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Opposition: 70 Tote in KiewEU beschließt Sanktionen

Einreiseverbote und Kontensperrungen gegen die Verantwortlichen für die Gewalt sollen schnell verhängt werden. Die Gewalt reißt indes nicht ab.

Demonstranten in Kiew tragen Tote vom Maidan. Bild: ap

KIEW/BRÜSSEL rtr/afp/dpa | Die Außenminister der Europäischen Union haben Sanktionen gegen die politische Führung der Ukraine beschlossen. Die italienische Außenministerin Emma Bonino sagte nach einem Treffen in Brüssel am Donnerstag, man werde „sehr schnell“ die Sanktionen umsetzen. Einreiseverbote und Kontensperrungen richteten sich gegen die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen und Gewalt.

An der Sonderkonferenz der EU-Außenminister nahmen die Außenminister Frank-Walter Steinmeier (Deutschland), Laurent Fabius (Frankreich) und Radoslaw Sikorski (Polen) nicht teil. Sie waren am Donnerstag in Kiew zu Gesprächen, vor allem mit Präsident Viktor Janukowitsch.

Bei den vierstündigen Beratungen seien „Vorstellungen von einem Fahrplan“ zur Sprache gekommen, der zu einer friedlichen Lösung der Krise beitragen könnte, hieß es am Donnerstag aus Delegationskreisen in Kiew. Janukowitsch und die Opposition müssten diesem Fahrplan aber noch zustimmen. Demnach sollen eine Übergangsregierung gebildet, eine Verfassungsreform begonnen und Parlaments- und Präsidentenwahlen abgehalten werden. Dies verlautete am Donnerstag nach einem Treffen der Außenminister aus den drei Ländern mit Staatspräsident Viktor Janukowitsch in Kiew.

Klare Worte aus Brüssel

Die Minister berichteten der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton per Telefon über die Lage in Kiew. „Die Verantwortung für den Stopp der Gewalt liegt eindeutig bei den Regierenden. Und wir fordern sie auf, das so rasch wie möglich zu tun“, sagte Ashton. „Wir fordern die Regierung zu größtmöglicher Zurückhaltung und die Oppositionsführer dazu auf, sich von jenen zu distanzieren, die radikale Aktion einschließlich Gewalt wollen", heißt es im Entwurf der Schlusserklärung.

Die Minister wollten für die Hauptverantwortlichen der Gewalt Einreiseverbote und Kontensperrungen beschließen. Eine Namensliste der von den „restriktiven Maßnahmen“ betroffenen Personen gab es aber noch nicht. Diese könne aber „sehr rasch“ erstellt werden, sagten EU-Diplomaten. Kontensperrungen würden jene Mitglieder oder Unterstützer der Regierung treffen, die große Guthaben beispielsweise bei Banken in Zypern haben. Umstritten war noch ein Waffenembargo gegen die Ukraine. Diplomaten sagten, es gebe einige EU-Staaten, die derzeit das Militär noch aus Sanktionen heraushalten wollten.

Scharfschützen feuern aus dem Hinterhalt

Mindestens 70 Menschen sind nach Oppositionsangaben allein am Donnerstag trotz eines mit der Regierung ausgehandelten Gewaltverzichts ums Leben gekommen. Mehr als 500 seien verletzt worden. Demonstranten schleuderten Feuerbomben auf die Polizisten und nahmen mindestens 67 von ihnen gefangen, wie das Innenministerium mitteilte. Scharfschützen der Regierung feuerten aus dem Hinterhalt auf die Menge.

Das ukrainische Fernsehen zeigte Bilder von Demonstranten, die im Kugelhagel auf den Boden stürzten und anderen, die sich mit selbst gebauten Schilden schützten. Leichen wurden auf Plastikplanen und Holzplanen weggetragen. Auf Videos der Nachrichtenagentur AP war zu sehen, dass mindestens einer der Scharfschützen die Uniform eines ukrainischen Bereitschaftspolizisten trug.

Die gefangenen Polizisten wurden mit erhobenen Armen durch das Protestlager auf dem Unabhängigkeitsplatz, dem Maidan, geführt. Ein oppositioneller Abgeordneter sagte, die Beamten würden im besetzten Rathaus von Kiew festgehalten. Die Tatsache, dass der Aufruf der Regierung und der Opposition zur Waffenruhe ungehört verhallte, werteten Beobachter als Zeichen dafür, dass keine der beiden Seiten noch Kontrolle über die Lage hat.

Putin sendet Vermittler

Der russische Präsident Wladimir Putin entsendet einen Vermittler nach Kiew. Der Vertreter Moskaus werde auf Bitten des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch an den Verhandlungen mit der Opposition teilnehmen, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag der Nachrichtenagentur Ria Nowosti. Putin habe Russlands Ombudsmann für Menschenrechte, Wladimir Lukin, mit der Aufgabe betraut.

Janukowitsch dürfe nicht zulassen, dass die Opposition über ihn wie über einen „Fußabtreter“ hinweggehe, sagte Ministerpräsident Dmitri Medwedew. Russland könne nur mit legitimen und effektiven Regierungen zusammenarbeiten.

Medwedews Worte sind das bisher stärkste Signal, dass Russland Ordnung auf den Straßen Kiews erwartet, bevor es bereit ist, der Ukraine weiter finanziell zu helfen. Weiterhin weist das russische Außenministerium die Drohung der EU mit Sanktionen gegen die ukrainische Regierung als unangemessen zurück. Dadurch würden die Spannungen nur verschärft. Außenminister Sergej Lawrow warf dem Westen nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur RIA „Erpressung“ vor.

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13 Kommentare

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  • ...

    was ich mich wirklich frage: wie kann es sein, wenn selbst bei rtr/afp/dpa-meldungen, in denen beide seiten (west/ost; ganz platt und vereinfacht)öffentlich immer mehr druck auf die ukraine erzeugen, dass der hintergrund geostrategisch geprägt ist-beidseitig?!?

    das kann doch nicht so schwer sein taz...

  • AS
    Alle Schuldigen?

    Die EU sperrt auch ihre eigenen Konten?

  • J
    johnny

    Als richtig fiese Sanktion schlage ich vor, wir verfrachten die ganzen AgitProp-Kader, die sich hier in den Foren tummeln, ins gelobte Land zu Putin.

     

    Wenn sie schon für ihn hetzen, sollen sie sich auch von ihm durchfüttern lassen und ihm auf die Nerven gehen.

     

    Aber ob man so grausam sein darf?

    • C
      cosmopol
      @johnny:

      Wo erkennst du denn hier Argumente für den Ex-Geheimpolizisten Putin? Würde mich mal interessieren, ich sehe die nicht so recht.

  • Sanktionen werden den Konflikt noch weiter anheizen. Und auch wenn Scharfschützen in ukrainischen Polizeiuniformen gesehen werden. Im nun offen ausgebrochenen Bürgerkrieg werden Verbrechen in gegnerischen Uniformen zur kriegspsychologischen Taktiken gehören. So wie sie an fast jeder Militär- oder Polizeischule gelehrt werden. Und weil deutsche Medien stets Vertreter der ukrainischen Opposition waren, frage ich wem man noch glauben kann.

  • G
    Gast

    Schliesse mich dem Kommentar von Cosmopol an. TAZ hat versagt.

  • C
    cosmopol

    Ihr könntet das obiges Bild auch mit "Ein Plakat der militanten Rechtsaußen-Truppe Spilna Sprava, mit denen wir ein unsägliches Interview geführt haben" unterschreiben. Ist zumindest groß und fett deren Logo drauf.

    • @cosmopol:

      Danke für die Anmerkung und volle Zustimmung!

      • C
        cosmopol
        @Dubiosos:

        Ist ja mittlerweile durch ein, leider ziemlich trauriges Bild ersetzt worden. Wurde der Artikel auch modifiziert? Es kommt mir so vor...

  • CF
    Champagner für alle!

    Es ist erschreckend, dass selbst die taz nicht gewillt scheint zumindest den Versuch einer objektivierteren Berichtserstattung, über die Ukraine zu unternehmen und im gleichen Ton, mit den gleichen Phrasen wie die gesamte Springerpresse die Mär vom friedlichen Demonstranten und vom bösen Russ in der Gestalt Janukowitschs wiederkäut.

     

    Dass der Umstand, dass im Bedonderen die vorderen Reihen der Demonstranten zum ganz überwiegenden Teil aus trainierten, geschulten Neonazis und mit denen assoziierten Wehrsportgruppen besteht, wird in deutschen Medien schlichtweg systematisch nicht erwähnt. Es diskreditiert die gesamte hiesige schreibende Zunft, wenn Faschos in Thor Steinar Kluft hinter frisch gesprühten Pfeilkreuzen als friedliche Demonstranten beschrieben werden, Antisemiten das Label liberal verliehen bekommen und kein Schwein zB von anarchistischen Aktivisten berichtet, die von friedlichen, weltoffenen Demostranten auf dem Maidan halb totgeschlagen werden.

     

    Doch wahrscheinlich verkenne ich einfach nur die EU in ihrer friedensbringenden Größe und Milde, die osteuropäische Seele, die nunmal zu eruptiveren Entäußerungen neigt und bin einer ganz schmutzigen putinschen Propaganda aufgesessen.

    • KS
      Konsequent schlecht
      @Champagner für alle!:

      Die Grünen sind auf Pro-EU-Linie und davon können sie nicht abrücken. Das führt zu sowas!

      • C
        cosmopol
        @Konsequent schlecht:

        So ein Quatsch. Als ob jemand der sich proeuropäisch äußert damit seine Differenzierungsfähigkeit an der Tür abgeben würde. Wer stumpf antieuropäisch argumentiert spült natürlich überhaupt kein Wasser auf die Mühlen des rechten Mobs, ist klar...

        • K
          Konsequent
          @cosmopol:

          Ich würde proeuropäsich/antieuropäisch und pro-EU/anti-EU trennen.

          Wobei die taz dieses zum größten Teil nicht trennt, sondern als Einheit sieht.

           

          Die taz ist proeuropäisch und pro-EU, sowie anti-Putin. Das erste und letzte kann ich verstehen, das zweite nachvollziehen.

          Wenn man sich auf pro EU (nicht kritiklos) und anti Putin versteift, kann es halt dazu führen, dass man vieles schlechte, was die EU tut, nicht wahrnehmen möchte und alles schlechte, was Putin tut, stattdessen und allein in den Vordergrund gerückt wird.

           

          Wenn (prorussische) Polizeikräfte gegen Demonstranten, darunter antirussische Neo-Faschisten, vorgehen und der 'Westen' (USA, NATO, EU, D) auch diese Neo-Faschisten in unterschiedlicher Weise mit unterstützt: Wozu führt das bei Realo-Grünen, die ihr eigenes Individuum/ihr Wohlfühlen/ihren Konsum für das wichtigste halten und sich an die Verhältnisse trotz gewisser Kritik anpassen?

          Jedenfalls nicht zu manifester Differenzierungsfähigkeit beim Schreiben eines Artikels ohne eigene Recherche.

           

          Aber ja, antieuropäische Argumente und stumpfe anti-EU-Argumente spülen viel Wasser auf die Mühlen der Rechten!

           

          Ich hoffe das war etwas differenzierter meinerseits.