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Kommentar Berlin-BoomWo es in Berlin wirklich brennt

Ines Kappert
Kommentar von Ines Kappert

Ein paar abgefackelte Autos können die Lebensqualität Berlins nicht mindern. Der Tod bunten Lebens sind vielmehr hohe Mieten. Die Politik verschließt sich dieser Binsenweisheit.

B erlin, Berlin, nie war die Begeisterung über die Kapitale der alternativen Lebenskultur größer als in diesen Tagen. Der Billigfliegertourismus boomt, ebenso der Immobilienmarkt, denn in der Mauermetropole steigen zwar die Preise, aber Bier und Wohnungen sind immer noch vergleichsweise günstig. Und alles ist so friedlich hier. Wie in kaum einer anderen Großstadt kann man sich in Berlin rund um die Uhr weitgehend gefahrlos bewegen.

Aber nicht alle sind vom Run der weltweiten Mittelschicht auf Berlin begeistert. Bei vielen Altberlinern macht sich Unbehagen breit: Wie lange können wir uns das Leben in "unserer" Gegend noch leisten? Die Berliner Löhne sind ja auch niedrig. Entsprechend wird über Touristen inzwischen genauso routinemäßig geschimpft wie über das grausliche Wetter. Gleichzeitig brennen des Nachts immer wieder Autos. Gibt es eine Verbindung zwischen dem Touri-Überdruss der Alteingesessenen, den steigenden Mieten und den nächtlichen Brandstiftungen? Wird es in der Partyhochburg jetzt doch noch gefährlich?

I wo! So primitiv und falsch es ist, anderer Leute Autos abzufackeln, die Lebensqualität der Neu- und Altberliner wird durch diese Gewalt nicht nachhaltig gemindert werden. Zwanzig ausgebrannte Pkws alleine können keine 4-Millionen-Stadt umkrempeln. Dafür braucht es dann doch einen etwas ausgefeilteren politischen Sachverstand, braucht es andere Akteure. Womit wir bei der Berliner Politik wären. Wird sie diese Auswüchse zum Anlass nehmen, sich endlich wieder für die soziale Durchmischung der Innenstadtviertel einzusetzen?

Bild: wolfgang borrs
Ines Kappert

ist Leiterin des taz-Meinungsressorts.

Hohe Mieten sind der Tod des bunten Lebens. Das ist überall in der Welt zu besichtigen. Doch die Berliner Politikkaste verschließt sich dieser Binsenweisheit. Mietpreisbindungen, Milieuschutz - bis vor rund zehn Jahren gehörte das noch zum politischen Repertoire, heute sind solche Regulierungsverfahren tabu. Die Brandstifter werden das nicht ändern.

Denn ihr pseudopolitisches und selbstgerechtes Gebaren wird ihnen in der Mittelschicht keine Freunde machen. Die aber braucht eine Stadt, will sie sich gegen ihren Ausverkauf wehren. Schon lässt die in Berlin chancenlose CDU Wahlplakate mit brennenden Autos drucken; Merkel steht hilfreich zur Seite. Nicht die Autos sind das Thema, es ist die grassierende soziale Verdrängung.

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Ines Kappert
Gunda-Werner-Institut
leitet seit August 2015 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.   Mich interessiert, wer in unserer Gesellschaft ausgeschlossen und wer privilegiert wird - und mit welcher kollektiven Begründung.   Themenschwerpunkte: Feminismus, Männlichkeitsentwürfe, Syrien, Geflüchtete ,TV-Serien.   Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft zu: "Der Mann in der Krise - oder: Konservative Kapitalismuskritik im kulturellen Mainstream" (transcript 2008).   Seit 2010 Lehrauftrag an der Universität St. Gallen.
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11 Kommentare

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  • A
    atalaya

    Auf der Seites des Mieterschutzbundes steht: "Berlin-West steht auf Platz 116 mit 5,43 Euro pro Quadratmeter und Berlin-Ost auf Platz 154 mit 5,14 Euro pro Quadratmeter." Beim Auszug 1998 kostete unsere Studentenwohnung (6. Stock ohne Aufzug in einer südwestdeutschen Stadt) 6,7 EUR pro Quadratmeter. Dem gegenüber kann die Diskussion in Berlin schon hysterisch wirken.

