Leipziger Linken-Politikerin Juliane Nagel: Roter Farbtupfer im CDU-Land
Sie ist der ganze Stolz der sächsischen Linken: Juliane Nagel holt das einzige Direktmandat, das nicht an die CDU geht - nach jahrelanger Arbeit.
Sie ist der ganze Stolz der sächsischen Linken. Juliane Nagel, eine 35-jährige Frau, die 15 Jahre lang auch vielen Linken als linke Randerscheinung galt. Genossen alten Typs jedenfalls lächelten oder empörten sich über sie. Nun holte sie bei den sächsischen Landtagswahlen am Sonntag das einzige Direktmandat, das nicht an die CDU ging.
Juliane Nagels Erfolg ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit in dem Leipziger Stadtteil, in dem sie geboren wurde, und darüber hinaus. Er deutete sich bei den letzten Stadtratswahlen schon an, als niemand sonst so viele Stimmen holte wie sie. Aber Leipzig-Connewitz ist nicht nur das Babel der linksbunten Bürgerschrecks, in dem die Eröffnung eines kleinen Polizeipostens schon einer staatlichen Heldentat zum Schutze der Gutbürgerlichen gleicht. Der Wahlsieg sei umso bemerkenswerter, weil Connewitz inzwischen gemischte Milieus und teils sehr etablierte Einwohner aufweise, so Linken-Landesgeschäftsführerin Antje Feiks.
Juliane Nagel ist nicht der Typ einer faustballenden Frontkämpferin. Kaum eine wichtige Demo gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit oder Nazis in Sachsen, bei der man sie nicht antreffen würde. Aber persönlich begegnet die Publizistin, die nebenbei Politikwissenschaft studiert, Menschen eher zurückhaltend, freundlich und an Argumenten interessiert. Was sogenannte Jugendsünden nicht ausschließt. Als Zwanzigjährige hatte sie versucht, einen Freund aus dem Polizeizugriff zu befreien, und saß dann selbst ein, was sie das erste Stadtratsmandat für die PDS kostete.
Ende der neunziger Jahre wuchs sie in das „linXXnet“ hinein und prägte es bald – ein Projektbüro der Linkspartei, das seine größte Wirkung über das Internet entfaltet. Strategische Fragen werden hier diskutiert, wenn es um Graswurzelpolitik, basisdemokratische Beteiligung, bedingungsloses Grundeinkommen oder um nichts Geringeres als die Infragestellung des Kapitalismus als finale Gesellschaftsordnung geht.
Mit ihrem kommunikativen Stil, ihrer Offenheit steht Juliane Nagel für eine emanzipatorische Linke, die in Leipzig besonders ausgeprägt ist. Es gibt in ihrer Generation also nicht nur spaßeshalber engagierte Gelegenheitsmitmacher, sondern auch beharrliche Arbeiter. Die neue Linksfraktion im Dresdner Landtag kann sie dringend brauchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden