Kolumne German Angst: Knarz. Kranker Volkskörper. Knarz.

Je weiter man sich von der deutschen Sprache entfernt, umso hässlicher rattern ihre Ketten. Wobei es ja meist weniger an der Sprache selbst liegt.

Eine Schreibmaschine

Dylan Moran schrieb einst über die deutsche Sprache: „Wie eine Schreibmaschine, die Alufolie frisst.“ Foto: dpa

Über „Die Schrecken der deutschen Sprache“ schrieb Mark Twain bereits im 19. Jahrhundert. In seinem Buch widmete er sich den Tücken wie Absurditäten der Grammatik, aber auch dem Problem sich der deutschen Sprache in einer zivilen, ja freundlichen Art zu bedienen. Ohne ihrer Brutalität anheimzufallen. Ohne sich Worten des Typs „Waffenstillstandsunterhandlungen“ zu ergeben.

„Wo man auch immer eine deutsche Zeitung aufschlägt, kann man sie majestätisch über die Seite marschieren sehen – und wer die nötige Phantasie besitzt, sieht auch die Fahnen und hört die Musik“, schrieb Twain. „Sie geben selbst dem sanftesten Thema etwas Schauer erregend Martialisches.“

Je weiter man sich von der deutschen Sprache entfernt, umso hässlicher rattern ihre Ketten. Wobei es ja meist weniger an der Sprache selbst liegt, als an jenen, die sich ihrer hässlichsten Seiten bedienen. Zwischen all den internationalen Zeitungen fällt mir auch eine deutsche in die Hände. Ich blättere einmal von der Politik bis ins Feuilleton. Wer kommt zu Wort? Seehofer, de Maizière, Botho Strauß. Schon setzt er ein: Deutschland-Tinnitus.

Auf der Müllhalde der Geschichte

Bayerns Ministerpräsident wird zum Wortkünstler, wenn es darum geht, Flüchtlinge abzuwehren. In immer neuen kakophonen Sprachvarianten tritt er das Grundrecht auf Asyl in die Tonne. Dafür hat er die Worte „Staatsnotstand“ und „wirksame Notwehr“ irgendwo auf der Müllhalde der Geschichte ausgegraben. Notwehr? Klingt in der Politik nach Willkür und großer Schweinerei, wie Deutsch für 1. September 1939. De Maizière und Co. Stimmen ein. Knarz. Innere Sicherheit. Knarz. Massenhafte Zuwanderung. Knarz. Bundespolizei. Knarz. Einschleusung von Ausländern. Knarz. Invasion. Knarz.

Knarz.

Knarz.

Was für eine hässlich gesprungene Platte.

Apropos Notstand. „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“, hatte schon Carl Schmitt gesagt. Auch so einer, der ganz souverän über sein ausgenommen hässliches Vokabular gebot. Heute greift man wieder gern auf ihn zurück. Er passt zum Sound der Berliner Republik, die vor einem Ansturm an Nichtdeutschen erzittert.

Buchstabenreihen als Zinnsoldaten

Das heißt, eigentlich ist es Botho Strauß, der erzittert. Und damit bin ich beim Feuilleton angekommen. „Ich möchte lieber in einem aussterbenden Volk leben als in einem, das aus vorwiegend ökonomisch-demografischen Spekulationen mit fremden Völkern aufgemischt, verjüngt wird, einem vitalen“, schrieb der alte Mann. Eine ganze Armada unansehnlicher Worte ließ er mit letzter Kraft im Spiegel übers Papier marschieren. Buchstabenreihen als Zinnsoldaten, die die Ängste der Aussterbenden vor sich herträgt.

Knarz. Kranker Volkskörper. Knarz. Aussterbendes Volk. Knarz. Flutung. Knarz. Auslöschung. Knarz.

So klingen also Deutschlands große Dichter. Jene, die mit Worten ihr Geld verdienen. Kein Wunder also, dass es hier auch die Feuerwehrleute sind, die Flüchtlingsunterkünfte anzünden.

Dylan Moran, ein irischer Komödiant, schrieb einst über die deutsche Sprache: „Wie eine Schreibmaschine, die Alufolie frisst und die Kellertreppe hinuntergetreten wird.“ Und so sollte man es auch mit dem letzten Deutschen halten. Es würde ein letztes Mal scheppern. Dann wäre wunderbare Ruhe.

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Vollzeitautorin und Teilzeitverlegerin, Gender- und Osteuropawissenschaftlerin.

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