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KoalitionsverhandlungenViel Streit, wenig Zeit

Union und SPD wollen sich in weniger als zwei Wochen einigen. Allerdings liegen die Parteien in zentralen Fragen noch weit auseinander. Ein Überblick.

Das kann ja heiter werden: führende SPD-Politiker:innen bei einer Fraktionssitzung Anfang dieser Woche Foto: Kay Nietfeld/dpa

Seit Donnerstag verhandeln Union und SPD über eine gemeinsame Regierung – mit 256 Fach­po­li­ti­ke­r*in­nen in 16 Arbeitsgruppen und unter großem Zeitdruck. Bis spätestens 24. März soll ein Ergebnis feststehen. Was sind die möglichen Streitpunkte?

Migration

Union und SPD wollen auf radikale Abschottung setzen. Asyl­be­wer­be­r*in­nen sollen zurückgewiesen werden, laut Sondierungspapier „in Abstimmung“ mit Nachbarstaaten. Eine vage Formulierung – die SPD interpretiert sie so, dass Rückweisungen nur mit Einverständnis der anderen Länder möglich sind. Die Union findet dagegen, es reiche aus, deren Regierungen zu informieren.

Doch selbst wenn die Union sich durchsetzen sollte, scheint es unwahrscheinlich, dass die kommende Bundesregierung wirklich einen nationalen Alleingang wagt. Alternativ könnte sie auf eine gemeinsame europäische Abschottung setzen. Unklar ist auch, wie viel Geld künftig für Integrationskurse übrig bleibt. Die Ampelkoalition hatte hier zuletzt massiv gespart. Bei zahlreichen weiteren Einschränkungen der Rechte von Geflüchteten sind sich Union und SPD dagegen bereits einig. Frederik Eikmanns

wochentaz

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Wohnungspolitik

Die Mietpreisbremse gilt noch bis Ende des Jahres, jetzt wollen Union und SPD sie um zwei Jahre verlängern. Viel ist das nicht, schließlich geht es um ein Gesetz, das dort greift, wo die Wohnungsnot besonders groß ist. Offen bleibt auch, inwieweit die beiden Parteien an einer Reform interessiert sind. Ein Beispiel: Die Mietpreisbremse gilt nicht für Neubauten – und als Neubau gelten alle Gebäude, die ab Oktober 2014 vermietet wurden. Schon lange wird diskutiert, den Stichtag anzupassen.

Allgemein kann sich die Arbeitsgruppe „Verkehr und Infrastruktur, Bauen und Wohnen“ in puncto Mietrecht auf harte Verhandlungen gefasst machen. Denn die Union will das Mietrecht nicht verschärfen und setzt lieber aufs Bauen. Das soll, darin sind sich die Parteien immerhin einig, schneller und einfacher werden. Auch einen Ausbau des sozialen Wohnungsbaus sehen sie vor.

Doch werden Förderprogramme so gestaltet, dass sie keine Preistreiber werden? Und wird das Bauministerium als eigenes Ministerium bestehen bleiben? Es bleibt spannend. Jasmin Kalarickal

Bürgergeld

Wenn es um die finanzielle Absicherung für Arbeitslose geht, spricht die Tonlage der Union für sich: „Mitwirkungspflichten und Sanktionen“ für Arbeitsunwillige sollen verschärft werden, ein „Vermittlungsvorrang“ solle gelten für Menschen, „die arbeiten können“. „Diese Menschen müssen schnellstmöglich in Arbeit vermittelt werden“, so steht es im Sondierungspapier.

Bisher schon erlaubt die Gesetzeslage erhebliche Sanktionen. Im Jahr 2023 gab es aber nur in etwas mehr als 15.000 Fällen überhaupt Kürzungen des Regelsatzes wegen Verweigerung oder Abbruch von Arbeit, Ausbildung oder Maßnahme. Wer sich etwa vom Jobcenter zu einem Hilfsjob in der Zeitarbeit gezwungen fühlt, dürfte sich dem eher durch eine Krankschreibung als durch offene Verweigerung entziehen, schildert ein Praktiker aus einem Jobcenter, der anonym bleiben will.

Die SPD hatte in ihrem Wahlprogramm noch eine Fortsetzung des „sozialen Arbeitsmarktes“, also Beschäftigungsmaßnahmen für schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose, versprochen. Davon ist nun nicht mehr die Rede. Barbara Dribbusch

Wehrpflicht

Wenn alles nach Plan läuft, soll die Zahl der Sol­da­t*in­nen in der Bundeswehr bis zum Jahr 2031 auf 203.000 steigen. Laut dem jüngsten Bericht der Wehrbeauftragten des Bundestags geht der Trend jedoch in die entgegengesetzte Richtung. Das Durchschnittsalter in der Truppe ist auf 34 Jahre gestiegen, die Zahl der Sol­da­t*in­nen im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken.

Federführend für die Außen- und Verteidigungspolitik bei den Koalitionsverhandlungen ist aufseiten der Union Florian Hahn (CSU). Dieser sprach sich zuletzt für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht aus. „Noch im Jahr 2025 müssen die ersten Wehrpflichtigen durch die Kasernentore schreiten“, erklärte er Anfang März. Die Fach­po­li­ti­ke­r*in­nen der SPD sehen das anders. Die Wehrbeauftragte Eva Högl sagte, die Bundeswehr würde mangels Kasernen und Aus­bil­de­r*in­nen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht kaum verkraften. Diese sei „weder modern noch hilft sie der Bundeswehr in irgendeiner Art und Weise, ihr Personalproblem zu lösen“, warnte Högl. Vielmehr müsse es darum gehen, den Dienst attraktiver zu machen. Cem-Odos Güler

Demokratieförderung

„Wir wollen unsere Demokratie stärken und schützen“, heißt es vage im Sondierungspapier. Wie das konkret aussehen soll, darüber sind sich Union und SPD noch uneinig. Die SPD spricht sich schon lange für ein Demokratiefördergesetz aus. In der Ampel scheiterte eine Umsetzung jedoch an der FDP, in der Groko davor an der CDU.

Das könnte auch diesmal drohen. Silvia Breher, zuständig für das im Familienministerium angesiedelte Thema, plädierte bislang gegen ein solches Gesetz – wegen angeblicher Förderung linksextremistischer oder gar islamistischer Organisationen. Ähnlich sieht es die CSU-Verhandlerin Susanne Hierl. Stattdessen könnten sie eine möglichst restriktive Extremismusklausel fordern. Das schließe eine Einigung mit der SPD aus.

Das Problem bleibt drängend: Im Osten gibt es bereits eine extrem rechte Hegemonie, die sich nicht nur im verrohten Diskurs niederschlägt, sondern auch in explodierender rechter Gewalt. Umso dringender fordern Demokratieprojekte insbesondere dort Sicherheit. Dass die Union bereits jetzt zusammen mit der AfD Fördergelder streicht und den rechtsextremen Mythos vom „tiefen Staat“ in 551 inquisitorischen Fragen zu linken NGOs wiederkäut, lässt nichts Gutes vermuten. Gareth Joswig

Steuern und Finanzen

Union und SPD wollen die „breite Mitte“ durch eine Einkommenssteuerreform entlasten. So weit, so Wahlkampfversprechen. Doch was ist mit der Gegenfinanzierung? Bis zu 64 Milliarden könnten Steuerentlastungen und Ausweitungen von Sozialleistungen kosten, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) errechnet.

Die SPD hatte vor der Bundestagswahl noch gedroht, Top­ver­die­ne­r:in­nen stärker zur Kasse zu bitten. Wer mehr als 1,3 Millionen Euro verdient (die sogenannten oberen 1 Prozent), solle ruhig mehr Steuern zahlen. Im Sondierungspapier findet sich darauf kein Hinweis mehr. Auch der Begriff „Erbschaftssteuerreform“ taucht nicht auf.

