Neues Sparpaket für Griechenland: Für Samaras wird es ganz eng
Immer mehr Abgeordnete wollen am Mittwoch nicht für das Sparpaket stimmen. 30.000 Menschen protestieren gegen Kürzungen. 48 Stunden Generalstreik.
ATHEN taz | Der Katalog der Grausamkeiten ist diesmal besonders unangenehm: Renten- und Gehaltskürzungen bis zu 20 Prozent, Anhebung der Renteneintrittsalters auf 67 Jahre, Abschaffung des Weihnachtsgeldes. Das neue Sparpaket in Höhe von 13,5 Milliarden Euro soll am Mittwoch im griechischen Parlament verabschiedet werden, ebenso wie die Deregulierung des Arbeitsmarktes. Zudem steht am kommenden Sonntag der drakonische Sparhaushalt 2013 zur Abstimmung.
Das alles sind die Voraussetzungen dafür, dass Griechenland die nächste Tranche aus dem laufenden Rettungspaket der internationalen Gläubiger bekommt, die vor allem der Rekapitalisierung angeschlagener Banken dient.
Die Gewerkschaften laufen Sturm gegen die Sparmaßnahmen und rufen seit Dienstagmorgen zu einem 48-stündigen Generalstreik auf. Anwälte, Richter, Taxifahrer und Journalisten des staatlichen Fernsehens wollen fast die ganze Woche lang streiken.
Nach Polizeiangaben protestierten am Dienstag über 30.000 Menschen in der Athener Innenstadt gegen die Austeritätspolitik der Regierung. Die Demonstration verlief so friedlich wie nie zuvor in den vergangenen drei Jahren. Die Hauptkundgebung ist für Mittwochabend vor dem Parlament geplant.
Zu diesem Zeitpunkt soll die 3-Parteien-Regierung unter dem Konservativen Antonis Samaras das Sparpaket billigen, was jedoch keineswegs sicher ist. Eigentlich verfügt die Rechts-links-Koalition über eine komfortable Mehrheit von 175 der 300 Abgeordneten, doch in den letzten Tagen melden sich immer mehr Abweichler zu Wort.
Eingeschränkte Arbeitnehmerrechte
Am Montagabend sprach sich die Fraktion der mitregierenden Demokratischen Linken geschlossen gegen die geplante Reform im Arbeitsrecht aus. „Die Deregulierung des Arbeitsmarktes hat nichts mit den Fiskalproblemen Griechenlands zu tun und wurde uns erst im letzten Moment aufgezwungen“ monierte Fraktionssprecher Theodoros Margaritis.
Die 16 Linksabgeordneten entschieden sich für einen Drahtseilakt: Am Mittwoch würden sie sich der Stimme enthalten, aber am darauffolgenden Sonntag doch noch für den Haushalt 2013 stimmen.
Somit ist Samaras am Mittwochabend dringend angewiesen auf die Stimmen des sozialistischen Koalitionspartners Pasok, der nach der Wahl im Juni nur noch über 33 Sitze im Parlament verfügt und seit Wochen zerstritten ist.
Gefolgschaft verweigert
Als Erster schmiss der Abgeordnete Michalis Kassis hin: Er sei nicht bereit, für die Sparmaßnahmen zu stimmen, nur damit manche Parteibonzen Minister bleiben.
Die ehemalige Europaministerin Marilisa Xenogiannakopoulou folgte seinem Beispiel und klagte öffentlich über „die einstigen Sozialisten, die zu einer Mitte-rechts- Partei mutierten“.
Angeblich spielen mindestens drei weitere Abgeordnete der Sozialisten mit dem Gedanken, gegen die Sparmaßnahmen zu stimmen – trotz gegenteiliger Anweisung vom Parteichef Evangelos Venizelos. Auf ihn hört im Moment sowieso kaum noch jemand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen