Pro-Asyl-Chef über Asylgesetz-Reform: „Eine Hürde aus den 80er-Jahren“
In Zukunft soll es Flüchtlingen erlaubt sein, schon nach drei Monaten zu arbeiten. Für manche ändert sich damit nichts, sagt Bernd Mesovic.
taz: Herr Mesovic, am Donnerstag hat der Bundestag Änderungen im Asylrecht beschlossen – demnach soll es unter anderem Flüchtlingen und Geduldeten künftig erlaubt sein, nach drei Monaten Aufenthalt einen Job aufzunehmen. Wie bewerten Sie diese Neuerung?
Bernd Mesovic: Das ist grundsätzlich zu begrüßen, aber die entscheidende Hürde für viele Flüchtlinge ist ja nicht die Dauer des absoluten Arbeitsverbots, sondern die Vorrangprüfung.
Welche Konsequenzen wird denn die neue Regelung haben?
Das Problem ist: Es bleibt bei der Regel, dass nur Jobs angenommen werden dürfen, für die die Arbeitsagentur keine passenden Bevorrechtigten in der Kartei hat. In Gegenden mit hoher Arbeitslosigkeit wirkt das wie ein Arbeitsverbot. In den Ballungsgebieten wird es vielleicht ein paar Leute geben, die den Arbeitsmarktzugang schneller schaffen können – in strukturschwachen Regionen ändert sich nichts.
Also eine ungerechte Situation...
...ja, weil Flüchtlinge sich nicht aussuchen können, wo sie wohnen, sie werden zwangsverteilt und es gilt die Residenzpflicht. Das ist eine unbefriedigende Situation. Ich weiß ich nicht, warum man es bei der üblichen Marktgläubigkeit nicht wenigstens dem Markt überlässt, ob Flüchtlinge nun einen Job finden oder nicht. Die Vorrangprüfung ist meiner Meinung nach eine veraltete Hürde, die aus dem Arsenal der Abschreckung stammt, also aus den 80er und 90er Jahren.
Was müsste sich denn noch ändern, um die Integration in den Arbeitsmarkt wirklich zu verbessern?
Ein großes Problem ist, dass Asylsuchende von den Integrationskursen ausgeschlossen sind. Für mich gehört zu einer Chance auf dem Arbeitsmarkt auch ein Anspruch auf einen adäquaten Deutschkurs mit begleitenden Informationen dazu, damit sich Flüchtlinge in dieser Gesellschaft überhaupt zurecht finden können.
Was bedeutet denn adäquat?
Die Personengruppe „Flüchtlinge“ ist ja sehr heterogen zusammengesetzt.Wir haben unter den Flüchtlingen, auch unter denen, die gerade aktuell kommen, zum Beispiel Akademiker mit Abschlüssen als auch Menschen, die auch in ihrer Muttersprache kaum alphabetisiert sind. Das ist ein weites Spektrum – das bedeutet, die Deutschkurse müssten so ausgerichtet sein, dass sie auf diese Unterschiede eingehen können. Den Zugang zu Sprachkursen und den Zugang zum Arbeitsmarkt muss man zusammen denken.
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