Kirchenasyl in Deutschland: Flüchtlingsamt geht ins Konzil
Ein Deal zwischen Christen und Behörden sollte die Zahl der Kirchenasyle senken. Weil es an der Umsetzung hapert, setzen die Beteiligten neue Gespräche an.
STUTTGART taz | Die Kirchen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wollen ihre Zusammenarbeit beim Thema Kirchenasyl konkretisieren. Dazu treffen sich am 8. Juni Vertreter beider Seiten in Nürnberg, wie die Evangelische Kirche Deutschland und die Deutsche Bischofskonferenz auf Nachfrage bestätigten. Weitere Angaben wollten die Behörde und die Kirchenspitzen nicht machen. Hintergrund ist der Streit aus dem Winter, der sich um die hohe Zahl an Kirchenasylen drehte. Von der Basis kommt indes Kritik an der Umsetzung einer Vereinbarung aus dem Februar.
Damals hatten sich die Kirchen bereit erklärt, dem BAMF künftig Personen zu melden, die für ein Kirchenasyl infrage kommen. Die Behörde wollte deren Fälle daraufhin nochmals auf ein mögliches Aufenthaltsrecht hin überprüfen – um so die Zahl der Kirchenasyle zu senken. Im Herbst sollte das Verfahren bewertet werden.
Dieter Müller vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst in Bayern bezeichnet die Vereinbarung vom Februar als „sehr unklar formuliert“. Er sagt: „Wir wissen nicht, welche Kriterien ausschlaggebend für die Anerkennung eines Härtefalls sind.“ Allerdings sieht Müller vor allem das Bemühen der Kirchenleitung, die Zahl der Kirchenasyle zu begrenzen. Einzelne Bistümer wie Augsburg versuchten ihre Gemeinden stärker zu kontrollieren und forderten sie auf, Fälle für Kirchenasyl „sorgfältiger auszuwählen“.
Veränderungen kommen zudem nur langsam in Gang: Bei der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau beginnen die fünf neu eingesetzten Ansprechpersonen nun erst damit, Dossiers über die Flüchtlinge in den mehr als zehn Kirchenasylen zu erstellen. Darin sollen die Gemeinden dem BAMF unter anderem erklären, warum sie bestimmten Personen Schutz gewähren.
Aufschiebende Wirkung
Für Verärgerung bei den Kirchen hat zudem eine E-Mail der Behörde gesorgt. Darin steht, dass die Einreichung der Dossiers „keine aufschiebende Wirkung für die Verfahren hat“. Und weiter: „Im Zweifel sollten Sie daher die Unterbringung eines Betroffenen im Kirchenasyl in die Wege leiten.“ Nicht, dass dieser vorher noch schnell abgeschoben würde.
„Das ist vollkommen absurd“, sagt Ines Welge, die für die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau an dem Treffen am 8. Juni teilnimmt. Letztlich gehe es doch darum, mit dem neuen Verfahren die Zahl der Kirchenasyle zu senken. Sie fordert eine aufschiebende Wirkung, „damit es für uns gefahrlos möglich ist, zu sagen: Diese Leute müssen überprüft werden, weil nach unserer Auffassung besondere Härten vorliegen.“
Mindestens 430 Kirchenasyle gab es nach Kirchenangaben im vergangenen Jahr in Deutschland. In 378 Fällen nahmen die Gemeinden Flüchtlinge auf, die in ein EU-Land abgeschoben werden sollten. Nach der Dublin-Regelung muss ein Asylverfahren stets in dem Mitgliedsland der Europäischen Union bearbeitet werden, in das ein Flüchtling zuerst einreist – es sei denn, er hält sich schon länger als sechs Monate in einem anderen Land auf. Das Kirchenasyl hilft häufig, diese Frist zu überbrücken.
Ende 2014 waren Pläne des Innenministeriums bekannt geworden, wonach Menschen im Kirchenasyl künftig als untergetaucht gelten sollten. Damit könnte ein Dublin-Flüchtling auch noch nach 18 Monaten abgeschoben werden. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) warf den Kirchen aufgrund der hohen Zahl an Dublin-Fällen vor, geltendes Recht abzulehnen und gesetzliche Fristen zu ignorieren. Dagegen sagte Karl Jüsten, Leiter des Kommissariats der Deutschen Bischöfe: „Kirchenasyl ist für uns immer Ultima Ratio.“
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