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Kommentar Guerilla-Aktion für syrische KinderDarf man helfen?

Ines Kappert
Kommentar von Ines Kappert

Die Fake-Initiative zur Rettung syrischer Kinder nimmt die potenziellen Helfer in die Verantwortung. Die allgemeine Gleichgültigkeit ist weit vorangeschritten.

Jedes syrische Flüchtlingskind kennt sie jetzt: Familienministerin Manuela Schwesig Screenshot: http://www.kindertransporthilfe-des-bundes.de/

D eutschland will etwas tun angesichts des fortschreitenden Völkermords in Syrien? Es will helfen, jetzt doch? Das ist wohl ein Scherz.

Nein, das ist es nicht. Es handelt sich um eine ernst gemeinte Aktion, die jedoch nicht von der Bundesregierung ausgeht. Stattdessen melden sich im Syrienkrieg erstmals prominente Akteure aus dem kulturell-politischen Feld zu Wort. Das „Zentrum für Politische Schönheit“ spielt durch, wie zumindest syrischen Kindern zu helfen wäre, und verändert damit die Perspektive.

Bislang war die allgemeine Erwartung folgende: Die vom Assad-Regime mithilfe von Fassbomben, Hungerblockaden und gelegentlich auch Giftgaseinsätzen bekämpfte Zivilbevölkerung sollte darlegen, dass sie tatsächlich unschuldig in Not geraten ist. Beim Araber weiß man ja nie. Trotz vieler Reportagen und Berichte ist sich die Mehrheit hierzulande nicht ausreichend sicher, ob sich hinter der Flucht von etwa 9 Millionen Menschen nicht doch ein bisschen Schmarotzertum oder gar Sympathie für den Islam verbirgt – also ganz falsche Motive. Weshalb stets zwei Argumente bemüht werden: „Wir sind nicht zuständig.“ Und: „Das ist alles so kompliziert. Da können wir nichts machen.“

Ganz nah an kollektiven deutschen Befindlichkeiten

Nun, man kann auf Diktaturen und damit verbundene humanitäre Katastrophen auch anders reagieren. Man kann etwa finden, dass Geschichte verpflichtet und an die Kindertransporte von 1938/39 erinnern. Damals nahm Nazideutschland die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung in Angriff, die Nachbarländer verschärften Einwanderungsvorschriften und -kontrollen drastisch – und nahmen dann doch über 10.000 Kinder auf.

Mit seiner Aktion nimmt das Zentrum für Politische Schönheit auf diese Aktion Bezug und holt Syrien ganz nah heran an kollektive deutsche Befindlichkeiten. Natürlich ist das eine Provokation. Doch was ist falsch daran, zu fragen: „Welche Moral erlaubt uns, nicht zu helfen, nicht einmal Kindern?“

Diese Frage nimmt nicht länger die Opfer, sondern die potenziellen Helfer in die Verantwortung. Natürlich nur rhetorisch. Mehr kann eine Kunstaktion nicht leisten. Doch angesichts von 150.000 Toten ist es ein Skandal, dass wir noch immer nicht ernsthaft darüber diskutieren, was zu tun ist, auch von hier aus. Die allgemeine, beinharte Gleichgültigkeit ist weit vorangeschritten. Bleibt die gute Nachricht: Das lässt sich sofort ändern.

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Ines Kappert
Gunda-Werner-Institut
leitet seit August 2015 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.   Mich interessiert, wer in unserer Gesellschaft ausgeschlossen und wer privilegiert wird - und mit welcher kollektiven Begründung.   Themenschwerpunkte: Feminismus, Männlichkeitsentwürfe, Syrien, Geflüchtete ,TV-Serien.   Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft zu: "Der Mann in der Krise - oder: Konservative Kapitalismuskritik im kulturellen Mainstream" (transcript 2008).   Seit 2010 Lehrauftrag an der Universität St. Gallen.
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6 Kommentare

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  • Nato hat groesste humanitaere Katastrophe verursacht seit Weltkrieg 2.

    9 Mio Opfer gibt es+es geht noch immer weiter.Seit Nato Nov. 2010 veraendert wurde v einer defensiven in eine offensive Organisation,hat man Plaene wie Syrien entwickelt (aktive Friedenspolitik genannt ). Aufstaendische wurden finanziert,trainiert,bewaffnet.Es gab Zahlungen fuer syrische Waehler.Natolaender haben Special Forces+Geheimagenten in Syrien aktiviert zur Beratung+Informationsversorgung v Rebellen+zur Liquidation v syrischen Agenten.Alle Aktionen wurden ueber die Tuerkei+Jordanien geleitet um Natobeteiligung zuverheimlichen.In Natolaendern wurde die Presse informiert ueber einen Volksaufstand gegen Diktator Assad,willige Journalisten wurden gekauft.Sehr extreme Islamisten aus vielen Laendern sind nach Syrien gereist wo schlimmste humanitaeren Verbrechen begangen werden.Aktivste NatoKriegsLaender;US,UK,FR,DE,NL,Israel.Hoechste Zeit EU-NatoMinister zu entlassen+zur Reorganisierung dieser Nato

  • Liebe Frau Kappert, es bleibt dabei, Einseitigkeit macht den Krieg in Syrien nicht besser und vor allem unauflösbar! Nicht für die Syrier und für die internationalen Kriegsgegner genausowenig. Denn auch die Rebellen sind extrem grausame Kämpfer, die ihre brutalen Atacken von dicht bewohnten Stadtviertel aus begehen. Und die von Ihnen vorgeworfenen Giftgaseinsätze der syrischen Regierung sind bis heute nicht bewiesen. Für Sie, liebe Frau Kappert, mag es reichen, wenn eine westliche Regierung eine taktische Behauptung aufstellt. Doch sie muss eben auch stimmen. Jedenfalls galt das bisher noch... Aber das wissen sie ja alles und schreiben es nicht. Die "Politische Schönheit" dieses Vereines wirkt doch sehr selbsternannt. "Wir sind die Guten" und Assad ist der böse Schlächter? Die Nummer funktioniert nicht mehr, weil sie von den politischen Fakten längst eingeholt wurde. Gut so...

    • @yyyy xxxx:

      Schlage vor, dass wir die Kinder nicht fragen, welche Seite sie waehlen wuerde - die Ueberpruefung, ob es die Kinder waren, die die Giftgaseinsaetze zu verschulden haben - oder die "brutalen Atacken von dicht bewohnten Stadtviertel" klaeren wir dann hier in Deutschland - und schicken sie evt zurueck, falls sich dieser Verdacht erhaertet.

      • @Lippi:

        Darum geht es nicht. Auf die Zivilbevölkerung wird bei bewaffneten Auseinandersetzungen so gut wie nie Rücksicht genommen. Auch wenn die NATO-Staaten zum Beispiel "präzisere Waffensysteme" besitzen. Von daher ist folgendes im Kommentar von Ines Kappert falsch:

         

        "....Bislang war die allgemeine Erwartung folgende: Die vom Assad-Regime mithilfe von Fassbomben, Hungerblockaden und gelegentlich auch Giftgaseinsätzen bekämpfte Zivilbevölkerung sollte darlegen, dass sie tatsächlich unschuldig in Not geraten ist...."

         

        Die Zivilbevölkerung ist nicht nur wegen Assad und Co auf der Flucht sondern allgemein wegen den Kämpfen und Kriegshandlungen in den Städten und Dörfern.

  • Die syrische Zivilbevölkerung leidet übrigens nicht nur durch den Beschuss, den Waffen und Kämpfen seitens Assads Truppen sondern auch durch den Beschuss, den Waffen und den Kämpfen seitens der anderen Seite. Keine der beiden Seiten macht in Syrien ein großen Bogen um die Zivilbevölkerung. Nur mal so nebenbei bemerkt.

    • @mrf:

      geht es hier irgendwo darum, die kinder vor assad zu retten? es geht darum kinder vor krieg zu retten. ihre antwort zeigt genau diese Verhärtung die die autorin im artikel anklagt.