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Micha Brumlik über Günter Grass„Typisch für seine Generation“

Der Publizist Micha Brumlik über Günter Grass’ Umgang mit der eigenen sowie der deutschen Schuld und antisemitische Stereotype.

„Grass kritisierte auch die Bundesrepublik, weil die ein U-Boot nach Israel liefern wollte.“ Bild: dpa
Interview von Klaus Hillenbrand

taz: Herr Brumlik, war Günter Grass ein Antisemit?

Micha Brumlik: Das glaube ich nicht. Aber Grass war ein Mensch, der auf eine verklemmte Art und Weise mit dem Problem der deutschen Schuld nicht fertig geworden ist.

Er hat seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS jahrzehntelang verschwiegen.

Das deutet auf ein unterdrücktes Schuldgefühl hin. Aber dann glaubte er vor drei Jahren, mit seinem Gedicht „Was gesagt werden muss“ darauf aufmerksam machen zu müssen, dass eine mögliche Auslöschung des iranischen Volkes durch Israel drohe. Mit der damaligen Realität zwischen Israel und Iran hatte das allerdings nichts zu tun.

War Grass’ Umgang mit seiner eigenen Geschichte zugleich auch typisch für viele Deutsche?

Es war typisch für viele Angehörige seiner Generation. Grass hat die deutsche Schuld sehr ernst genommen. Aber diese Schuld war zugleich schwer zu ertragen. Psychologisch kann man das damit erklären, dass man darauf verweist, dass auch andere ähnlich Schuld auf sich geladen haben.

Grass lehnte U-Boot-Lieferungen an Israel ab.

Grass kritisierte in dem Gedicht auch die Bundesrepublik, sein eigenes Land, weil die ein weiteres U-Boot nach Israel liefern wollte. Er spricht in seinem Gedicht davon, dass diese Lieferung Teil eines Verbrechens werden könnte und dass solche Hinweise als antisemitisch kritisiert würden. Das bedeutet, er fürchtete sich vor einer zweiten deutschen Schuld.

Im Interview: Micha Brumlik

Jahrgang 1947, ist Publizist und emeritierter Professor am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Sind das nicht antisemitische Stereotypen?

In gewisser Weise ja. Die Denkfigur, dass das, was die Israelis heute vorhätten, vergleichbar oder identisch mit dem sei, was die Deutschen den Juden angetan haben, ist ein antisemitisches Stereotyp.

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55 Kommentare

 / 
  • Leider kann ich Herrn Brumlik nicht folgen. Grass' Werk insgesamt ist eine einzige Aufarbeitung deutscher Schuld.

  • hier nachzulesen:

     

    http://www.taz.de/Netanjahu-zu-Irans-Atompolitik/!158229/

     

    der suggestiven fragestellung bzw. psychologik des vorliegenden interviews folgend:

    ist netanjahu also ein antiamerikaner?

     

    grass hat sich öfter als "antitotalitarist" bzw. als totalitarismuskritiker geoutet.

     

    es ging ihm also um waffenlieferungen, durch und mit denen menschenrechtsverletzungen begangen werden, besonders von seiten deutschlands.

     

    was ist daran antisemitisch?

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Der frühere iranische Präsident Ahmadinedschad auf die Frage Klaus Klebers im ZDF-Fernsehinterview vom 19.03.2012, warum der Iran keine Transparenz bezüglich seines Atomprogramms zeige:

     

    “Zeigen die Zionisten Klarheit und Transparenz in ihrer Nuklearfrage?”

     

    Später fragte Ahmadinedschad, warum Israel, das den Atomwaffensperrvertrag - im Gegensatz zum Iran - nicht unterzeichnet hat, einem IAEA-Mitgliedsstaat drohen dürfe.

     

    Berechtigte Fragen an ein Land, das nicht einmal zugibt, im Besitz von Atomwaffen zu sein, geschweige denn sich irgendeiner internationalen Kontrolle zu unterwerfen.

     

    Nun ist der Iran aus Sicht des israelischen Präsidenten vergleichbar mit dem Nazi-Regime, woraus eigentlich was folgt ?

     

    Möchte eigentlich die Antworten der Herren Brumlik und Hillenbrand lieber nicht wissen ...

  • Die Palästinenser sind Araber und werden von Arabern aktuell zu Tausenden ermordet - siehe Jarmuk.

    Dort sind sie seit Jahrzehnten eingesperrt, von ihren "arabischen Brüdern". Gaza ist ein Teil Ägyptens. Und die Antizionisten wissen, wie immer, daß die Anderen daran schuld sind, wie die Deutschen ihren Hitler hatten, der war Schuld, sonst keiner. Der Blechtrommler ist die Metapher für diese deutsche Mentalität: nichts mehr ändern im Denken.

    • @Henri Sinople:

      "Dort sind sie seit Jahrzehnten eingesperrt".

       

      Dort nahm man sie nach der Nakba auf. Sind sie denn in Israel frei?

      • @Durchsage:

        Ja, die arabischen Israelis haben dieselben Rechte wie die jüdischen Israelis, außer dass sie nicht zum Wehrdienst müssen. Auch gibt es in Israel keine Flüchtlingslager von Palästinensern, obwohl sie 20% der Bevölkerung ausmachen.

         

        Das ist mit der Situation in den arabischen Ländern nicht zu vergleichen, wo sie teilweise nicht mal studieren dürfen, wie in Syrien.

    • @Henri Sinople:

      Ganz Kanaan gehörte mal zu Ägypten, so ca. vor 3500 Jahren.

       

      Lange Zeit stritten sich dann die Nachfolger von Alexander dem angeblich Großen über die Hoheit in diesem Gebiet.

       

      Kleopatra besaß - durch Caesars Gunst - Plantagen am Toten Meer, jetzt aber scheint dieses wirklich tot zu gehen.

       

      Das sind Gewißheiten im Gegensatz zu dem, was Sie dazu schreiben, denn kein Herrscher Syriens - ob frei gewählt oder nicht - hat sich je gegen die Rückkehr von Palästinensern in ihre Heimat gestemmt.

      • @Tecumseh:

        Und die deutschen "Heimatvertriebenen" sitzen immer noch in ihren Nissenhäusern und warten auf den Einmarsch in Polen, Schlesien oder in Königsberg. Die "palästinensischen" Flüchtlingslager sind ein Resultat der arabischen Vernichtungspläne gegenüber Israel. Logischerweise "stemmt" sich kein Herrscher Syriens (oder anderer Diktaturen) gegen die Rückkehr der "Palästinenser", er instrumentalisiert sie für seine Kriegspläne gegen Israel oder ermordet sie, je nach aktueller Lage.

        • @Henri Sinople:

          Verstehe, die Araber sind schuld dass die Palästinenser 1948 aus Palästina, heute Israel vertrieben wurden.

  • Übrigens mal als Rückmeldung an Sie:

    jeder user hier kann seine und ihre eigenen Postings in einer (langen) Liste komplett sehen: einfach mal auf den eigenen Namen klicken.

    Das empfehle ich Ihnen, bei "nzuli sana".

    • @nzuli sana:

      Komplett ist diese Liste nicht. Bei niemanden. Habe mich schon immer gefragt welcher Algorithmus die dort erscheinenden Einträge auswählt. Wahrscheinlich ist es der AzubiAlgoritmis

      • @Want Amore:

        Die Liste war mal komplett. Als aber die Archive mancher VielkommentiererInnen zu groß wurden, dauerte es unendlich lang, bis die Einträge von z.B. Rainer B. angezeigt wurden. Darum wurde die Anzahl der Alteinträge für die Anzeige begrenzt. Ein ziemlich simpler Algoritmus.

         

        Ale Kommentare können aber weiterhin bei den Artikeln oder über Suchmaschinen gefunden werden.

        • @lichtgestalt:

          Ergänzung:

           

          Es wird eine begrenzte Anzahl Kommentare angezeigt, nach Datum sortiert (die jüngsten zuerst).

           

          Wer früh genug ihre/seine Identität wechselt, behält besser den Überblick. :-)))

  • über Micha Brumlik wird dereinst auch gesagt werden

    "typisch für seine generation".

    ist das nicht schön?

    • @christine rölke-sommer:

      nun ich werde sagen, der Micha war aber nicht der Schlechteste und einfach hatte er es nun gerade auch nicht.

      • @Tecumseh:

        besonders in der küche, da hatte er zwei linke hände...

        oder waren's füsse?

        egal.

        über Kant dozierte er am liebsten beim italiener.

    • @christine rölke-sommer:

      Übrigens mal als Rückmeldung an Sie:

      jeder user hier kann seine und ihre eigenen Postings in einer (langen) Liste komplett sehen: einfach mal auf den eigenen Namen klicken.

      Das empfehle ich Ihnen, bei "nzuli sana".

  • Meine Fresse, taz ...

    Fünf Antworten über Grass' Komplexe und dann noch die Suche nach einem möglichen Antisemitismus? Was soll denn das sein? Das ist für alles zu kurz gesprungen, das ist kein Interview, keine Analyse, das ist bestenfalls Geschreibsel. Und als Nachruf wegen Pöbel-Charakter ebenfalls nicht geeignet.

  • Ein Nobelpreisträger für Literatur und mit dem Einsatz, den Günther Grass gezeigt hat, soll "typisch für seine Generation" sein? Ob sich diese Aussage mit dem weiterhin millionenfachen Konsum der Bild-Zeitung vereinbaren lässt?

     

    Wäre schön wenn das angeblich Typische auch nur annähernd so wäre, aber die literarische Leistung und der Beitrag von Grass zum Geistesleben in Europa und der Welt wird von Hillenbrand und Brumlik ohnehin ausgeblendet.

     

    Was soll aber dann diese seltsame Reduzierung und Verbindung von Grass als Siebzehnjährigen in den letzten Kriegstagen und seinen kaum vermeidbaren Eintritt in eine, übrigens dem Rückzug und damit einem Entkommen näher stehende Waffeneinheit, die nicht wegen seines Zutuns eine der Waffen-SS war, und dann auf seine Stellungnahme zu der beständigen Eskalation des Konflikts gegenüber dem Iran durch Israel, durch Hillenbrand und Brumlik.

     

    Da wird Brumlik gefragt, ob Grass Antisemit gewesen wäre und der macht deutlich, dass dies dann eine "Glauenssache" wäre - wie entlarvend das ist. Geht es um Geschmack oder Belieben?

     

    Es war nicht die US-Administration und deren Brüder in GB allein, die die Welt über die angeblichen Massenvernichtungswaffen des Irak belogen hatten und damit der Welt und dem Nahen Osten ein jetzt schon über ein Jahrzehnt andauerndes riesiges Blutbad und Chaos bescherten.

     

    Zu denen, die diesen Einsatz vehement forderten und seine Begründungen als glaubhaft hinstellten, gehörten die Scharons und Netanjahus und ihre Hilfstruppen - auch in der Bundesrepublik. Die Auswirkungen davon sind heute täglich zu spüren. Für uns hier in den Schlagzeilen aus der Region aber auch im Bestreben die Bundeswehr zu transformieren und in der Ablenkung von wirklich Wichtigem.

    • @Tecumseh:

      Was wäre denn das "wirklich Wichtige"?

      Die Transformation der Bundeswehr in eine Angriffsarmee begann 1999 mit der Beteiligung der Bundeswehr an der Bombardierung Jugoslawiens. G.Grass war dafür.

      • @Henri Sinople:

        Was wäre denn das "wirklich Wichtige"?

         

        Wasser, Lebensmittel und ein Lächeln auf den Lippen für Alle.

    • @Tecumseh:

      Millionen Leser aus seiner Generation und danach haben sich mit Ihm, "seiner Zeit" und seinen Büchern auseinandergesetzt. Er wird also wohl irgendwo typisch gewesen sein für seine Generation.

      • @Want Amore:

        Na dann war es eben halt eine Generation voller Nobelpreisträger und ein Volk unermüdlichen Lesens von Literatur und ich hab mich geirrt.

         

        Recht so?

    • @Tecumseh:

      "Ein Nobelpreisträger für Literatur und mit dem Einsatz, den Günther Grass gezeigt hat, soll "typisch für seine Generation" sein? Ob sich diese Aussage mit dem weiterhin millionenfachen Konsum der Bild-Zeitung vereinbaren lässt?"

       

      Sind Sie sich so sicher, dass "Die Blechtrommel" so deutlich weniger Käufer hat?

      Und ein "Literaturnobelpreisträger", ja, der muss ja was tolles sein. Ich persönlich kenne mit viel Glück ein Dutzend aus dieser Liste und in den letzten Jahren wurde diese Auszeichnung wohl auch eher genutzt, um unbekannte Dichter der Weltöffentlichkeit vorzustellen. Ein Qualitätsmerkmal wäre das nur, wenn es auch ein Qualitätsmerkmal ist, dass Henry Kissinger Friedensnobelpreisträger ist.

       

      Und wo ist der Unterschied z.B. in der Blechtrommel zur Bild-Zeitung. Der ach so freche Oskar trommelt bei der Parteiveranstaltung und die Marschmusik geht in eine Tanzveranstaltung über. Nix anderes als das typische für diese Generation. Erst spricht der Führer im Volksempfänger antisemitische Hetze und bevor man drüber nachdenken kann, folgte das Wunschkonzert.

       

      Naja, ich will nicht den Literaturkritiker geben, Deutsch ist nicht vollständig meine Muttersprache. Aber Grass war imo etwas für Leute, die auch das Banale von Simmel und Konsalik liebten und denen es zu peinlich war, sowas öffentlich zu lesen.

      • @Age Krüger:

        Vielleicht sollte ich mal einen Simmel lesen,

         

        ich weiß nur, sowas gab es früher.

      • 1G
        164 (Profil gelöscht)
        @Age Krüger:

        "Aber Grass war imo etwas für Leute, die auch das Banale von Simmel und Konsalik liebten und denen es zu peinlich war, sowas öffentlich zu lesen." Man muss ja die Blechtrommel nicht mögen. Und ich bin auch sicher kein Literaturwissenschaftler. Aber der Satz ist wohl das ungerechteste was ich in den letzten Tagen über Grass' schriftstellerische Qualitäten gelesen habe.

  • Hm, dieses verklemmte Schuldgefühl... da mag was dran sein, zusammen mit der überfrachteten Israelprojektion.

    Ich bin ein Nachkriegsjahrgang, habe die Kopfwäsche unter den Nazis wie der 17jährige Grass nicht mitmachen müssen.

     

    Was seine SS-Mitgliedschaft angeht, so hat er zumindest immer gesagt, er sei als Junge ein begeisterter Nazi gewesen, der an den Endsieg geglaubt habe. Ich denke, er hat sich einfach geschämt, diese beiden SS-Runen noch hinzufügen zu müssen. Das war keine Taktik, die war ihm ja fremd.

     

    Ich fand es toll, dass er die Bosnier nach den Massakern unterstützt hat, auch gegen Innenminister, u.a. hat er viele seiner Werke Auktionen zur Verfügung gestellt, um Gelder für Flüchtlinge zu sammeln. Er hat gerade die fürchterliche Asylpolitik, die Überlebenden von Folter keine Perspektive gönnte (sie bekamen nur zwei Drittel des Sozialhilfesatzes und durften selbst als Hochqualifizierte nicht arbeiten) angegriffen, was rechten Journalisten ( u.a. Tagesspiegel) nicht gefiel.

     

    Seine Taten folgten seinen Worten.

    Ruhe in Frieden. Nach Dir kamen die Opportunisten.

  • 6G
    65522 (Profil gelöscht)

    Das "Problem der deutschen Schuld" ist das

     

    Problem der deutschen Schuldigen die ein

     

    System entwarfen und umsetzten das nicht nur

     

    Widerstand sondern alles was deren

     

    Rassenwahn unterlag wegmorden ließen. Sie

     

    nutzten das Bild der überlegenen deutschen

     

    Rasse, als Aufhänger für den größten

     

    Völkermord in der Geschichte der Menschheit

     

    und haben bewiesen wozu gesellschaftliche

     

    Mißverhätnisse gepaart mit ideologischer

     

    Manipulation und tödlicher Gewalt Menschen

     

    freiwillig verführen kann. Das sollte die

     

    Lehre sein die uns die Gefahr falscher

     

    Propheten vereint mit wirtschaftlicher Macht

    im Herzen bleibt.

    Das hat mit Kritik an der israelischen

     

    Außenpolitik überhaupt nichts zu tun.

    • @65522 (Profil gelöscht):

      Nun ja toll das mit ihrer "wirtschaftlichen Macht" - Sicherlich meine Sie damit die DDR, bei der sich alle wirtschaftliche Macht beim sozialistischen Völkle befand und man meinte, sich in der Position zu befinden, für den Völkermord der Deutschen keinen DDR-Pfennig bezahlen zu müssen.

  • Hmm, diese ganzen „antizionistischen“ Bemerkungen hier sind … interessant. Ich habe ja selber meine Schwierigkeiten mit der Politik Israels – gerade bei der jetzigen Regierung.

     

    Andererseits fällt schon auf, dass gerade Israel besonders gerne kritisiert wird. Von allen kritikwürdigen Staaten der Welt wählen sich einige Leute gerade dieses winzige Land aus. Abgesehen davon, dass Israel auch viele positive Eigenschaften hat, kann man eine gewisse psychologische Komponente da nicht verleugnen.

     

    Ich nehme mich da explizit nicht aus. Jedes Mal, wenn ich mich über Israels Politik aufrege, frage ich mich, zu welchem Anteil ich das jetzt nur tue, um einen Gegenpunkt zu den grau-weißen, körnigen Bildern von Leichenstapeln zu haben, die wir alle seit unserer Jugend kennen. Ich stecke in dem Dilemma, dass ich glaube, mir kein „objektives“ Urteil bilden zu können – was in meinen Ohren dann wiederum ziemlich feige klingt.

     

    Völlig unabhängig davon ist Grass’ Gedicht natürlich völliger Schwachsinn. Atomare U-Boote sind eine klassische Zweitschlagswaffe. Israel ist so klein, das es bei einem atomaren Angriff mit einem Schlag vernichtet werden könnte. Damit trotzdem ein Moment der Abschreckung bestehen bleibt, ist Israel darauf angewiesen, bewegliche Abschussrampen außerhalb seines Staatsgebiets zu haben, damit es auch nach seiner totalen Vernichtung zurückschlagen kann. Das ist eine fürchterliche Logik – aber eine solche Logik hat uns während des Ost-West-Konflikts immerhin vier Jahrzehnte am Leben erhalten.

    • @Ford Prefect:

      Rache nach dem Untergang?

       

      Zur Zeit wird ein weiteres erstschlagfähiges U-Boot an Israel geliefert, während Netanjahu die Auslieferung von Abwehrraketen an den Iran durch Russland zu torpedieren versucht, Da hatte Grass durchaus richtig gespürt, von wem die Gefahr, die Welt in einen Atomkrieg taumeln zu lassen, ausging.

       

      Die Interviewpartner aber sollten wissen, dass es überhaupt keinen Sinn machen würde, wenn der Iran den Palästinensern die Selbstbestimmung über ganz (was unrealistisch ist) oder von Teilen Palästinas erreichen und die Hoheit über den Felsendom beibehalten lassen wollte, auch nur daran zu denken, dieses kleine Gebiet mit Atombomben einzudecken.

       

      Dann nämlich dürfte es für Jahrhunderte keine Heimat mehr für irgendwen in Palästina geben, von den Folgen für den Iran jedoch – was Grass im Auge hatte - und andere Länder ganz zu schweigen. dass wissen auch Hillenbrand und Brumlik.

  • Man hat dem Grass seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS als junger Pimpf doch nur deshalb so übelgenommen, weil er sich in seinem gesamten späteren Werk äußerst kritisch mit diesen Jahren auseinandergesetzt hat. Die zahlreichen Schmierfinken mit brauner Vergangenheit, die diese Linie unbeirrt weiterverfolgten, blieben dagegen weitgehend von Kritik verschont.

    • @Rainer B.:

      In Wiki ist zu lesen: "Leichenfledderei bezeichnet das „Ausrauben“ beziehungsweise „Ausplündern“ von Toten.

       

      Das Nachzuschlagen kam mir in den Sinn, nachdem ich Hillenbrand und Brumlik gelesen hae.

  • Ich finde die Vermengung der Kriegs-Vergangenheit von Günter Grass mit den Äusserungen in seinem israelkritischen Gedicht nicht gerade glücklich, denn ich habe damals zwar einiges darin zu schwarz betrachtet gefunden, aber dem Inhalt zugestimmt. Und ich bin nicht mehr Kriegsgeneration.

     

    Auch die "Deutung eines unterdrückten Schuldgefühls" , dazu in Verbindung mit dem Grass'schen israelkritischen Gedicht erscheint mir nicht passend. Die bis in jüngste Zeit immer unverhohleneren Drohungen Netanjahus in Richtung Iran zeigen durchaus in die Richtung, schon seit den unseligen Zeiten unter Ahmadinedjad.

     

    Solche Sorgen waren und sind wohl berechtigt und haben nichts mit Schuldgefühlen zu tun. Grass war nicht der Einzige, der sich Gedanken machte und sie schließlich dann in jenem Gedicht entlud, wenn auch mit -aus meiner Sicht- Tunnelblick.

    Aber der könnte auch Herrn Brumlik nicht gänzlich unbekannt sein.

  • "Die Denkfigur, dass das, was die Israelis heute vorhätten, vergleichbar oder identisch mit dem sei, was die Deutschen den Juden angetan haben, ist ein antisemitisches Stereotyp. .."

     

    Wenn diese Denkfigur sich auf Präventiveinsatz von Atombomben bezieht, wäre das allerdings nur mit US-amerikanischen Methoden vergleichbar.

  • Ich traue mir nicht zu, über die Schuld oder Unschuld von Günter Grass zu urteilen. Ich traue mir auch nicht zu, zu sagen, ich hätte damals als 17-Jähriger das oder jenes getan.

     

    Gibt es eine Kollektivschuld, der Grass unterliegt, weil er mehr oder weniger unfreiwillig Mitglied einer verbrecherischen Organisation wurde. Was hat er persönlich zu verantworten?

     

    Ich würde empfehlen, noch mal "Beim Häuten der Zwiebel" zu lesen.

  • ..."Das deutet auf ein unterdrücktes Schuldgefühl hin."....ein schuldgefühl bei den zionisten kann sich gar nicht entwickeln, denn die verteidigen sich ja nur. die schuldfrage muß also gar nicht erörtert werden. sie verteidigen ja nur das territorium dass ihnen zwar nie gehörte und welches sie sich rechtswidrig angeeignet haben. soviel akribie in die aufarbeitung der ursachen sollte man jedoch nicht investieren. da ist es doch sehr viel einfacher sich in den altbekannten stereotypen des antisemitismus zu ergehen. dieses totschlagargument hilft immer, wenn man nicht weiter weiß oder wenn man von bestimmten fakten ablenken will. der nahe osten ist ja kein spannungsgebiet. unsere regierung liefert ja auch nur verteidigungswaffen, da alles andere ja nicht zulässig wäre. u-boote sind ja nur reine verteidigungswaffen, wenn sie auch mit abschußsystemen für atomwaffen ausgerüstet werden können. selbstverständlich nur zur selbstverteidigung. ach wie herrlich ist es nur, wenn man mit so einfachen mitteln für frieden in der welt sorgen kann und darf. nicht auszudenken wenn russland den iran mit abschußrampen für atomraketen ausrüsten würde. dies wäre selbstverständlich ein reines aggressionspotential und müsste strikt unterbunden werden. zu verteidigungszwcken dürfen dies nur die zionisten besitzen.

  • Hat Günter Grass wirklich seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS jahrzehntelang verschwiegen? Gab es da nicht ein Gespräch mit Erich Fried 1962 in der Schweiz, in dem Günter Grass unambitioniert beiläufig von seiner Mitgliedschaft in der Waffen- SS sprach, während andere westdeutsche "Hitlerjungen", einstige Flakhelfer- Landser sich massenhaft unverfroren ihrer "heldenhaftern" Mitgliedschaft in der Waffen SS oder Deutschen Wehrmacht rühmten?

     

    Nicht nur Alfred Grosser hat historisch belegt, dass nach dem gescheiterten Attentat auf den Führer Adolf Hitler am 20. Juli 1944, die SS als Waffenträger, neben der Deutschen Wehrmacht mit all ihren Waffengattungen, Heer, Luftwaffe, Marine, Heimatersatzheer, dieser gleichgestellt, allerorten im Deutschen Reich, in UNIs, Hitler- Jugendverbänden, Schulen, auf der Straße, in Zeitungen Jungvolk als Soldaten für die SS rekrutieren durfte und dies, mit Nachdruck werbend, erfolgreich tat. Davon hat Günter Grass, der eigentlich zur U- Boot Flotte Großadmirals Karl Dönitz wollte, berichtet

     

    Dass Grass sehr wohl auf der Medien Klaviatur zu spielen wusste, wenn es ihm darum ging, seine Themen, Werke ganz nach vorne in Besteseller Listen, Quotenränge zu bringen, steht auf einem anderen, einem unseligen Blatt. Hier ein typisches Grass- Beispiel im Zusammenhang des Baus der Berliner Mauer am 13. August 1961:

     

    https://www.freitag.de/autoren/joachim-petrick/als-grass-hermlin-getrennt-beredt-schwiegen

    JOACHIM PETRICK 13.04.2015 | 23:03 1

    Als Grass, Hermlin, getrennt, beredt schwiegen

    Beriner Mauerbau61 Anbei dokumentiere ich im Gedenken den offenen"Briefverkehr zwischen Günter Grass, Wolfdietrich Schnurre und Stephan Hermlin jener Tage vom 13.- 17. August 1961

  • "...Die Denkfigur, dass das, was die Israelis heute vorhätten, vergleichbar oder identisch mit dem sei, was die Deutschen den Juden angetan haben, ist ein antisemitisches Stereotyp..."

     

    Hat der Author nicht von Palestina gehoert? Nicht von Armenien?

    Ignoriert der Author alle Human Rights und Peace institutionen?

    Und dass alles passiert von unseren augen...

  • "Mit der damaligen Realität zwischen Israel und Iran hatte das allerdings nichts zu tun."

     

    Wie viel das auch damals schon mit der Realität zu tun hatte sieht man heute überdeutlich an Bibis Anti-Diplomatie.

    Israel und seine Washingtoner Neos wollen die Vernichtung Persiens als eigenständigen Kulturraum, als Verbündeter aller nicht-USA, als regionale Widersacher der wahabitischen Verbündeten einschließlich Türkei und IS.

  • Die Denkfigur, dass das, was die Israelis heute vorhätten, vergleichbar oder identisch mit dem sei, was die Deutschen den Juden angetan haben, ist ein antisemitisches Stereotyp.

    ####

    Nun ja, liegt aber ziemlich nahe. Rassistische Gewaltpolitik bleibt rassistische Gewaltpolitik gliech wer sie anwendet.

    .

    Es wird andere Lösungsmuster für die Konflikte geben, als die jetzt angewandten.

    .

    Meint

    Sikasuu

  • Man soll ja über Tote (warum auch immer) nichts Schlechtes sagen. Und doch war Grass ein politischer Heuchler. Der Linksintellektuelle, der sich gerade in Nazi-Fragen als moralische Instanz aufspielte, hat erst als alter Mann und ganz nebenbei darüber gesprochen, dass er mit 17 der Waffen-SS angehörte. Sechs Jahre nach seinem werbewirksamen Geständnis, ein Rädchen in der Todesmaschinerie gewesen zu sein, meldete er sich zu Worte mit einem künstlerisch und politisch äußerst fragwürdigen israelkritischen Gedicht, das Israel (wegen des vermuteten Besitzes von atomaren Waffen) als Gefahr für den "ohnehin brüchigen Weltfrieden" darstellt und antisemitische Stereotypen ("Die Juden sind unser Unglück") bedient. Die Lehre, die Grass aus der deutschen Verantwortung für den Massenmord an den Juden und seiner eigenen Mitgliedschaft bei der auch von der Waffen-SS durchgeführten Judenvernichtung zog, war nicht etwa Verständnis für die traumatisch bedingte und auch historisch gewachsene Furcht des jüdischen Staates vor seiner Vernichtung, sondern er drehte einfach den Spieß um und unterstellte der vom Iran mit Waffen und Worten seit Jahrzehnten bedrohten jüdischen Nation, sie wolle das iranische Volk "auslöschen". Und so empfahl er seinen deutschen Landsleuten, keine U-Boote an Israel zu liefern, um sich nicht mitschuldig zu machen an diesem von Israel am iranischen Volk angeblich geplanten Holocaust. Grass‘ Gedicht „Was gesagt werden muss“ war ein klassisches Beispiel für die Doppelstandards vieler Linksintellektueller. Die Waffenlieferungen Deutschlands an Saudi-Arabien oder Qatar, die zu den autoritärsten Staaten der Welt gehören, haben Grass‘ Gewissen nicht gerührt und waren keine müde Verszeile wert, obwohl die Menschenrechtslage in diesen Ländern äußerst schlecht ist und der Endverbleib von Waffen nicht gesichert ist.

    • @Meckerliese:

      Googeln Sie einfach mal "netanjahu droht iran" und schauen Sie sich alle unverdächtigen Berichte (FAZ, WELT usw.) über Netanjahus Angriffsgelüste und seine Versuche, die USA an seine Seite zu ziehen, dort an.

      Daß Saudi-Arabien und Qatar kritikwürdig sind, stellt niemand in Abrede. Aber daß "die einzige Demokratie im Nahen Osten" nicht nur die palästinensischen Mitbürger enteignet usw. sondern seit Jahrzehnten Kriegshetze gegen den sicherlich kritikwürdigen, aber bisher noch nie Nachbarn überfallenden Iran treibt, ist leicht zu verifizieren.

      Und daß, wie Grass anmerkte, die von der BRD gelieferten/halb geschenkten U-Boote atomar aufrüstbar sind, ist auch unabweisbar. Und was Überfälle auf Nachbarn angeht - da war doch mal was mit Israel und Ägypten, und dem Libanon.

      • @Offizinus:

        "Googeln Sie einfach mal "netanjahu droht iran" und schauen Sie sich alle unverdächtigen Berichte (FAZ, WELT usw.) über Netanjahus Angriffsgelüste und seine Versuche, die USA an seine Seite zu ziehen, dort an."

         

        Das brauche ich nicht, denn das ist mir bekannt und nachvollziehbar. Nach dem Ende des 2. WK wurden die Juden gefragt, warum habt ihr Euch nicht gewehrt? Warum habt ihr Euch in die Gaskammern führen lassen? Als die Juden im Warschauer Ghetto ihren Aufstand machten, hatten sie mangels ausreichender Ausrüstung keine Chancen. Der jüdische Staat (Israel) hat aus der Geschichte und den mörderischen Erfahrungen der europäischen Juden gelernt, ebenso daraus, Drohungen - seien sie verbal oder in Papier ausgestoßen worden - ernst zu nehmen. Was erwarten Sie? Dass Israel ganz ruhig abwartet, ob der Iran - der seit Jahren Hisbollah und Hamas finanziell und militärisch im Kampf gegen Israel unterstützt - seine immer wieder ausgestoßenen Drohungen, das "zionistische Geschwür" aus dem Nahen Osten herauszuschneiden, wahrmacht oder nicht? Wenn die iranische Atombombe gebaut ist, wird es keinesfalls sicherer im Nahen Osten oder auf der Welt werden.

      • @Offizinus:

        Wäre Churchills ursprüngliche Idee umgesetzt worden, die vorsah, Deutschland lediglich in einen Agrarstaat zu verwandeln, dann hätte es vermutlich nach 1945 keine Rüstungsindustrie mehr gegeben.

         

        U-Boote aus Baumstämmen sind zwar extrem schwimm- aber nicht tauchfähig.

         

        Es kam anders. Die USA entließen z. B. den Hauptwaffenbauer der Nazis, Krupp, vorzeitig aus der Haft. An der schnellen Wiederherstellung der deutschen Rüstungsindustrie hatten die USA ein elemtares Interesse.

  • Ja - so kann man das sehen.

     

    Aber -

     

    "…Sind das nicht

    antisemitische Stereotype(n)?"

     

    "In gewisser Weise ja.…"

     

    Das - Herr Hillenbrand - wär mal wieder

    Ihr Einsatz gewesen. ~>

    "In welcher Weise denn?"

    Denn - die folgende Sentenz ist eine

    zutreffende Beschreibung -

    Aber - mit Verlaub - erklärt gerade - nix.

    • @Lowandorder:

      Ja, genau. Ich bin auch über die "kleine Überraschung" gestolpert, dass Grass nicht ein jugendlicher Nazi gewesen sein soll, sondern ein Zeitmensch, der immerzu von antisemitischen Stereotypen geplagt war. Worauf er dann neurotisch im Vollzugsmodus reagiert haben soll. Siehe Israel-Gedicht. Für solche "pseudo-moralischen" Unterstellungen, die eigentlich gut verpackte Unverschämtheiten sind, habe ich nicht das geringste Verständnis. Damit disqualifiziert sich der "Experte Brumlik". Bzw. er outet sich...

  • Das war alles?! Ein bisschen Klemm-Chauvi und ein bisschen Nazi?! Dazu braucht ihr ein Interview mit einem "Experten", dessen Expertentum ausgerechnet auf einem Geburtsmerkmal ruht?! Wie kann man so peinlich sein...

    • @die kalte Sophie:

      Religionszugehörigkeit ist kein Geburtsmerkmal. Dieses "Merkmal" wird einem Menschen erst nach der Geburt zugefügt.

    • @die kalte Sophie:

      Auf welches "Geburtsmerkmal" sprechen Sie denn an?

      • @Meckerliese:

        Ich verstehe ihre Frage nicht.

        • @lichtgestalt:

          Meine Frage war an Die Kalte Sophie gerichtet, die von einem Expertentum sprach, das ausgesrechnet auf einem Geburtsmerkmal ruht. Sie haben nun meine Frage beantwortet.

          • @Meckerliese:

            Es ist ein Elend, dass bisweilen frühere Kommentare später erscheinen. Werden Sie moderiert?

             

            Leider werden auch Antworten auf Antworten auf Antworten nicht eingerückt, so dass die Reihenfolge und die Bezüge nur mit Mühe zu erkennen sind..

             

            Wenn ich mal meckern darf: Liebe taz, das kann noch verbessert werden.