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Nach Grünen-Niederlage in ÖsterreichRechts-Recherchen gestoppt

Der antifaschistische Rechercheblog stopptdierechten.at ist seit November offline. Seit der Grünen-Wahlniederlage fehlen die finanziellen Mittel.

Protest gegen den WKR-Ball in Wien – der als Kitt zwischen FPÖ und den völkischen Rechten fungiert Foto: dpa

Berlin taz | Kalt ist das Klima in Österreich. 26 Prozent erreichte die nationalkonservative und offen rassistische FPÖ bei der Nationalratswahl. Derzeit macht die FPÖ sich Hoffnungen auf eine Regierungsbeteiligung mit der ÖVP, die mit ihrem dezidiert nationalistischen Kurs als stärkste Kraft aus den Wahlen hervorgegangen ist.

Umso wichtiger bleibt die Arbeit der demokratischen Öffentlichkeit. Doch die verliert mit stopptdierechten.at zumindest vorübergehend einen wichtigen Partner. Denn der antifaschistische Rechercheblog ist seit dem 1. November offline.

Seit 2010 berichtete die Seite über Aktivitäten von rechtsextremen Kameradschaften und Burschenschaften, laufenden Gerichtsverfahren und bestehenden Verbindung zwischen FPÖ und der extremen Rechten. Mehrere zehntausend Besucher täglich verzeichnete der Blog zu Spitzenzeiten nach eigenen Angaben.

Betrieben wurde die Seite von Karl Öllinger, scheidender Abgeordneter der österreichischen Grünen. Diese haben mit 3,8 Prozent die für die Nationalratswahl geltende Vier-Prozent-Hürde – und damit den Wiedereinzug ins Parlament – knapp verfehlt. Nach der Wahlniederlage fehlen dem Blog die nötigen finanziellen Mittel. Neben Ausgaben fürTechnik und dem Betrieb der Fotoredaktion müsse auch juristische Vertretung gegen laufende Klagen finanziert werden.

Ein wichtiges Instrument

„Ein wichtiges Instrument“ sieht auch Bernhard Weidinger in dem Rechercheportal. Er ist Mitarbeiter in der Abteilung Rechtsextremismus im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands. Dass die Seite von den Grünen finanziert wurde, daraus habe der Blog kein Geheimnis gemacht. „Die Recherchen auf stopptdierechten.at waren stichhaltig und wertvoll, nicht nur für eine interessierte Öffentlichkeit, sondern auch für die Recherchearbeit“ wie sie das Dokumentationsarchiv betreibt.

Vor allem in der tagesaktuellen Berichterstattung besaß der Blog ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber weiteren Infoportalen wie FPÖ Watch, Heimatohnehass oder der Berichterstattung des Dokumentationsarchivs: Viel Arbeit sei in die Dokumentation von Nachrichten aus dem ländlichen Raum oder sozialen Medien geflossen, die sonst wenig Beachtung finden.

Zwar ist die Zukunft des Blogs unklar, doch sucht Öllinger auch bei Abgeordneten anderer Parteien nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten. „In der aktuellen politischen Situation ist eine kritische Berichterstattung über die schwarz-blauen Koalitionsverhandlungen wichtiger denn je“, sagt Öllinger.

Nahezu ausschließlich aus Burschenschaftlern und einer Mädelschaftlerin bestehe das Verhandlungskomitee der FPÖ. 20 der 51 Abgeordneten der FPÖ sowie fünf von sechs Bundesvorständen sind nach Angaben der Zeitung der Standard in völkischen Verbindungen korporiert.

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7 Kommentare

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  • 2G
    2730 (Profil gelöscht)

    So langsam nimmt das rechte Schiff Fahrt auf - in ganz und nicht nur in Europa. Die Rechten schließen ihre Reihen, nicht nur "von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt", sondern "vom Atlantik bis zum Kaukasus", darüber hinaus von der kanadischen bis zur mexikanischen Grenze.

    Was machen die Linken? Sie zerfleischen sich gegenseitig. Sie kümmern sich um Petitessen. Sie theoretisieren gegen "extreme Mitte". Sie debattieren über Katalonien.

    Als ob es nichts Wichtigeres gäbe.

     

    Diese Auffaserung gab es schon einmal, vor 90 Jahren. Auch damals haben sich Linke und Demokraten, ja, sogar Linke untereinander spalten lassen.

     

    Die Rechten dagegen haben ihre Reihen geschlossen gehalten und die gegenseitigen Rechnungen (siehe Schleicher, Röhm etc.) erst beglichen, als sie fest im Sattel saßen.

     

    Derselbe Fehler, so befürchte ich, wird derzeit wieder begangen. Statt den Gegner explizit zu verorten und vorzugehen nach der Devise "Der Feind meines Feindes ist mein Freund", werden Nebenkriegsschauplätze eröffnet.

    Dabei würde ein demokratischer Minimal-Konsens erste einmal ausreichen.

    Denn es kommt nicht darauf an, heute Recht zu haben, sondern auch morgen noch einen Rechtsstaat.

    • @2730 (Profil gelöscht):

      Auja, machen wir jetzt schnell faule Kompromisse und sehen das alles nicht so differenziert. Werfen wir unsere intellektuelle Stärke über Bord, man muss ja auch mal Fünfe gerade sein lassen. Und dann lassen wir die Linke mit der AFD koalieren, weil es keinen Unterschied mehr gibt. So lange es die "theoretisierte" extreme Mitte gibt, führt uns das in 90 Jahren wieder zum selben Punkt.

  • 4G
    4225 (Profil gelöscht)

    Haben die Grünen denn nichts zurückgelegt ? Das "'Webhosting" (darum geht es wohl, damit die Seite online bleibt), kann doch nicht die Welt kosten

    • @4225 (Profil gelöscht):

      Nein, die österreichischen Bundesgrünen haben (massiv) Schulden, so dass zeitweise sogar schon die Insolvenz im Raum stand.

      • @Eichet:

        Die Abhängigkeit von einer einzigen Partei ist für ein solches Portal problematisch. Wenn schon Parteien, dann sollten die Webseitenmacher auch auf Sozialdemokraten, Liste Pilz, KPÖ (und vielleicht auch auf die Neos) zugehen.

  • Das ist natürlich extrem bitter. Auf der anderen Seite ist niemand gezwungen ein blog abzustellen und den Zugang zu Informationen zu blockieren.

    • 4G
      4225 (Profil gelöscht)
      @Ansgar Reb:

      Jetzt sehe ich es, auf dem Plakat steht es ja klipp und klar sie" lieben dieses Land und seine Leute nicht". Warum dann einen Heller dafür ausgeben