     

    Ich glaube allerdings auch, dass in Berlin die Verschärfung der Situation mit langfristig drastisch steigenden Mieten absehbar ist. Schließlich wird jetzt erst langsam wahr, wovon man schon zu Beginn der 90er immerfort reden hörte: die Stadt wird vom Kapital entdeckt. Also bekommt sie bloß, was mit der Einheit "versprochen" war und schließt damit vor allem zu den Städten im Westen auf.

     

    Wenn man hingegen liest (Süddeutsche 2008), das in Berlin ca. 40% des Nettoeinkommens für die Miete draufgehen und das diese Zahl der Situation in München oder Frankfurt entspreche, dann haben wir offenbar schon einen Gleichstand erreicht.

     

    40% ist ein enorm hoher Anteil, ja es ist geradezu schon pervers, dass für ein menschliches Grundbedürfnis derart viel ausgegeben werden muss. Aber für ein sozialverträgliches Konzept gibt es in diesem Land (und nicht nur hier) nicht nur keine Mehrheiten, sondern nicht einmal mehr den grundsätzlichen Willen. Da sind die offenbar "ehernen" Gesetze des Kapitalismus vor, die unser (staatliches) Handeln immer mehr diktieren.

     

    Mieter aller (Bundes-)Länder, vereinigt euch!

  • Y
    yberg

    ohne hier brandstiftungen relativieren zu wollen-die vorauseilende klarstellung ist in der hysterischen situation notwendig-möchte ich das augenmerk darauf richten,daß vornehmlich leasingfahrzeuge kurz vor ablauf der vertragsdauer,meist so um 3 jahre,in signifikanter anzahl brandanschlägen zum opfer fallen.

    ein thema das den leasinggebern und der versicherungswirtschaft unangenehm ist,versuchen sich doch auf diese weise nicht wenige nutzer von leasingfahrzeugen auf kosten der versicherungen ihren nachzahlungen für die nicht vertragsgemaße nutzung ihres fahrzeugs-erhöhte laufleistung,beschädigungen,unterlassene wartung usw. zu entziehen.

    so halbherzig die versicherungen die zentralblockade von autoherstellern einfordert um diebstähle zu verunmöglichen,dürften sie auch ein interesse haben oben erwähnten zusammenhang verlautbaren zu lassen zumal auch der eine und andere fahrzeugeigentümer aangesichts größerer reparaturen wie motorschaden zur kriminellen selbsthilfe greift.

    selbstentzündungen von fahrzeugen soll es auch geben.

  • S
    SAviera

    Es hat sich eine eigenartige Situation gebildet: alle verstehen, dass die Lage schlecht ist, aber niemand hat eine Lösung. Es sind keine Konflikte der Starken und der Schwachen, der Reichen und der Armen. Im Gegenteil - wir sind auf das globale Problem gestoßen, das sich in einigen Monaten in radikalster Weise zeigen wird.

     

    Unter diesen Umständen müssen wir uns stärker denn je verbinden. Natürlich kommen auf uns schwere Zeiten zu. Es gleicht dem Übergang „des Endlichen Meeres”: "Solange du nicht ins Wasser springst, wirst du auch keinen Erfolg haben". Aber du hast alle notwendigen Bedingungen, um erfolgreich zu springen. Der Sprung jedes Einzelnen ist problematisch und erfordert Mut ,Vertrauen und Eigenverantwortung. Aber wie nähern uns alle einem Zustand, in dem wir fähig werden, diesen Sprung gemeinsam zu machen. Den Sprung in die Einheit und in die Fürsorge für jedes Mitgleid der Gesellschaft und das nicht aus Angst sondern weil wir es von gnazem Herzen wollen. Die Zeiten der Bereicherung einzelner haben eine Ende. Entweder wir lernen miteinander in gegenseitiger Bürgschaft zu leben und zwar freiwillig entsprechend dem Plan der Evolution oder...

  • S
    Saviera

    Es hat sich eine eigenartige Situation gebildet: alle verstehen, dass die Lage schlecht ist, aber niemand hat eine Lösung. Es sind keine Konflikte der Starken und der Schwachen, der Reichen und der Armen. Im Gegenteil - wir sind auf das globale Problem gestoßen, das sich in einigen Monaten in radikalster Weise zeigen wird.

     

    Unter diesen Umständen müssen wir uns stärker denn je verbinden. Natürlich kommen auf uns schwere Zeiten zu. Es gleicht dem Übergang „des Endlichen Meeres”: "Solange du nicht ins Wasser springst, wirst du auch keinen Erfolg haben". Aber du hast alle notwendigen Bedingungen, um erfolgreich zu springen. Der Sprung jedes Einzelnen ist problematisch und erfordert Mut ,Vertrauen und Eigenverantwortung. Aber wie nähern uns alle einem Zustand, in dem wir fähig werden, diesen Sprung gemeinsam zu machen. Den Sprung in die Einheit und in die Fürsorge für jedes Mitgleid der Gesellschaft und das nicht aus Angst sondern weil wir es von gnazem Herzen wollen. Die Zeiten der Bereicherung einzelner haben eine Ende. Entweder wir lernen miteinander in gegenseitiger Bürgschaft zu leben und zwar freiwillig entsprechend dem Plan der Evolution oder...

  • H
    hto

    "Wer soll das bezahlen?" und "Arbeit macht frei" im "freiheitlichen" Wettbewerb um ... - die Mieten in Berlin u.a. sind das Ergebnis des "freiheitlichen" Wettbewerbs, den ihr Gutbürgerlichen immer leichtfertig mit Kreuzchen auf dem Blankoscheck den "Treuhändern" dieser "Demokratie" überlaßt, also ...!?

  • F
    Fabian

    Gentrification was yesterday,

    today is supergentrification,

    tomorrow will be hypergentrification,

    and the day after tomorrow?

  • AS
    autofreie Schnecke

    Guter Artikel !

     

    Ob Rassismus, religiöser Fanatismus, Gentrifizierung oder Ghettobildung....

     

    Kein Politker hat wirklich Interesse da was zu tun. Das einzige was zählt ist der Bevölkerung da Honig ums Maul zu schmieren wo es um den alltäglichen rechtfußgesteuerten Fetisch geht.

  • H
    Hasso

    Die Linken regieren doch mit in Berlin. Anscheinend sind sie nur stark in der Theorie. Niedrige Löhne,Verfehlte Migration, hohe Mieten und mangelnder sozialer Wohnungsbau. Man schaut auf die leeren Kassen und versucht die Armut zu kriminalisieren.Das kommt dabei heraus, wenn man schon seit H.Schmidt/Genscher, die "Hure des Kapitalismus" spielt.Alle, aber auch alle,haben "die amerikanischen Richtlinien" übernommen.

    Das ist der einfachste Weg, denn Arme haben keine Lobby.

  • E
    elisabeth

    ich denke, die ganze finanzielle lage berlins muss viel transparenter werden.

     

    es muss diskutiert werden, wie berlin aus seinem geldmangel und aus seinen schulden rauskommt.

     

    wir können dieses thema nicht mehr hinter den verschlossenen türen der politik besprechen lassen !!!

     

    was dabei herauskommt sind horror-deals, verkauf von allem, was der heuschreckeninvestor will, zu den bedingungen, die der heuschreckeninvestor will.

     

    es gibt so viele beispiele und es schreit zum himmel.

     

    zum beispiel der verkauf von landeseigenen wohnungsbaugesellschaften ( http://www.berliner-mieterverein.de/magazin/online/mm0510/hauptmm.htm?http://www.berliner-mieterverein.de/magazin/online/mm0510/051012a.htm)

     

    oder die berliner wasserbetriebe, alles, was das sogenannte mediaspree ist, ... es gibt viele beispiele.

     

    und alles zu lasten der einwohner berlins, und über ihre köpfe hinweg.

     

    daraus kann ja nichts nachhaltig zukunftsträchtiges entstehen, wir werden ausgequetscht werden wie zitronen, wahrscheinlich bis die USA und die ganze börsenblase kollabiert.

  • M
    Murat

    Die Brandstiftung muss das entscheidene Thema sein, nichts anderes! Der Staat muss endlich seine BürgerInnen schützen, wenn er das nicht schafft sollten sich endlich Bürgerwehren bilden!

  • H
    Hamburger

    Bekommt in Berlin eigentlich jemand (insbesondere bei CDU und den Grünen) mit, dass in Hamburg unter Schwarz-Grün auch munter jede Nacht etliche Autos gebrannt haben?

     

    Letztlich ist das Problem, dass es in einer Millionen-Stadt immer einige wenige gibt, die halt solche idiotischen Dinge tun - da ist letztlich die Politik machtlos, außer frustrierten Jugendlichen andere "Abwechslung" als Autos anzünden zu bieten...

     

    Grüße nach Berlin!