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Protest gegen LeistungsschutzrechtBeruhigt zu Bett gehen

Der erhoffte Shitstorm gegen den Bundestag bleibt aus: Googles Plan, seine Nutzer auf Abgeordnete des Bundestags zu hetzen, ist bislang nicht erfolgreich.

Vielleicht hätte Google einfach ein ganzes Heer Android-Männchen in den Bundestag schicken sollen. Bild: dpa

Die Telefone bleiben still, und bei den Mailkonten herrscht eher Ebbe denn Flut: Einen Tag nachdem Google mit einem prominenten Hinweis auf seiner Startseite damit begonnen hat, seine Nutzer dazu aufzurufen, bei der Politik gegen ein sogenanntes Leistungsschutzrecht zu intervenieren, blieb der gewünschte Ansturm im Bundestag aus.

Im Büro des stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion, Günter Krings, der Konzerne wie Google für das ausführliche Verlinken auch von frei zugänglichen Verlagsveröffentlichungen im Netz bezahlen lassen will, hieß es am Mittwoch beispielsweise: „Hier hat niemand angerufen, und auch bei den Mails können wir noch nicht mal von ein paar Dutzend sprechen.“

Der CDU-Abgeordnete Thomas Jarzombek, für die Union in der Internet-Enquete des Bundestags, teilte schon am Abend des Kampagnenstarts per Tweet gleich auch für seine Kollegen mit: „Die Bilanz der Google-Aktion: 3 Mails bei mir, 5 bei Peter Tauber. Damit kann ich jetzt doch beruhigt zu Bett gehen.“ SPD-Mann Lars Klingbeil und andere notierten, bei ihnen sehe es ähnlich aus – also ähnlich mau.

Die Abgeordneten kritisierten trotzdem, wie Google vorgeht. „Ich freue mich dann auf alle BMW-, Mercedes- und Audifahrer, die gegen die CO2-Ziele der EU mobilgemacht werden“, mahnte Jarzombek und hoffte, dass die Praxis des Internetkonzerns nicht Schule macht.

Lesung von 2.05 bis 2.45 Uhr

Die Website mit dem Aufruf von Google gegen das LSR wurde nach Angaben des Internet-Konzerns bis zum späten Mittwochnachmittag von rund einer halben Million Menschen besucht. Bislang hätten sich über 25.000 Menschen auf der Seite eingetragen und damit ihre Ablehnung des Leistungsschutzrechtes dokumentiert.

Unterdessen wandert die erste Lesung des Leistungsschutzrechts immer weiter in die Nacht. Statt am Donnerstagabend wird der Bundestag nun voraussichtlich Freitag früh diskutieren, von 2.05 bis 2.45 Uhr – die neuen Milliarden für Griechenland kommen dazwischen.

Spannend bis unterhaltsam dürfte es aber ohnehin erst Ende Januar werden. Dann sollen Vertreter von Google und Verlagen bei einer öffentlichen Anhörung Position beziehen.

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5 Kommentare

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  • M
    Michael

    Wenn ich den Eindruck bekomme, dass die TAZ das geplante Leistungsschutzrecht unterstützt ohne ernsthaft über die Konsequenzen nachzudenken, werde ich wirklich sauer.

  • F
    fördeblick

    Es ist wohl auch wenig sinnvoll, jene über den Kampagnen-Erfolg von Google zu befragen, die sich eh schon auf die Einführung des Leistungsschutzrechts festgelegt haben, weil sie es in den Koalitionsvertrag geschrieben haben und auf das Wohlwollen der Zeitungsverlage für das Wahljahr 2013 hoffen.

  • AB
    Arne Babenhauserheide
  • AB
    Arne Babenhauserheide

    Wieso hätte ich anrufen sollen? Ich habe mich in die Petition eingetragen und darüber gebloggt.

     

    Ich vermute, so haben es viele andere auch gemacht.

     

    Und Googles Seite war auch so strukturiert, dass das Verhalten gefördert wird: Petition, dann optional noch die Möglichkeit anzurufen. Von „auf den Bundestag hetzen“ kann also keine Rede sein.

     

    Vielleicht rufe ich als Reaktion auf den Artikel hier aber doch noch an…

  • PH
    Peter Honig

    Soso, Google "hetzt" also, wenn sie auf die durchaus realen Gefahren durch das geplante LSR hinweisen. Kein Wort zu der kritischen Einschätzung namhafter Juristen des Max-Planck-Institutes? (http://www.ip.mpg.de/files/pdf2/Stellungnahme_zum_Leistungsschutzrecht_fuer_Verleger.pdf)

    Kein Hinweis darauf, dass beinahe alle großen Tageszeitungen seit Jahren eine harte Kampagne für das LSR fahren und dabei auch vor dreisten Lügen nicht zurückschrecken? Stattdessen wird die Notwehr in letzter Stunde als "Hetzkampagne" bezeichnet.

    Schade, so eine unglaubliche Unverschämtheit hätte ich von der taz nicht erwartet. Scheinbar geht euch Journalisten angesichts des Schicksals von FR und FTD der Arsch auf Grundeis, sodass ihr euch an jedem noch so lächerlichen Strohhalm festzuhalten versucht. Wie eine ausgewogene Berichterstattung aussehen kann, könnt ihr bei den Kollegen vom Freitag nachlesen. Da gibt es offensichtlich noch Journalisten, denen die Redlichkeit ihres Handwerks mehr wert ist als der hoffnungslose Versuch, ein überholtes Geschäftsmodell mittels staatlicher Subventionierung zu retten: http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/der-machtkampf-um-ein-gesetz

    Mittlerweile bereue ich es zutiefst, dass ich gerade ein taz-Abo abgeschlossen habe. Vielleicht sollte ich demnächst von euch eine Gebühr für die Benutzung meines Briefkastens fordern?!