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Kommentar Loveparade-ProzessRecht ist nicht immer gerecht

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Schon früh war klar, dass es im Loveparade-Prozess kein gerechtes Urteil geben würde. Dass es nun wohl kein Urteil gibt, ist mehr als unbefriedigend.

Kein schicksalhaftes Ereignis ohne Schuldigen: Raver bei der Loveparade (Archivbild 2010) Foto: dpa

D as war es also. Achteinhalb Jahre nach der Loveparade-Katastrophe steht die juristische Aufarbeitung vor ihrem bitteren Ende. Das Landgericht Duisburg will den Prozess, den es nie hatte führen wollen, jetzt nach knapp einhundert Verhandlungstagen einstellen. Damit steht ein Strafverfahren vor seinem Abschluss, das von Anfang an unter keinem guten Stern stand.

Schon dass es bis zum Dezember 2017 gedauert hatte, bis nach heftigem Gerangel endlich die Hauptverhandlung gegen die zehn Angeklagten begann, war für die Hinterbliebenen der 21 Toten, für die mehr als 650 verletzten und die unzähligen traumatisierten FestivalbesucherInnen eine Zumutung. Nunmehr müssen sie auch noch schmerzhaft erkennen, dass Gerechtigkeit und Recht bisweilen nicht identisch sind.

Von vornherein stand fest, dass das Gericht kein gerechtes Urteil würde finden können. Denn dafür hätten mehr als nur sechs ehemalige Mitarbeiter der Stadt Duisburg und vier des Veranstalters Lopavent auf der Anklagebank sitzen müssen. Aber dass es nun gar kein Urteil mehr gibt, ist mehr als unbefriedigend.

Immerhin ist den Richtern nicht vorzuwerfen, sich nicht um Aufklärung bemüht zu haben. Akribisch ließen sie rekonstruieren, was an jenem 24. Juli 2010 passiert ist. Die Beweisaufnahme hat bestätigt, dass eine fatale Mischung aus Größenwahn, Inkompetenz und Verantwortungslosigkeit zu der Katastrophe führte. Dafür verantwortlich waren nicht zuletzt der Veranstalter Rainer Schaller und der damalige Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland, der als Zeuge vor Gericht ein erbärmliches Bild abgegeben hat.

Die tödliche Massenpanik auf der Loveparade war kein schicksalhaftes Ereignis, für das sich keine Schuldigen finden ließen. Doch das bedeutet leider noch nicht, ihnen auch eine konkrete Schuld im juristischen Sinne nachweisen zu können. Aber wenigstens haben die Duisburger Bürgerinnen und Bürger Sauerland vor knapp sieben Jahren per Abwahl dazu gezwungen, jene politische Verantwortung zu übernehmen, die er partout nicht übernehmen wollte. Wenigstens das.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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7 Kommentare

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  • Stimmt schon: Recht muss nicht gerecht sein derzeit. Müsste es aber. Denn eigentlich ist der tiefere Sinn allen Rechts die Sicherung eines friedlichen Zusammenlebens größerer Menschengruppen, die nicht durch (positive) Gefühle miteinander verbunden sind (wie etwa Eltern und Kinder oder Liebespaare).

    Die Besserstellung der ohnehin Mächtigen ist hingegen nicht Sinn geltenden Rechts. Sie ist nur ziemlich weit verbreitet. Immer noch. Was dazu führt, dass das Zusammenleben langsam schwierig wird.

    Recht war halt immer schon auch Machtinstrument (und deshalb schwer umkämpft). Leider kann es sich selbstständig nicht gut wehren, wenn es missbraucht wird. Wird also Zeit, dass sich nicht nur eine neue Juristengeneration ihrer Aufgabe bewusst wird, sondern auch eine Mehrheit aller Menschen auf der Welt kapiert, was Recht sein sollte.

    Das Recht muss allen gleichermaßen dienen, sonst kann es gar niemandem helfen. Wir Menschen sind nun einmal nicht nur Individuen. Wir müssen auch Teil einer Gemeinschaft sein können, wenn wir ganz Mensch bleiben wollen. Das aber geht nur, wenn wir gewaltfrei miteinander umgehen. Geraten wir in Panik, weil wir uns unserer Rechte nicht mehr sicher sein können, kann das nur in der Katastrophe enden – wie bei der Loveparade.

    Wer so was zu verantworten hat, gehört dringend ausgewechselt. Ob er darüber hinaus bestraft gehört, hängt davon ab, wie erwachsen die Gesellschaft bereits ist. So lange die Vernunft noch ausgeschaltet bleibt, muss Strafe sein. Aber wer sagt denn, dass auch morgen noch die Angst regieren muss?

    Die Zeichen stehen eigentlich gar nicht so schlecht. Wir gehen (beinah) alle schon zehn Jahre lang zur Schule. Und Lehrer wie Eltern dürfen Kinder schon nicht mehr verdreschen. Fehlt eigentlich nur noch die Einsicht in den tieferen Sinn dieser Verbote: Gerechtigkeit muss Allgemeingut sein. Das Recht darf nicht allein dem Starken vorbehalten bleiben, die es sich notfalls selber nehmen können.

    • 9G
      91690 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      Kleiner Fehler... Recht wird von Menschen gemacht und ausgelegt .. damit ist sowohl das permanente Bevorzugen der vermeintlich geknechteten als auch das Kuschen vor den vermeintlich Mächtigen im Bereich der Rechtsprechung .. oder anders ausgedrückt: vor Gericht und auf hoher See sind alle in Gottes Hand

  • Welche Logik verlangt, dass es hier einen strafrechtlich Schuldigen geben muss?

  • 9G
    91690 (Profil gelöscht)

    Und wenn das Ergebnis der Anhörung lautet, dass mehr als 10 Menschen Fehler im " mittleren Bereich" der Fahrlässigkeit begangen haben( für das jeder Einzelne selbst bei strenger Auslegung des Gesetzes mässige Strafen zu erwarten hätte ) die sich unglücklich aufsummiert haben .. was dann `??? Gerechtigkeit für den Tod eines Menschen wird man vor Gericht eh nicht bekommen auch wenn der Prozess über 2020 hinaus fortgesetzt wird

  • hallo! das verfahren ist nicht beendet. lest doch hier, was im loveparade-prozess-blog vom wdr steht, .. in dem übrigens von jedem verhandlungstag berichtet wurde und wird meine lieben! ( ihr könnt euch auch noch den tag davor durchlesen zur info!) blog.wdr.de/lovepa...s-rechtsgespraech/

  • Wie aus dem ZDF zu erfahren war, liegt die Einstellungsabsicht wohl darin begründet, dass man als Gericht keine Chance sieht, bis 2020 den Prozess abzuschließen, und somit in die Verjährung gerät. Kommentar enes Nebenklägers: Große Strafverfahren überfordere scheinbar die deutsche Justiz mit ihren Möglichkeiten, wie schon der Enschedeprozess zeige.



    Bleibt die Frage - liegt dies nur an der personellen und finanziellen Ausstattung der Justiz, an der Strafprozessordnung oder ist das Strafrecht nicht das geeigenete Imnstrument, solche komplexen Sachlagen aufzuarbeíten? Gibt es die Chance, dies über ein Zivilprozess (Schadensersatz) nachzuholen?

  • Einfach als info -

    “Im Loveparade-Strafprozess hat das Landgericht Duisburg eine Einstellung des Verfahrens gegen die zehn Angeklagten vorgeschlagen. Der Prozess würde damit ohne Urteil enden. Das wurde aus einem nicht öffentlichen Rechtsgespräch bekannt, zu dem das Gericht Verteidiger, Staatsanwälte und Nebenklage-Anwälte gebeten hatte.

    Während die Verteidigung den Angaben zufolge eine Einstellung des Verfahrens ohne Geldauflagen anstrebt, will die Staatsanwaltschaft offenbar entsprechende Auflagen für die Angeklagten in einem künftigen Einstellungsbeschluss verankert wissen. Für eine Einstellung des Verfahrens wäre die Zustimmung von Staatsanwaltschaft und Verteidigern notwendig.

    Gericht und Staatsanwaltschaft wollten sich nicht zu Inhalten des Rechtsgesprächs äußern. Am Donnerstagmittag will der Vorsitzende Richter die wesentlichen Inhalte des Gesprächs während der Hauptverhandlung in einem Vermerk wiedergeben.…"

    unterm-----



    www.google.de/amp/...a-1248351-amp.html

    kurz - Doch immer ganz schön zu wissen - wa.



    Was genau kommentiert wird.



    &sorry - 's



    Wirkt a weng aussem Bauch raus. Woll.