Druck machen vor allem die Grünen, deren Zustimmung für die geplanten Grundgesetzänderungen gebraucht wird. Sie wollen den Sondervermögen nicht zustimmen, wenn Spielräume im Haushalt dann genutzt werden, um Steuerentlastungen zu bezahlen, von denen Besserverdienende am meisten profitieren. Schlagworte wie Steuergerechtigkeit und Einbeziehung von Milliardären müssten im Koalitionsvertrag auftauchen – für SPD-Linke wie Tim Klüssendorf und Michael Schrodi sicher ein willkommenes Argument, um Druck zu machen. Sie haben die SPD-Forderungen nach Vermögens- und Erbschaftssteuer mit erarbeitet. Anna Lehmann

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11 Kommentare

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  • Demokratieförderungsgesetz



    "Das könnte auch diesmal drohen. Silvia Breher, zuständig für das im Familienministerium angesiedelte Thema, plädierte bislang gegen ein solches Gesetz – wegen angeblicher Förderung linksextremistischer oder gar islamistischer Organisationen. Ähnlich sieht es die CSU-Verhandlerin Susanne Hierl. "

    Sehr schön. Die CDSU sieht also Demokratie als "linksextremistisch" an. Ich glaube, da hatte Willhelm II ja progressivere Vorstellungen.

  • "Wenn alles nach Plan läuft, soll die Zahl der Sol­da­t*in­nen in der Bundeswehr bis zum Jahr 2031 auf 203.000 steigen."

    Mal davon abgesehen, dass ich diese unglubliche Militarisierung unserer Gesellschaft, die ja schon fast an das Gesellschaftsbild Preussens aus dem 19. Jahrhundert erinnert, ganz und gar nicht gut finde: was heißt denn hier "nach Plan"? Denn unsere neue Regierung setzt ja, noch mehr als die alte sowieso schon, alles daran, Menschen zu vergraulen, die nach Deutschland kommen wollen. Und um allein den demografischen Schwund von Menschen aus dem Arbeitssektor auszugleichen, bräuchte Deutschland ca. 400.000 Menschen jährlich. Abschieben abschieben abschieben, im großen Stil abschieben etc. ist aber alles, was man hört.

    Menschen mit dunklerer Hautfarbe werden inzwischen pauschal als Gefährder, Islamisten, Terroristen, Faulpelze, Mörder gebrandtmarkt. Niemand soll mehr in die Fascho-Festung Deutschland kommen, nur noch handverlesene Fremdarbeiter. Und damit wird es auch nicht mehr Menschen für die Bundeswehr geben. Von Eignung, sowohl intellektuell als auch charakterlich will ich gar nicht reden, danach wurde hier ja noch nie geschaut.

  • "Wer sich etwa vom Jobcenter zu einem Hilfsjob in der Zeitarbeit gezwungen fühlt, dürfte sich dem eher durch eine Krankschreibung als durch offene Verweigerung entziehen, schildert ein Praktiker aus einem Jobcenter, der anonym bleiben will."

    Das ist doch prima, dass die TAZ der Hetze gegen Bürgegeldempfänger jetzt noch die "Vermutung" hinzufügt, dass krankgeschriebene (also durch einen Arzt!) Bürgergeldempfänger sich absichtlich "aus Faulheit" der Arbeit entziehen. Oder ist hier eine Formulierung aus einem BILD-Artikel mit reingerutscht?

    Haltlose Behauptungen von jemandem, der nicht genannt wird. Und den Ärzten unterstellt er damit auch noch gleich, dass sie dabei mithelfen.

    TAZ, wo bist Du nur hingekommen?

  • Gibt es empirische Studien die den Effekt der Förderung von Demokratie durch staatliches Geld an NGOs nachweisen oder ist das einfach nur Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für SPD Wählende Politik und Soziologiestudenten?

  • " Wir wollen " unsere " Demokratie stärken und schützen " heißt es vage in dem Sondierungspapier.



    Wie jetze ? Die Regierung noch mehr vor dem Volke schützen ? Hääää ? Keine Volksbegehren / keine Petitionen und keine Demonstrationen mehr 😇 oder Wahlen in Zukunft ganz weglassen ? Wer legitimiert denn dann die Legetimierren ? 🤫 ? 🤔 ? 🤷‍♂️ ?



    Na ja, erstmal datt GG etwas zurecht ruckeln 🤣😂🤣

  • Ich hoffe dass sich die Parteien in den richtigen Themen Durchsetzen. z.B. CDU bei Migration, Asyl, innere Sicherheit, Ukraine, Bundeswehr, Rüstung; SPD bei Arbeitnehmern, Soziales, Besteuerung von Reichen, Umwelt. Die Grünen haben bei Umwelt gestern ja bereits einen Punkt gemacht.

  • Nö!



    CDU und SPD wollen nicht auf radikale Abschottung setzen!



    Die SPD hat in der Vergangenheit klar gemacht was sie will. Durchgesetzt hat sie jetzt beispielsweise, dass der Doppelpass nicht angetastet wird. Sie vertritt weiterhin die häufig veröffentlichte Meinung, dass die Ideen der CDU zum Thema Abschottung nicht rechtskonform sind. Pistorius nannte am Rande der Verhandlungen die Position der CSU



    " inhuman".



    Das Satz von Kevin Kühert sollte nachhallen,



    " Nein, FDP und CDU sind keine Faschisten".



    Das ist der Erfolg der Wahl und der kommenden Koalition, dass die "afd" nicht an der Regierung beteiligt ist.



    Wer daran interessiert ist, dass sich das bei der nächsten Bundestagswahl zum Negativen ändert, sollte, genau wie in der letzten Legislaturperiode die "afd" weiterhin ignorieren und täglich an der Demontage der Regierung und der demokratischen Parteien arbeiten.



    Durch die SPD hat Merz in der Schuldenpolitik einee180 Grad Wende vollzogen.



    Zu erwarten, dass nun alle linken Ideen von der SPD durchgesetzt werden können, ist ein Tagtraum.



    Es wäre mal was Neues, gemeinsam Zukunftsperspektiven zu erarbeiten, statt täglich Alles schlecht zu reden.

    • @Philippo1000:

      Das Problem ist, dass ein Hauptgrund für die Wahlerfolge der AfD die wachsende gesellschaftliche Ungleichheit ist.

      So kam das Wirtschaftswachstum der Merkelära vor allem bei den eh bereits Bessergestellten an. Für den Rest verteuerten sich Wohnen, Lebenshaltungskosten usw.

      Schauen Sie sich doch an, wer AfD wählt - das sind die, die finanziell rechnen müssen. (Geschenkt, dass die Partei rein gar nichts für sie tun will.)

      Ich stimme Ihnen definitiv zu, dass die demokratischen Parteien und nicht die AfD regieren sollten.

      Sie müssen aber auch RICHTIG regieren (C. Lindner lässt grüßen, lol).

      Wenn immer nur der Weg des geringsten Widerstands gegangen wird und die Wurzeln der Ungleichheit nicht aus demokratischer Überzeugung angegangen werden, wandelt das Land immer weiter auf Weimarer Pfaden.

      Die Gruppe der Nichtprivilegierten, die sich das Leben nicht mehr leisten kann, wird mit jeder Wahl ausgeweitet und sie wird beobachten, dass die demokratischen Parteien nichts dagegen tun.

      SPD und Union müssten zum gesellschaftlichen Vernunftkonsens der alten BRD zurückkehren.

      Aber ganz ehrlich: Ein Weiterso wird den Aufstieg der AfD nicht stoppen.

  • taz: *Wenn es um die finanzielle Absicherung für Arbeitslose geht, spricht die Tonlage der Union für sich: „Mitwirkungspflichten und Sanktionen“ für Arbeitsunwillige sollen verschärft werden, ...*

    Schon toll, wie sich Lars Klingbeil (SPD) auf dem Foto freut und wohl denkt: "Hurra, es geht weiter mit der SPD, und dafür mussten wir nur das humane Bürgergeld über Bord werfen und die kleinen arbeitslosen Bürger wieder der totalen Willkür der Jobcenter ausliefern."

    Das klimaschädliche Wirtschaftswachstum kann natürlich auch nur wachsen, wenn man genügend Menschen hat, die für 'ein Ei und ein Butterbrot' arbeiten gehen.

  • Wiedermal: Danke fürs Fotto! Wollnich



    Classico: - Unterprima Vorabi - Klassenprimus - Lümmel von der letzten Bank - ewig Strebersalzlos & der kühl & knackig Damenflor! Woll

    Masel tov & Scheunen Sündach ook

  • Wenn die SPD-Mitglieder diesem Koalitionsvertrag zustimmen, können sie den Laden gleich dichtmachen.

    Dann haben wir das sächsische Szenario mit 7-9% auch auf Bundesebene.