Kommentar Tierrechte: Warme Worte, keine Taten
Agrarminister Christian Schmidt kündigt eine Tierwohl-Initiative an. Nur sagt er leider nicht, wann die Landwirte diese umsetzen sollen.
D ie Rhetorik der Tierschützer hat Bundesagrarminister Christian Schmidt schon drauf: Die Ställe, sagte er am Mittwoch bei der Vorstellung seiner „Tierwohl-Initiative“, müssten an die Tiere angepasst werden – nicht umgekehrt. Das predigen der Tierschutzbund, die Bürgerinitiativen gegen Massenställe oder die Grünen bereits seit Jahren. Dass jetzt auch das CSU-geführte Bundesministerium endlich so redet, könnte ein Fortschritt sein.
Leider scheinen diese Thesen bei Schmidt zu leeren Worthülsen zu verkümmern. Seine Tierwohl-Initiative hat zwar schöne Ziele: Die Landwirte sollen künftig darauf verzichten, den Tieren Körperteile wie Schnäbel oder Schwänze mit der Klinge zu kürzen. Stattdessen müssen sie anders verhindern, dass sich beispielsweise Schweine gegenseitig in den engen und reizlosen Ställen verletzen. Doch Schmidt will das nur per „freiwillige Selbstverpflichtung“ erreichen. Er nennt noch nicht einmal ein klares Datum, bis diese ethisch äußerst fragwürdige Praxis aufhören soll. Das wird den Druck auf die Landwirte, ihre Tiere besser zu halten, kaum erhöhen.
Deshalb kann auch Schmidts wichtigstes Argument gegen Verbote nicht überzeugen. Es lautet: Mit der freiwilligen Strategie kommen wir schneller ans Ziel. Dabei könnte der Agrarminister das Tierschutzrecht jederzeit so präzisieren, dass das massenhafte Kupieren klar untersagt ist. Aber Schmidt wartet weiter – wahrscheinlich, weil er es nicht wagt, gegen die Interessen der Agrarindustrielobby vorzugehen.
Schmidt sagt, er sei erst seit sieben Monaten im Amt. Aber seine Partei führt das Agrarministerium bereits seit 2005. Die CSU hatte also schon neun Jahre, die Zustände in den Ställen bedeutend zu verbessern. Jetzt liefert sie immerhin mal warme Worte – aber noch lange keine Taten.
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