Kommentar Kristina Schröders Sprache: „Das Gott“ statt N****
Die Bemühungen von Kristina Schröder um geschlechtsneutrale Begriffe sind lobenswert. Ihr Antirassismus aber wird damit nicht glaubwürdiger.
D a gibt Kristina Schröder zum ersten Mal in ihrer Karriere ein Interview, in dem sie ein paar ganz vernünftige Sachen sagt – und trotzdem ergießen sich einmal mehr Kübel voller Häme über Angela Merkels jüngste Ministerin. Seltsam. Manchen reicht es offenbar schon, dass Kristina Schröder überhaupt etwas sagt, um in die üblichen Reflexe zu verfallen.
Dabei ist das, was die Familienministerin der Zeit anvertraute, sehr bedenkenswert. Natürlich sind die Märchen der Brüder Grimm oft sexistisch. Selbstverständlich sollten es sich Eltern gut überlegen, ob sie überholte Begriffe wie N**** unkommentiert an ihre Kinder weitergeben, nur weil sie noch in Kinderbuchklassikern wie „Jim Knopf“ und „Pippi Langstrumpf“ stehen. Und die Protestantin Kristina Schröder ist auch nicht die erste Christin, die sich Gedanken darüber macht, ob Gott ein Geschlecht hat und welchen Artikel man verwendet. Selbst in der katholischen Kirche herrscht in dieser Frage kein Konsens.
In ihrer Schwesterpartei CSU brannte deswegen aber jetzt kurz vor dem Weihnachtsfest der Baum. Manche nahmen Schröders Äußerungen ganz unchristlich als Steilvorlage, um der Ministerin, die bislang meist eher glücklos agierte, kräftig eine vor den Bug zu schießen.
ist Redakteur für Migration und Integration im Inlandsressort der taz.
Nun lassen sich Bemühungen um geschlechtsneutrale Begriffe – wie etwa in der „Bibel in gerechter Sprache“ – leicht belächeln. Doch selbst für ihre Bereitschaft, rassistische Bezeichnungen wie N**** aus ihrem Vokabular zu bannen, kassierte Kristina Schröder jetzt viel Spott. Abwehrreflexe, den eigenen Wortschatz zu überdenken, gibt es eben nicht nur bei Konservativen. Auch linke und liberale Kulturschaffende tun sich hierzulande sehr schwer damit, die eigenen Traditionen kritisch zu hinterfragen, wie die anhaltenden Debatten um schwarze Figuren und „Blackfacing“ an deutschen Theatern gezeigt haben.
Mit ihrem Zeit-Interview hat Kristina Schröder versucht, sich als kritische Mutter in Szene zu setzen. Um das Image der Antifeministin loszuwerden, zeigte sie dabei eine ungewohnt linksliberale Seite. Das ist lobenswert. Wirklich überzeugend wäre ihr Sinneswandel aber erst, wenn sie sich von den ultrakonservativen Diskursen verabschieden würde, mit denen sie bisher aufgefallen ist. Dann wäre auch ihr Einsatz gegen Rassismus glaubwürdiger.
Transparenzhinweis: In einer früheren Ausgabe des Artikels wurde im Zitat das N-Wort ausgeschrieben. Wir haben es durch die Schreibweise N**** ersetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Klimaschützer zu Wahlprogrammen
CDU/CSU und SPD fallen durch, Grüne punkten nur wenig
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge