Kommentar Proteste Afghanistan: Arroganz des strauchelnden Imperiums

Der Chef der US-Truppen in Afghanistan hat sich für die Koranverbrennung entschuldigt. Das ist gut. Der Glaubwürdigkeit der Isaf-Soldaten bringt das wenig.

Schnell, entschlossen und voll Demut hat sich General John Allen, der Chef der US-Truppen (wie der internationalen Isaf-Streitmacht) in Afghanistan, für das Verbrennen von Koran-Exemplaren auf einem Müllplatz des US-Stützpunktes Bagram entschuldigt.

Anders als seine Vorgänger in ähnlichen Fällen wiegelte er nicht ab, sondern verurteilte deutlich das Fehlverhalten seiner Untergebenen. Doch letztlich nutzte es nichts. Nachdem die Proteste am ersten Tag klein blieben und es keine Toten gab, breiteten sie sich am Mittwoch auf mehrere Städte aus. Es kam zu tödlicher Gewalt.

Auch am Donnerstag gingen die Proteste weiter. General Allen versuchte die Gemüter zu beruhigen mit der Ankündigung, künftig würden alle Isaf-Soldaten interkulturell geschult. Das war als positive Nachricht und als Geste des Respekts vor der Kultur und Religion der Afghanen gemeint. So richtig Allens Einsicht ist, kommt sie um Jahre zu spät und dürfte deshalb als wenig glaubwürdig gelten.

Stattdessen zeigt es die bisherige Arroganz und Ignoranz des US-Militäreinsatzes am Hindukusch, über die sich viele Afghanen aufregen. Seit über zehn Jahren kämpfen dort US-Soldaten. Doch erst jetzt fällt ihrem Befehlshaber auf, dass seine Soldaten nicht genug von der dortigen Kultur und Religion wissen. Das ist eine Steilvorlage für die Propaganda der Taliban, die schon immer behauptet haben, beim US-Einsatz gehe es nicht um die Afghanen, sondern um die Dominanz der westlichen Supermacht und ihrer Kultur.

Auch haben die Afghanen von US-Miltärs schon viel Versprechen gehört. Nach zehn Jahren einer Intervention mit wiederkehrenden Fehlern ist die Geduld am Ende. Die Gedankenlosigkeit ignoranter US-Soldaten bietet frustrierten Afghanen jetzt die Gelegenheit, ihre Wut rauszulassen.

Und für die Gegner der US-Intervention ist es leicht, die Koranverbrennung als Angriff auf die Religion und nationale Identität aller Afghanen darzustellen und dagegen Gewalt zu mobilisieren. Das Karsai-Regime, dessen Polizei die Gewalt zu begrenzen versucht, kann so gleich noch als Handlanger der Amerikaner vorgeführt werden. Moderate Kräfte wird das weiter schwächen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.