Kolumne Darum: Replik auf die Replikreplikreplik
Vier lange Texte hat uns die „FAZ“ mit ins neue Jahr 2014 gegeben, die alle um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kreisen. Wahnsinn.
Z wei Jobs, zwei Kinder: Ich bin einer der „bewundernswerten Zombies“, von denen neulich Antonia Baum in der FAZ schrieb. Ich trage auch die „Gelassenheit und das Glück vieler junger Eltern“ in mir, von dem Stefan Schulz in seiner Replik auf Baum in der gleichen Zeitung schrieb – obwohl ich nicht mehr jung bin.
Ich begreife mich als Teil des Satzes „Wir sind in der Mehrheit“, den Florentine Fritzen und Tobias Rösmann wütend als Replikreplik gegen Frau Baum schleudern. Und selbst Melanie Mühl spricht in ihrer Replikreplikreplik gleich doppelt von mir und meiner Familie, wenn sie meine Kinder „Monster“ nennt und mich einen „unbelehrbaren Hedonisten“ (der trotzdem Kinder hat).
In vier langen Texten wirft man sich gegenseitig Standesdünkel, Selbstoptimierung und Ahnungslosigkeit vor – mal vehement, mal verspielt, immer aber in voller Überzeugung.
Zwei Wochen Zeit hat es mich gekostet, diese Texte zu lesen. Ich habe sie zu Hause gelesen, und immer kam etwas dazwischen: erst ein Kind, dann das andere, dann beide Kinder, dann die Frau, schließlich alle zusammen.
Allein die Lektüre von Baums Text dauerte drei Tage. Solche Texte dürfen einfach nicht an Tagen erscheinen, an denen der Sohn Gitarre übt, die Tochter vor einer Erdkunde-Klassenarbeit steht und ich selbst zwei Artikel zu Ende schreiben muss.
Auch Wahnsinn: Alter Calvados aus Kindergläsern
„Man muss wahnsinnig sein, heute ein Kind zu kriegen“, lautet die Überschrift des Artikels von Frau Baum, und damit hat sie recht. Man muss aber auch wahnsinnig sein, wenn man für die FAZ arbeitet oder für die taz und ganz ohne Wahnsinn kommen auch die Bundesligatabelle, die Sitzverteilung im Deutschen Bundestag und die Tatsache nicht aus, dass ich einen wunderbaren alten Calvados manchmal unachtsam aus bunten Kindergläsern trinke.
Diese ganze FAZ-Debatte ist der helle Wahnsinn. Da stehen Sätze wie „Ich verstehe dieses Selbstausbeutungskonzept nicht“, „Das Leben mit Kindern ist anstrengender“, „Wer Kinder hat, wird spätestens jetzt nicken“, und „Nicht jeder will so leben, als hätte man ihn in einen Ikea-Katalog gebeamt“. Also Binsenweisheiten, Ikea-Katalog-Sprüche und Sätze, die aus einem Eltern-Kind-Abendbrot-Gespräch stammen könnten. Damit trifft der FAZ-Wahnsinn die Realität von Eltern und Kindern gut. So reden wir ständig.
Kinderlos glücklich, Sohn und Tochter sind in der Schule, lese ich endlich den Artikel „Kinderlos glücklich“ zu Ende. Später streiten sich Frau und Tochter über ein nicht aufgeräumtes Zimmer, während ich mich in „Ruhe, ihr Jammer-Frauen!“ vertiefe. Zwei Absätze am Stück schaffe ich und denke gerade darüber nach, warum zwei der vier FAZ-Beiträge Ausrufezeichen in der Überschrift haben, da werde ich zum Spielen abkommandiert: „Komm jetzt endlich!“
Liebe FAZ, danke für diese erhellenden Artikel. Nur: Dass Deutschland jedem die gleiche Chance biete, die „Gelassenheit und das Glück junger Eltern“ zu erfahren, das meint ihr doch nicht ernst. Oder? Das wissen ja meine Kinder schon besser.
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