Politiker und WM-Empfang auf Fanmeile: Wo sind die WM-Minister?
Viele namhafte Politiker werden den Empfang der Nationalmannschaft auf der Berliner Fanmeile meiden. Schuld ist Angela Merkel.
BERLIN taz | In Rio konnte die Politik gar nicht dicht genug dran sein an den frisch gebackenen Weltmeistern: Kanzlerin Angela Merkel drückte bei der Medaillenübergabe jeden einzelnen Spieler an ihre Brust; später posierte sie zusammen mit Bundespräsident Joachim Gauck in der Mannschaftskabine für diverse Schnappschüsse der Spieler, deren politische Werbewirkung mit Geld kaum aufzuwiegen sein dürfte.
Bei ihrer Ankunft in Deutschland bleiben die Fußballer von derlei Übergriffen hingegen offenbar verschont. Berlin hat sich zwar im internen Wettstreit gegen Frankfurt durchgesetzt, so dass die Nationalmannschaft am Dienstag vor dem Brandenburger Tor als Weltmeister empfangen wird. Die Bundespolitik wird dabei aber offenbar nicht vertreten sein.
Die Kanzlerin ist ebenso wie der für den Sport zuständige Innenminister Thomas de Maizière auf Dienstreise; der Bundespräsident ist im Schloss Bellevue mit einem Richterwechsel am Bundesverfassungsgericht beschäftigt. Und von den übrigen Ministerinnen und Ministern hat nach Auskunft ihrer Pressestellen noch niemand Interesse angemeldet, den Termin wahrzunehmen.
Selbst SPD-Chef Sigmar Gabriel und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die sonst für jede Aktion zu haben sind, die sie dem Volk und der künftigen Kanzlerschaft näher bringt, setzen lieber ihren Sommerurlaub (Gabriel) oder Sommerreise zur Truppe (von der Leyen) fort, statt in Berlin den Pokal und seine Gewinner zu streicheln.
Vermutlich ist auch ihnen klar, dass die Bilder aus Rio ohnehin nicht zu toppen sind und in Berlin nicht mehr als ein peinlicher Abklatsch zu erwarten wäre. Immerhin Wolfgang Schäuble zeigte am Montag aber vorbildliches Engagement: Der CDU-Finanzminister ließ in Berlin eine Sonderbriefmarke verteilen. Motiv: „Deutschland Fußballweltmeister 2014“, Auflage fünf Millionen Stück.
Wann diese in Auftrag gegeben wurden und was mit den bereits gedruckten Marken bei einem anderen Ergebnis passiert wäre, dazu schwieg sein Ministerium. Zu solchen „hypothetischen Fragen“ nehme man keine Stellung. Und ganz ohne politische Begleitung wird der Empfang der Fußballer in Berlin am Ende wohl auch nicht ablaufen. Zumindest einer ließ am Montag schon die Modalitäten für einen Auftritt mit der Nationalmannschaft klären: Berlins Party-erprobter Bürgermeister Klaus Wowereit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Rückzug von Marco Wanderwitz
Die Bedrohten
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül