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Kommentar de MaizièreNur noch Taktik

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Viel Geld, wenig Transparenz und keine Entlastung für Thomas de Maizière. Vor allem sein positives Image wird ihm nun zum Verhängnis.

Sie würde ihn ja ziehen lassen, aber … Bild: dpa

E in Skandal ist ein außergewöhnliches Ereignis, in dem wir, die Öffentlichkeit, von unerhörten Zuständen erfahren. Ist es ein Skandal, dass das Projekt der Aufklärungsdrohne Euro Hawk, das bislang knapp 700 Millionen Euro kostete, eingestellt wird? Streng genommen – nein. Man muss den großzügigen Umgang mit Steuergeldern kritisieren, aber außergewöhnlich ist der bei Rüstungsdeals nicht.

In der Geschichte der Bundeswehr gab es kostspieligere Fehlinvestitionen. Kampfflugzeuge, die regelmäßig abstürzten, U-Boote, die kein Salzwasser vertrugen, Panzer, die nicht fuhren, Jets, die viermal teurer waren als versprochen. Immer war die Ministerialbürokratie überfordert und der Minister ahnungslos, obwohl das Debakel absehbar war.

Rüstungsaffären haben immer mit mangelnder Aufsichtspflicht zu tun und mit Ministern, die überzeugt von ihrer Großartigkeit blindlings Prestigeobjekt fördern. Aber das Problem ist im Kern ein strukturelles: Es gibt, vielleicht außer im Pharmabusiness, keinen Bereich, in dem es um so viel Geld geht und in dem so wenig Transparenz herrscht, in dem Lobbyismus und Filz so schrankenlos regieren, Oligopole das Sagen haben und Marktkonkurrenz weitgehend fehlt.

Das ist keine Entlastung für Thomas de Maizière. Aber es ist der Rahmen. Man sollte ihn nicht aus den Augen verlieren, wenn es sich nun alles darum dreht, was der Minister ein paar Tage früher oder später wusste und ob seine Verteidigungslinie hält. Es stimmt, dass die Fallhöhe für de Maizière höher ist, als sie bei seinem Vorgänger, dem flatterhaften zu Guttenberg, gewesen wäre.

Korrekt, sachlich, uneitel

De Maizière hat ein öffentliches Bild von sich entworfen, an dem er nun zu Recht gemessen wird: Er ist der Verlässliche, Korrekte, sachlich, uneitel, der Sache verpflichtet, ein scharfer Analytiker. Kurzum: Er ist einer der wenigen Figuren, mit denen sich die in der Union zusehends unbehausten Konservativen identifizieren können.

Diesem Bild genügt de Maizières Performance nicht – sie widerspricht ihm. Vielleicht sind dem Minister all die Artikel, in denen seine Bescheidenheit und sein Pflichtbewusstsein gelobt wurden, zu Kopf gestiegen.

Er behauptet jedenfalls, von seinem Ministerium vor vollendete Tatsachen gestellt worden zu sein. Sein treuer Staatssekretär hat im Untersuchungsausschuss genau diese Version bestätigt. Das sollte als Entlastung wirken. Doch ein „Ich bin’s nicht, mein Staatssekretär ist’s gewesen“ wirkt alles andere als verantwortungsbewusst. Denn es gehört zur politischen Kernkompetenz des Ministers, zentrale Entscheidungen wie die zur Euro Hawk selbst zu treffen.

Seltsam wirkt dies, weil de Maizière geradezu missionarisch auch für die Ausrüstung der Bundeswehr mit Kampfdrohnen warb, die er spektakulär verharmlosend „ethisch neutral“ nannte.

De Maizière hat in der Euro-Hawk-Affäre die Verantwortung auf Untergebene abgewälzt. Er hat den Eindruck erweckt, weniger über die flugunfähige Drohne gewusst zu haben, als er es tat. Als Projektionsfläche konservativer Sehnsüchte nach Pflichterfüllung und Seriosität ist er verschlissen.

Nicht noch einer

Kristallklar gelogen hat er bisher nicht. Deshalb wird er wohl Minister bleiben. Es ist ja Wahlkampf. Und Kanzlerin Merkel will nach zu Guttenberg, Norbert Röttgen, Annette Schavan nicht noch einen Minister verlieren. Wäre diese Regierung moralisch intakt, müsste de Maizière gehen. Aber es geht nur noch um Taktik.

Im Untersuchungsausschuss zum Euro Hawk kam am Montag nebenbei ein bemerkenswertes Detail zum Vorschein. Ende 2012 prüfte die IABG, eine Art TÜV für Flugzeuge, im Auftrag des Verteidigungsministeriums, was Alternativen zur Euro Hawk kosten würden.

So ganz neutral war die Studie nicht: Mitarbeiter des Konzerns EADS schrieben daran mit. EADS ist übrigens nicht nur am stillgelegten Euro-Hawk-Projekt beteiligt, sondern auch an den drei alternativen Drohnenprojekten. Das ist ungefähr so, als würde Mercedes ein neues Bremssystem entwickeln und der Einfachheit halber die TÜV-Zulassung gleich mitliefern. Oder als würde eine Modellschule die eigene Evaluierung gleich selbst übernehmen.

Genutzt hat der Untersuchungsausschuss insofern schon jetzt. Man sieht etwas von den Graubereichen des Rüstungsgeschäfts, in denen das Normale und das Skandalöse verschwimmen. Zumindest ein bisschen.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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4 Kommentare

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  • V
    valentin

    "keinen Bereich, in dem es um so viel Geld geht und in dem so wenig Transparenz herrscht, in dem Lobbyismus und Filz so schrankenlos regieren, Oligopole das Sagen haben und Marktkonkurrenz weitgehend fehlt.

     

     

     

    Das ist keine Entlastung für Thomas de Maizière."

     

     

     

    Genau wie damals in Sachsen:

     

    "In politischer Verantwortung des damaligen sächsischen Innenministers Thomas de Maizière wurde auf der Grundlage des Prüfberichtes vom 12. August 2005 trotz eines „Bezugs zur freiheitlichen-demokratischen Grundordnung in allen Fallkomplexen“ die Beobachtung der organisierten Kriminalität durch den sächsischen Verfassungsschutz zwar fortgesetzt, aber weder strafrechtliche Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft veranlasst noch das Parlament informiert. Aus dem Prüfbericht soll hervorgehen, dass der sächsische Verfassungsschutz bereits im zweiten Quartal 2005 von sexuellem Missbrauch von Kindern durch namentlich bekannte Leipziger Staatsanwälte und Richter Kenntnis hatte." (siehe Wikipedia)

     

     

     

    NO JUSTICE - NO PEACE!

     

    UNRECHTSCHAFFENDE INS KRIEGSMINISTERIUM FÜR "ETHISCHE DROHNEN" ... WENN SIE MICH FRAGEN IST DER MANN MEHR ALS FRAGWÜRDIG.

  • Wozu gibt es denn Fachminister, wenn die offenbar alle keine Ahnung von ihrem Fachgebiet haben?

     

    Und was ist eigentlich mit der Chefin von allem?

  • Nichtwissen gehörte schon immer zur Schlüsselqualifikation eines CDU-Ministers.

     

     

     

    Einem CDU-Minister vorzuwerfen, er hätte von irgendetwas eine Ahnung, ist geradezu dumm.

     

    Wie soll ein Verteidigungsminister denn seiner Rolle als Marionette der Rüstungsindustrie noch gerecht werden können, wenn ihm ständig der Vorwurf gemacht wird, er würde etwas wissen?

     

     

     

    Mit Moral hat das alles rein garnichts zu tun. Kohl hat's doch 16 Jahre vorgelebt. Der hat von dem ganzen Bimbes auch nix gewußt. Merkel lebt's jetzt mindestens 16 Jahre nach und die hat bis vor kurzem noch nicht mal gewußt, das es ein Internet gibt.

     

     

     

    Irgendwie ist das ja alles für uns immer wieder #Neuland.

  • G
    Guhl

    Immerhin ist ja heute auch das Thema der Buendnisfaehigkeit zur Sprache gekommen, womit zu den beschriebenen Problemen noch eine ganz andere Dimension dazukommt. Damit wird ein Spannungsverhaeltnis beschrieben, ueber das man schlecht reden kann, das aber doch einige Freiheit rechtfertigt. Man mag das Buendnis nicht moegen, es aendert aber nichts daran, dass es das Buendnis gibt. Die daraus folgenden Notwendigkeiten sind dem Minister seit seiner Kindheit vertraut.