Neues Spitzelwerkzeug aus den USA: Nicht gespäht, nur getestet
Ja, die NSA habe ihm Software zur Verfügung gestellt, bestätigt der Verfassungsschutz. Unterdessen spottet Ex- NSA-Chef Hayden über deutsche Politiker.
BERLIN rtr/dpa | Der deutsche Verfassungsschutz hat bestätigt, dass ihm der US-Geheimdienstes NSA eine Spähsoftware zur Verfügung gestellt hat. Das Programm werde bislang lediglich getestet, aber nicht eingesetzt, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen gegenüber Bild am Sonntag.
„Bei seiner Zusammenarbeit mit der NSA hält sich das BfV strikt an seine gesetzlichen Befugnisse“, betonte er. „Ich weise die Spekulation zurück, dass das BfV mit einer von der NSA zur Verfügung gestellten Software in Deutschland Daten erhebt und an die USA weiterleitet oder von dort Daten erhält.“ Er ergänzte, die Kooperation mit amerikanischen Nachrichtendiensten trage erheblich zur Verhinderung von Terroranschlägen in Deutschland bei.
Maaßen reagierte mit seinen Äußerungen auf einen Bericht des Spiegel, wonach das NSA-Spähwerkzeug neben dem BfV auch vom Auslandsgeheimdienst BND eingesetzt wird. BND-Präsident Gerhard Schindler äußerte sich dazu zunächst nicht konkret. Er sagte ebenfalls der Bild am Sonntag lediglich: „Eine millionenfache monatliche Weitergabe von Daten aus Deutschland an die NSA durch den BND findet nicht statt.“ Im vergangenen Jahr seien gesetzeskonform zwei einzelne personenbezogene Datensätze deutscher Staatsbürger an die NSA übermittelt worden. „Die Zusammenarbeit mit der NSA habe ich jüngst im Parlamentarischen Kontrollgremium vorgetragen“, äußerte Schindler.
Der Spiegel beruft sich auf geheime NSA-Dokumente. Demnach wird mit der Spähsoftware namens „XKeyscorewerde“ ein großer Teil der Datensätze aus Deutschland erfasst, auf die die NSA Zugriff habe. Das Programm könne etwa auf der Basis von Verbindungsdaten sichtbar machen, welche Stichworte Zielpersonen in Internet-Suchmaschinen eingegeben haben. Zudem könnten damit zumindest teilweise Kommunikationsinhalte eingesehen werden.
Intensivierte Zusammenarbeit
Dem Bericht zufolge hat sich die Zusammenarbeit deutscher Dienste mit der NSA zuletzt intensiviert. In den US-Unterlagen sei in diesem Zusammenhang vom „Eifer“ des BND-Präsidenten Schindler die Rede. „Der BND hat daran gearbeitet, die deutsche Regierung so zu beeinflussen, dass sie Datenschutzgesetze auf lange Sicht laxer auslegt, um größere Möglichkeiten für den Austausch von Geheimdienst-Informationen zu schaffen“, hätten NSA-Mitarbeiter im Januar notiert.
Nach Darstellung des früheren NSA-Chefs Michael Hayden in einem Interview mit dem ZDF hatten die USA ihre Kooperation mit den Europäern gleich nach den Anschlägen vom 11. September 2001 massiv ausgeweitet – und dabei keinen Zweifel an den Zielen gelassen: „Wir waren sehr offen zu unseren Freunden.“ Zu dieser Zeit regierten in Deutschland SPD und Grüne, die heute, auf den Oppositionsbänken sitzend, von der Regierung Merkel Aufklärung fordern.
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe warf der SPD und den Grünen deshalb Verlogenheit vor. Die Aussagen des früheren NSA-Chefs Hayden entlarvten „alle Attacken der Opposition auf die jetzige Bundesregierung als verantwortungslose Heuchelei und unverfrorene Doppelmoral“, sagte er.
Hayden machte deutlich, dass er die Überraschung deutscher Politiker über die Enthüllungen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden für unglaubwürdig hält. „Ich bin da mal sehr respektlos, okay? Das ist wie in dieser Filmszene aus 'Casablanca', in der Polizeichef Renault informiert wird, dass in Rick's Café Glücksspiel stattfindet.“
US-Gericht verlängert Genehmigung zum Datensammeln
Laut Spiegel war Ende April eine zwölfköpfige hochrangige BND-Delegation zu Gast bei der NSA und traf dort auf diverse Spezialisten für Datenbeschaffung. Wenige Wochen später deckte der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden das NSA-Spähprogramm Prism auf, mit dem seinen Angaben zufolge weltweit Unmengen von Verbindungsdaten abgeschöpft werden, darunter auch in Deutschland. Die Bundesregierung hat wiederholt erklärt, über das Programm nicht informiert gewesen zu sein.
Zuletzt hatte der Journalist und Snowden-Kontaktmann Glenn Greenwald weitere Veröffentlichungen angekündigt. Snowden habe ihm und einem Spiegel-Journalisten bis zu 10.000 streng geheime Dokumente übergeben. Greenwalds Worten zufolge beteiligt sich die Bundesregierung an dem Spionagesystem zwar nicht in dem Maße wie Großbritannien und die USA, aber in großem Rahmen.
Inzwischen verlängerte ein US-Gericht die Genehmigung zum Sammeln von Telefonverbindungsdaten. Normalerweise bleiben Entscheidungen des für die Überwachung der US-Geheimdienste zuständigen Gerichts geheim. „Angesichts des erheblichen und anhaltenden öffentlichen Interesses an dem Programm zur Sammlung der Telefonverbindungsdaten“ habe man sich aber zur Veröffentlichung entschieden, erklärte das Büro des obersten Chefs der US-Geheimdienste (DNI), James Clapper.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei