Nach den Wahlen in der DR Kongo: Noch mehr Chaos ums Wahlergebnis
Die Wahlkommission annulliert Teile der Parlamentswahl wegen Fälschung. Stimmt nun überhaupt das Ergebnis der Präsidentschaftswahl noch?
Den Sieger der Präsidentenwahl hatte die Wahlkommission CENI am 31. Dezember verkündet: Amtsinhaber Felix Tshisekedi, mit über 73 Prozent der Stimmen. Die Bekanntgabe der Ergebnisse der Parlamentswahlen wurde kurz darauf auf unbestimmte Zeit verschoben, während die Opposition Proteste gegen das ihrer Meinung nach gefälschte Präsidentenergebnis ankündigte.
Nun hat die CENI den Fälschungsvorwurf selbst untermauert, indem sie die Parlamentswahl in mehreren Wahlkreisen annullierte und darüber hinaus die Wahl von 82 Abgeordneten für ungültig erklärte – wegen Fälschung in verschiedenen Varianten.
Die Überraschung war groß, als Wahlkommissionschef Denis Kadima Freitagabend vor die Presse trat und seinen Beschluss verlas. Denn zu den Parlamentariern, deren Wahlsieg jetzt annulliert wurde, zählen drei Minister, vier Provinzgouverneure und sechs Senatoren, dazu eine ganze Reihe von Veteranen der kongolesischen Politik.
Lauter prominente Figuren annulliert
Gestrichen wurde etwa Evariste Boshab, unter Tshisekedis Vorgänger Joseph Kabila Vizepremier und Innenminister und wegen seiner damaligen Repression gegen Oppositionelle bis heute mit EU-Sanktionen belegt; Jean de Dieu Moleka, ehemaliger kongolesischer Botschafter in Paris und früher Mitstreiter des aktuellen Verteidigungsministers Jean-Pierre Bemba in dessen Zeit als Rebellenführer; oder auch Gentiny Ngobila, aktuell Provinzgouverneur der Hauptstadt Kinshasa und zuvor ein alter Kabila-Vertrauter, der jetzt aber zu Tshisekedis Wahl aufgerufen hatte.
Ebenso annulliert sind die Wahlsiege der Provinzgouverneure von Equateur, Mongala und Tshuapa, der Präsidialministerin und engen Tshisekedi-Vertrauten Nana Manuanina sowie des Altjournalisten Tryphon Kin-Kiey Mulumba, nacheinander Propagandist aller wechselnden Diktatoren des Landes. Auch zwölf Kandidaten von Tshisekedis Partei verlieren ihre Sitze.
Den meisten wird nun amtlich zum Vorwurf gemacht, was die Opposition von Anfang an behauptet und die Regierungsseite immer zurückgewiesen hatte: „illegaler Besitz von Wahlmaschinen“ – also die Aneignung der elektronischen Wahlmaschinen, die die in den Wahllokalen abgegebenen Stimmen registrieren. Ihre Daten, an die Wahlkommission übermittelt, bilden die Grundlage für die Wahlergebnisse.
Wenn man außerhalb der Wahlzeiten weitere Stimmen eingibt, werden die offiziell mitgezählt. Das ist verboten, aber offenbar vielfach geschehen. Bei einem Abgleich mit den Protokollen der Stimmauszählung in den Wahllokalen fliegt das zwar auf – bei der Präsidentenwahl hat die CENI diesen Abgleich aber unterlassen. Bei der Parlamentswahl wird er nun wohl nachgeholt.
Opposition will komplette Wahlannullierung
Die betroffenen Kandidaten, die Opposition sowie Bürgerrechtsgruppen reagierten am Wochenende scharf: wenn ein Wahlgang gefälscht ist, sind es alle, so der Tenor zahlreicher Erklärungen. Die Opposition wiederholte ihre Forderung nach einer kompletten Wahlannullierung.
Für Präsident Tshisekedi ist das alles nicht ganz unproblematisch, denn der Beschluss der Wahlkommission treibt eine ganze Riege seiner Verbündeter in die außerparlamentarische Opposition. Als Erstes gingen am Samstag Anhänger von Kinshasas Gouverneur Ngobila auf die Straße und errichteten brennende Barrikaden. Welche Folgen die Teilannullierung für die Parlamentswahl insgesamt hat, blieb am Sonntag zunächst offen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren