat sich stets klar gegen nationalistische und chauvinistische Tendenzen positioniert. Pfarrer König beobachtet allerdings einen Trend seitens der Stadtverwaltung, die Demo-Auflagen zu verschärfen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart