Menschenrechte in Usbekistan: Deutsche Behörden stellen sich blind
In Usbekistan investiert die Bundesregierung trotz zweifelhafter Erfolge in rechtsstaatliche Projekte. Stecken dahinter militärische Interessen in Afghanistan?
BISCHKEK taz | Nach der Einstellung der Gefangenenbesuche durch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Usbekistan fordert die grüne Bundestagsabgeordnete Viola von Cramon die Einfrierung eines millionenschweren EU-Projekts zur Rechtsstaatspflege in dem zentralasiatischen Land.
„So ein Projekt darf nicht realitätsblind sein und als Deckmäntelchen für die deutsch-usbekische Militärkooperation beim Afghanistan-Einsatz dienen“, warnt von Cramon gegenüber der taz. Das auswärtige Amt bedauert die Einstellung der Gefangenenbesuche und verweist für das Projekt auf die Verantwortung der EU. Die EU hat die Anfrage der taz bisher nicht beantwortet.
„In Usbekistan war es uns nicht möglich, unsere Standards bei Gefangenenbesuchen einzuhalten, daher sind die Besuche sinnlos“, erklärte der Generaldirektor der in Genf sitzenden Hilfsorganisation, Yves Daccord. Das Statement des IKRK, das weltweit Gefangene unter widrigsten Bedingungen auch in Bürgerkriegen besucht, ist eine außenpolitische Niederlage der Bundesregierung und des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Frank-Walter Steinmeier.
Infolge des Massakers von Andischan – im Mai 2005 ließ der usbekische Präsident Islam Karimow einen Volksaufstand in der usbekischen Provinzstadt mit Panzerwagen niederschießen – verhängte die EU Sanktionen gegen das Land. Die Diplomaten des damaligen Außenministers Steinmeier drangen wegen angeblicher Reformbereitschaft des usbekischen Regimes erst auf eine Aufweichung der Strafmaßnahmen, 2009 dann auf die völlige Aussetzung. Die Wiederzulassung der Gefangenenbesuche durch das IKRK in Usbekistan lieferte dafür die Begründung.
Usbekistan war und ist für Berlin wichtig. Seit 2001 unterhält die Bundeswehr in der südusbekischen Provinz Termes eine Luftwaffenbasis, über das Land erfolgt der nun begonnene Rückzug aus Afghanistan. Zurzeit tummelt sich die Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit im Rahmen eines 10 Millionen Euro teuren Projekts der EU zur Strafrechtspflege in der usbekischen Despotie. Ein Ziel sei es, die humanitäre Standards in den Gefängnissen zu verbessern.
Besuche gehen weiter
Doch während die weltweit erfahrenen IKRK-Delegierten in Usbekistan auf Beton bissen, besuchen Mitarbeiter der deutschen Organisation eifrig die usbekischen Gefängnisse. „Die usbekische Regierung selbst hält an ihrem Reformkurs fest und stößt viele Initiativen im Rechtsbereich an, um den Demokratisierungsprozess des Landes zu befördern“, tönte es noch am Montag auf der Website der deutschen Organisation. Kurz nach der taz-Anfrage wurde dieses zweifelhafte Lob gelöscht.
Den Unwillen zu tatsächlichen Reformen im usbekischen Rechtswesen musste schon die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung erfahren. Die usbekische Volkskammer hatte 2007 den „Habeas Corpus“ angenommen, der den Bürger vor willkürlicher Verhaftung schützen soll und für den Arrest einen Richterbeschluss zwingend macht. Die EU und die damalige Bundesregierung feierten den Entscheid als Erfolg der Dialogbereitschaft des usbekischen Regimes und die Adenauer-Stiftung veranstaltete 2008 fast wöchentlich brav ein Seminar dazu.
2011 wies die in New York sitzende Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in einem Report nach, dass trotz „Habeas Corpus“ und der Seminare der Adenauer-Stiftung in den Gefängnissen weiterhin „systematisch“ gefoltert werde und sich die die rechtliche Lage der Inhaftierten sogar verschlechtert habe. In Usbekistan gibt es kaum noch unabhängige Anwälte, die Richterschaft urteilt auf Staatsbefehl.
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