Leistungsschutzrecht und Google: Springer knickt ein
Die Axel Springer AG wollte Google zur Zahlung für die Anzeige von Textausschnitten zwingen. Den längeren Atem bewies jedoch der Internetkonzern.
BERLIN taz | Axel Springer will mit seinen Nachrichtenseiten welt.de, computerbild.de, sportbild.de und autobild.de nun doch wieder komplett – also mit Vorschaubild und Anriss des Textes – in den Suchergebnissen von Google auftauchen. Der Konzern erlaubt Google die Nutzung und verzichtet auf Zahlungen, die sich eigentlich aus dem Leistungsschutzrecht ergeben würden.
Grund für das Ende der Verweigerungshaltung: Die Klickzahlen sind laut Springer eingebrochen. Knapp zwei Wochen lang waren die vier Springer-Seiten nur rudimentär in den Ergebnislisten aufgeführt: Fast 40 Prozent weniger Nutzer seien in der Zeit von Google zu den Seiten geleitet worden. Von „Google News“ sollen gar 80 Prozent weniger Klicks gekommen sein.
Das Leistungsschutzrecht, das am 1. August 2013 in Kraft trat, sichert den Verlagen eine Vergütung zu, wenn Suchmaschinen Ausschnitte aus Texten nutzen. Das Geld eintreiben soll die Verwertungsgesellschaft VG Media. Genau die beauftragte Springer nun damit, „Google mit Wirkung zum 5. November 2014 auch für die vier genannten Titel eine Gratis-Lizenz zu erteilen“, wie viele andere Medien es bereits zuvor getan hatten. Am Mittwoch hatte der Internetkonzern jedoch noch keinen Gebrauch von der „Gratislizenz“ gemacht. Inhalte von welt.de werden zum Beispiel weiterhin nur in der abgespeckten Variante, also ohne Bild und Anteaserung angezeigt.
Der Springer-Konzern will dieses Einknicken aber selbstverständlich nicht als Niederlage verstanden wissen und schon gar nicht als Eingeständnis, dass das Leistungsschutzrecht – für das Springer laut getrommelt hatte – gescheitert sei. Vielmehr seien die vergangenen zwei Wochen nur genutzt worden, um Daten zu erheben und damit belegen zu können, wie groß die Marktmacht Googles sei.
Abhängigkeit größer als zugegeben
„Das ist vielleicht der erfolgreichste Misserfolg, den wir je hatten“, sagte Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner: „So traurig es ist, aber wir wissen jetzt sehr präzise, wie massiv die Folgen der Diskriminierung sind, wie sich die Marktmacht von Google tatsächlich auswirkt und wie Google jeden bestraft, der ein Recht wahrnimmt, das der Deutsche Bundestag ihm eingeräumt hat.“
Was Springer jedoch verschweigt, ist, dass welt.de deutlich abhängiger ist von Googles Marktmacht als die meisten anderen deutschen Medien. Laut der Datenerhebungssite Similarweb.com kamen in den vergangenen drei Monaten 35 Prozent des Traffics über Suchmaschinen zu welt.de. Bei Spiegel Online sind es nur gut zwölf Prozent. Bei taz.de knapp 19 Prozent.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland