Kolumne Unter Schmerzen: Das Rein-raus-Prinzip

Warteschleifen, Zuzahlungen, Massenabfertigungen: Die kafkaeske Maschine, die man „Das Gesundheitssystem“ nennt, hält viel für den Patienten bereit.

Ist das schon Aquafitness? Oder noch irgendwas anderes? Bild: dpa

Ist man einmal Patient, ich meine, so richtig, dann ist man das für lange. Termine kommen, Termine gehen, man ist eingespeist in eine kafkaeske Maschine, die man „das Gesundheitssystem“ nennt und die viel mit Telefonnummern, mit Warteschleifenmusik, mit Zuzahlungen, Empfehlungen, Verhehlungen, Zeitmanagement, zweiten Meinungen und einer Menge Elend zu tun hat. Dafür nur ein paar kleine Beispiele.

Da wäre die große, weite Welt der Orthopädie. Zuerst war ich in so einer Art Massenabfertigungsanlage, hauptsächlich von der türkischen Hood der Nachbarschaft frequentiert. Da gab es zwar eine Zeit lang einen lustigen Arzt mit Namen Dr. Frankenstein, aber ansonsten herrschte das Rein-raus-Prinzip: kurzer Blick, kurzes Ohr, kurze Diagnose, ab dafür. Man kennt das. Derartige Servicemängel werden ja schon seit Längerem beklagt.

Aber es gibt ja auch die schicken Praxen in den reichen Vierteln der Stadt. Da gibt es natürlich Terminschwierigkeiten – aber in der Regel, trotz eher unbeliebter Allgemeinkrankenkasse, wird man gut behandelt. In der Praxis selbst wuseln unglaublich viele Praxishelfer herum, die dort entweder Praktika schieben oder auf Mindestlohn unterwegs sind oder vielleicht doch gut bezahlt, man weiß es nicht. Im Warteraum warten zwei Tageszeitungen, und zwar gute. Es gibt seltsame Kunst an den Wänden, und es gibt reichlich Wartezeit, über die Ahnungslosigkeit von Ärzten in Sachen Kunst nachzudenken.

Aber auch in einer Gemeinschaftspraxis kann es durchaus mehrere Meinungen geben. Der erste Orthopäde sagt MRT, also Magnetresonanztomografie, der andere sagt: Aquafitness. Am Ende glaube ich dem anderen, also dem zweiten, schließlich hat der mir unsichtbare Zahlen auf den Oberschenkel gemalt, die ich erraten musste, und meine Beine hin und her bewegt. Der andere hat nur auf seinen Bildschirm geschaut.

Also Aquafitness. Problem: Die von der Krankenkasse telefonisch angebotenen Kurse (die Warteschleifenmusik ist fast so schlimm wie bei der Telekom) sind bis in den August hinein ausgebucht. Die Onlineangebote der öffentlichen Schwimmbäder sind erratisch, am besten, man erkundigt sich vor Ort. Vielleicht senke ich ja wenigstens den Altersdurchschnitt.

Für die „Krankengymnastik mit Geräten“ gab es hingegen keine neue Verordnung. Was schade ist, denn an die immer etwas an Turnunterricht und Leni Riefenstahl erinnernde Welt aus Geräten und lebensfremden Körperstellungen hatte ich mich gerade erst gewöhnt. In der Praxis gab es eine große Spiegelwand, durch die ich nicht gehen konnte, in der ich mich entsprechend groß, tapsig, dick fühlte. Aber Sport hilft ja. Die Physiotherapeutin erzählte, dass es in ihrem Bereich reichlich freie Stellen gebe, aber wie alle medizinisch begleitenden Berufe sei auch die Physiotherapie dramatisch unterbezahlt. Ein vollgestopfter Tag, ein hoher Durchlauf auch hier, sonst lohne sich das alles nicht. Und ja, wirklich, ich habe mich selten so vergleichsweise gut entlohnt gefühlt, so als Aushilfsredakteur. Über Zahnersatz schreibe ich dann das nächste Mal.

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