piwik no script img

Kommentar Luftfahrt in DeutschlandEs war nicht alles schlecht

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Gesundheitstests für Piloten sollten wenigstens die Leberwerte erfassen. Früher war das auch der Fall. Die EU hat die Standards gesenkt.

Nur nüchtern vom Piloten gut manövriert: notgelandete Germanwings-Maschine in Stuttgart. Bild: dpa

E s ist ein beunruhigendes Signal, das da aus Brüssel kommt: Die Europäische Kommission rügt Deutschland wegen des Verstoßes gegen Flugsicherheitsregeln und zieht sogar eine Klage in Erwägung. Die Kommission ist überzeugt, dass das Luftfahrtbundesamt aus Personalmangel die Ärzte und Zentren zu wenig überwacht, die Tauglichkeitsbescheinigungen für Piloten ausstellen.

Das suggeriert, dass Deutschland im europäischen Vergleich ein besonderes Problem mit der Flugsicherheit hat. Aber dafür gibt es – trotz der vom Kopiloten Andreas L. zum Absturz gebrachten Germanwingsmaschine – keinen Anhaltspunkt. Auch in anderen Ländern hätte er seine psychische Erkrankung verbergen können.

Dass ausgerechnet die EU Deutschland Sicherheitslücken vorwirft, ist bigott. Durch die europaweite Vereinheitlichung der Vorgaben für die Flugtauglichkeitstests von Piloten wurden die deutschen Standards erheblich gesenkt. Seit 2003 gibt es deshalb in Deutschland unter anderem für Piloten keine routinemäßige Überprüfung der Leberwerte mehr, die Aufschluss über eine Alkohol- oder Medikamentensucht geben könnte.

Auch Herzuntersuchungen sind massiv heruntergefahren worden. Das zeigt: Bei den Routinechecks gibt es Verbesserungsmöglichkeiten. Sie umzusetzen wäre echte Vorbeugung. Und zwar eine wirksamere, als die von der EU geforderte Schaffung von Planstellen.

Jetzt ist der Zeitpunkt, um systematisch Sicherheitslücken im Flugverkehr zu suchen und zu schließen. In der kommenden Woche tagt erstmals die in Deutschland eingesetzte Arbeitsgruppe aus Vertretern der Luftfahrt und der Politik, die über Konsequenzen nach dem Absturz der Germanwings-Maschine berät. Sie muss dafür sorgen, dass hierzulande wenigstens die Standards wieder eingeführt werden, die früher galten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    "Standards, die früher galten" - die ewige Leier des Kapitalismus. Sicherheits- und Lebensstandard werden so lange abgesenkt, bis es so richtig weh tut. Und danach nie wieder auf das Vorniveau angehoben, sondern bis an die Grenze des Erträglichen. Bis wieder etwas passiert, das so richtig weh tut. Dann wird wieder ein wenig angehoben.

     

    Strukturelle Parallelen gibt's bei HartzIV, bei Investitionen in die Infrastruktur, im Bildungssegment unterhalb der Gymnasien, etc. pp.