Kommentar Urteil gegen Nawalny: Moskauer Schmierenkomödien
Putins Kritiker sollen jetzt auch mit Sippenhaft politisch kaltgestellt werden. Doch ob die Rechnung so einfach aufgehen wird, ist fraglich.
M it „nur“ dreieinhalb Jahren auf Bewährung wegen Unterschlagung ist der regierungskritische Blogger Alexej Nawalny, den der Staatsanwalt am liebsten zehn Jahre hinter Gitter gebracht hätte, noch einmal glimpflich davon gekommen – möchte man meinen.
Von wegen! Der sogenannte Betrugsprozeß und der Urteilsspruch eines Moskauer Gerichtes vom Dienstag morgen gegen Nawalny und seinen Bruder Oleg sind nur ein weiteres Beispiel für eine politische Willkürjustiz, die unter Staatschef Wladimir Putin in Russland an der Tagesordnung ist.
Dabei folgen diese Schmierenkomödien, die durch die Verurteilung von Oleg Nawalny zu einer dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe offensichtlich auch vor Sippenhaft nicht mehr zurückschrecken, stets ein und demselben Muster: vollkommen abstruse, konstruierte Anklagen und ein Strafmaßmaß, das bereits vor Prozeßbeginn feststeht und der kremlhörigen Justiz von ganz oben souffliert wird. Dabei geht es in erster Linie darum, Gegner des Regimes mundtot zu machen.
Ob diese Rechnung im Falle von Alexej Nawalny ganz aufgehen wird, ist jedoch fraglich. Durch eine Verurteilung im Jahre 2013 ist der 38jährige, der unter Hausarrest steht, ohnehin schon schon in seinen Möglichkeiten, sich politisch zu betätigen, eingeschränkt. Das hat ihn aber nicht davon abgehalten, weiter seine Stimme zu erheben.
Aufschlußreich wird sein, wie viele Menschen Nawalnys Aufruf folgen und am Dienstag abend in Moskau auf die Straße gehen werden. Solche Proteste hatte die Regierung durch die Vorverlegung der Urteilsverkündung ja gerade zu vermeiden versucht.
Anlaß zu öffentlichen Unmutsbekundungen gebe es, nicht zuletzt wegen der schwierigen wirtschaflichen und sozialen Lage einer wachsenden Anzahl von Russen, jedenfalls zur Genüge. Das weiß auch Putin, der auf derartige „Provokationen“ mit gewohnter Härte regieren dürfte. Und so wird es auch im kommenden Jahr für Anhänger der Opposition in Russland nicht gemütlicher werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund