Kommentar Lafontaine: Nur doppelte Botschaften
Das einzige Gegenmittel zur Eurokrise ist weit entfernt. Da hat Lafontaine Recht. Mit dem Wunsch, die D-Mark möge zurückkehren, hat er gefährlich unrecht.
O skar Lafontaine ist ein politischer Stratege. Was er gerade aufführt, ist ein schwer entschlüsselbares, paradoxes Manöver: Rückzug und Offensive im gleichen Augenblick. Denn kaum hat er sich aus dem bundespolitischen Geschäft verabschiedet, scheint er unter neuer Fahne zum Angriff zu blasen: Raus aus dem Euro. Eine doppelte Botschaft.
Lafontaines Begründung hat so gar nichts chauvinistisch Aufgeheiztes, wie man es von manchen seiner künftigen Mitkombattanten auf diesem Feld kennt. Sie liest sich eher wie ein deprimiertes Resümee. Und im Kern ist daran vieles richtig: Die Medizin, die Angela Merkel der EU verabreicht, löst die struktuellen Widersprüche der EU keineswegs. Das Sparen verelendet den Süden.
Das einzig wirksame Gegenmittel, das die Fliehkräfte bändigen könnte, ist eine gemeinsame Lohn-, Sozial- und Steuerpolitik in der EU. Und die ist fern, sehr fern. Da hat Lafontaine recht. Deshalb will er lieber eine Rückkehr zu D-Mark, Drachme und Lira. Damit hat er gefährlich unrecht.
Lafontaine schickt eine doppelt lesbare Botschaft hinaus. Man kann in seiner Begründung mit etwas Wohlwollen den enttäuschten Staatsmann wahrnehmen, der nur noch Vergeblichkeiten sieht. Wer sich nicht so sehr für fiskalpolitische Debatten interessiert, wird indes nur den groben Slogan hören: Zurück zur D-Mark. Es wird Lafontaine, den Strategen, interessieren, wie laut dieses Echo ist.
Lafontaine ist im Westen eine Schlüsselfigur der Linkspartei. So ergibt sich ein hübsches Szenario: Die gesamte Parteiführung beteuert, dass sie den Euro will, während Lafontaine im Wahlkampf für die Rückkehr zu D-Mark trommelt. Was will die Linkspartei? Populistisch sein oder linkssozialdemokratische Realpolitik machen? Lafontaines Vorstoß ist das Lackmus-Papier in diesem Experiment.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Die Grünen und die Schuldenbremse
Im Nein steckt eine Chance
CDU-Anfragen zu NGOs
Neue Offensive gegen die Zivilgesellschaft
Ukraine-Gespräche in Saudi-Arabien
Was Selenskyj noch bleibt
Geplante Grundgesetz-Änderungen
Linke stellt Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht
Kursrutsch in den USA
Nicht mehr so kreditwürdig
AfD und Linke klagen in Karlsruhe
Schwächung der Opposition per Gesetzesänderung