Luxemburg setzt bei Pisa-Studie aus: Vielsprachigkeit ist nicht vorgesehen
Luxemburg hat beim OECD-Test der Schulleistungen oft nur unterdurchschnittlich abgeschnitten. Liegt es an der spezifischen Situation des Landes?
Während sich diese Woche die meisten Bildungsminister*innen der OECD-Staaten zu der Sonderauswertung der Pisa-Studie äußerten, die am Montag vorgestellt wurde, blieb es in Luxemburg ruhig. Denn im Land der Banken will man den anstehenden Pisa-Vergleichstest in diesem Jahr nicht mitmachen. Das bestätigte Bildungsminister Claude Meisch am Donnerstag. Generell will Luxemburg den Test dann nur noch alle sechs Jahre mitschreiben, anstatt wie von der OECD vorgesehen alle drei Jahre.
Ob die Entscheidung wohl damit zu tun hat, dass luxemburgische Schüler*innen seit Jahren unterdurchschnittlich abschneiden – und das in allen Kernfächern, also in Mathematik, Naturwissenschaften und Textverständnis?
Bildungsminister Meisch erklärt es ein bisschen anders. Bei den ersten Tests habe sich herausgestellt, dass Luxemburg unterdurchschnittlich abschneide, „die darauf folgenden haben diesen Befund nur bestätigt, ohne uns neue Elemente zu liefern“. Meisch kritisiert, dass es keine internationale Vergleichbarkeit geben könne. „Luxemburg gehört zu den seltenen Ländern, das ihre Schüler nicht in deren Muttersprache testet und wo mehr als 50 Prozent der 15-jährigen Schüler einen Migrationshintergrund haben“, heißt es in der Erklärung.
Tatsächlich wird an luxemburgischen Schulen sowohl auf Deutsch als auch auf Französisch getestet. Untereinander sprechen Schüler*innen und Lehrer*innen dagegen meistens Luxemburgisch. Bei formalen Anlässen springen Luxemburger*innen auf Deutsch oder Französisch um. Schüler*innen mit Migrationshintergrund haben es wiederum besonders schwer, wenn keine der drei Amtssprachen ihre Muttersprache ist.
Widerspruch vom Studienleiter
Andreas Schleicher, Leiter der Pisa-Studie, lässt diesen Grund nicht gelten. Mehrsprachige Schulsysteme seien nichts Außergewöhnliches, sagte er gegenüber der taz. „Denken Sie an Singapur, die Schweiz, Kanada, die Vereinigten Arabischen Emirate etc.“
Antoine Fischbach, Leiter des luxemburgischen Zentrums für Bildungstests Lucet, findet trotzdem, dass die Situation nicht kleingeredet werden darf, gerade weil es auch andere Länder betreffe – sogar Deutschland und insbesondere Städte wie Berlin, wo es einen besonders hohen Anteil an Schüler*innen mit Migrationshintergrund gibt.
Tatsächlich zeigt die Sonderauswertung vom Montag, dass auch Deutschland Schüler*innen mit Migrationshintergrund nicht gut ins Bildungssystem integriert. Das Fazit: Jugendliche mit Migrationshintergrund schneiden nicht nur schlechter ab, sie sind in der Schule auch häufiger unglücklich als deutsche.
Fischbach bezeichnet die Heterogenität und Diversität in Luxemburg als „Avantgarde“. Ein System müsse Vielsprachigkeit und kulturelle Diversität auffangen können. „Das ist für mich ein großer Unterschied, ob man sagt, das Problem sind die Zugewanderten, oder das Problem ist das System, das nicht mit diesen Zugewanderten umgehen kann.“
Einwandererkinder schneiden schlechter ab
Gefunden hat Luxemburg ein solches System offenbar auch noch nicht. Dabei sind Eingewanderte in Luxemburg vergleichsweise wohlhabend und deshalb nicht unbedingt sozioökonomisch benachteiligt wie in anderen Ländern. Trotz des Wohlstands kommen die Kinder von Eingewanderten in der Schule aber nicht so gut mit wie Kinder aus luxemburgischen Familien. Die aktuelle Studie zeigt: Eingewanderte Schüler*innen erzielen in Luxemburg sogar häufiger schlechtere Ergebnisse als in Deutschland.
„Das System hat sich über die letzten 50, 60 Jahre nicht weiterentwickelt, die Population hat sich aber gewandelt“, bemängelt auch Fischbach, der mit seinem Zentrum für Bildungstests darum bemüht ist, die Schwachstellen des Bildungssystems zu erfassen. Die Pisa-Tests hätten dafür wichtige Anstöße gegeben.
Den anstehenden Test nun auszulassen mache die Sache auch nicht besser, sagte Fischbach der taz. Trotzdem trägt sein Institut die Entscheidung des Ministers mit: Lucet prüft Schüler*innen auf allen Niveaus und sei somit „ein filigraneres System“, so Fischbach.
Das Großherzogtum gibt 3,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung aus – weniger als der OECD-Schnitt. Dennoch sind es im reichen Bankenstaat pro Schüler*in weit mehr als anderswo: 12.000 Euro im Jahr. Das zeigt: Es braucht mehr als bloß Geld, um der Diversität pädagogisch gerecht zu werden.
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