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Prokurdische Aktivisten-WG gestürmtDurchsuchung wegen eines Posts

Wegen des Facebook-Posts einer kurdischen Flagge stürmt die Polizei in Bayern eine Wohnung. Gegen einen linken Aktivisten wird ermittelt.

YPG-Fahnen im syrischen Qamishli Foto: reuters

Berlin taz | Am Donnerstag um sechs Uhr morgens haben um die zehn Polizisten des Unterstützungskommandos (USK) der bayerischen Polizei eine Wohngemeinschaft in München durchsucht. Gegen einen der Bewohner, den linken Aktivisten Benjamin Ruß, wird ermittelt, weil er ein Foto der Fahne der PKK-nahen Miliz, YPG, auf Facebook veröffentlichte.

Das Innenministerium verdächtigt die YPG, ei­n Nachfolger der verbotenen Arbeiterpartei PKK zu sein. Die Kurdenmiliz kämpft in Syrien gegen den IS und arbeitete in einem Fall sogar schon mit dem Bundesnachrichtendienst zusammen, wie der Bayerische Rundfunk berichtete. Die USA unterstützen die Gruppe mit Waffenlieferungen.

Ruß sagte der taz, er habe die YPG-Fahne im März 2017 aus Protest gegen eine Änderung des Kennzeichenverbots auf Face­book gestellt. „Gerade waren die KurdInnen noch Helden im Kampf gegen den grausamen IS und auf einmal sind sie Feinde des deutschen ­Staates.“

Das Bundesinnenministerium hatte das YPG-Symbol – eine dreieckige gelbe Flagge mit rotem Stern – am 2. März der Liste der verbotenen Symbole mit PKK-Bezug hinzugefügt. Die Arbeiterpartei ist seit 1993 in Deutschland verboten, die Liste wird seitdem ständig aktualisiert und umfasst auch Symbole, die neu hinzukamen.

Die Polizisten ­drohten damit, die Wohnungstür einzuschlagen

Seit Mai weiß Ruß, der sich seit drei Jahren gegen das PKK-Verbot engagiert, dass die Polizei wegen eines Verstoßes gegen das Vereinsverbot gegen ihn ermittelt. Zum Zeitpunkt der Razzia war er in Griechenland, nur seine Mitbewohner waren in der Wohnung. Die Polizisten drohten damit, die Tür einzuschlagen, und hätten alle Räume „belagert“, obwohl nur gegen Ruß ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss vorlag, sagt einer der Mitbewohner. Es war, als stünden sie alle unter Verdacht: „Unsere Mitbewohnerin durfte nur mit offener Tür auf die Toilette. Eine Demütigung.“

Die Polizei beschlagnahmte elektronische Geräte und verließ die Wohnung nach einer Stunde wieder. Ein Sprecher der Münchner Polizei sagte der taz, dass nur Ruß’ Zimmer durchsucht wurde, die anderen seien nur aus Sicherheitsgründen betreten worden. Dass der Mitbewohnerin verboten wurde, beim Toilettengang die Tür zu schließen, könne er nicht bestätigen.

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2 Kommentare

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  • Genau das gleiche ist vor kurzem dem bayrischen AFD-Vorsitzenden passiert: Er hatte die Antifa mit der SA verglichen und bekam danach Besuch von der Exekutiven.

     

    Damals war die Empörung aber nicht so groß...

     

    Davon mal abgesehen, ein Artikel der unbestätigt auf der Aussage eines Augenzeugen beruht, der auch noch dem Beschuldigten nahe steht. Ganz großer Journalismus, BILD lässt grüßen...

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    So verlogen. In einem Moment ist die YPG die Held*innen-Truppe mit den Frauen, die den IS in die Flucht schlagen. Im gleichem Atemzug, in dem sowohl USA als auch Russland die YPG unterstützen, kann NATO-Mitglied und Vollblutdemkrat Erdogan sie zu Terroristen erklären? Soll der deutsche Staat doch seine Razzien im Pentagon führen!

    Das zeigt wieder einmal, dass das Feindstrafrecht ein politisches Willkürmittel ist, dass im Zweifelsfall eben genau jenen Diktatoren in die Hände fällt, vor denen es die demokratisch gesinnten Menschen doch eigentlich schützen soll. Oder hat das Feindstrafrecht etwa doch genau diese Funktion eines Willkürparagraphen - wie das "Sittengesetz" in GG Art. 2?