Kabinett am Ende: Und Tschüss!

Seine Ministerriege hält Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister aus dem Wahlkampf tunlichst raus. Umso wichtiger ist es, zum Abschied zu bilanzieren, was sie sich so geleistet haben.

Zweifelhafter Leistungsnachweis: Die Niedersächsische Noch-Landesregierung. Bild: Staatskanzlei

HANNOVER/BREMEN taz | Die große One-Man-Show, das ist der Wahlkampf der Niedersachsen-CDU. Seine MinisterInnen hält Spitzenkandidat, Landesparteichef und Ministerpräsident David McAllister aus dem Wahlkampf tunlichst raus. Mit wem er im Falle eines Wahlsiegs regieren will, ist drei Tage vor der Landtagswahl weit gehend offen – das Kabinett McAllister wackelt gewaltig.

„Die haben die Schatten, wir die Minister“, spottet die CDU zwar über McAllisters SPD-Herausforderer Stephan Weil, der sein Schattenkabinett über Wochen hinweg Posten für Posten enthüllt hat. Zugleich sieht es bei der CDU in Personalfragen mau aus: Eine Neuauflage der FDP-Minister gilt angesichts mieser Umfragewerte ohnehin als fraglich. Und die CDU-MinisterInnen mögen nicht mehr so richtig: Finanzminister Hartmut Möllring scheidet sicher aus dem Kabinett aus und verlässt die aktive Politik. Auch bei Routiniers wie Kultusministerin Johanna Wanka, Agrarminister Gert Lindemann und Justizminister Bernd Busemann gilt eine Rückkehr ins Kabinett als unsicher. Wanka und Lindemann bewerben sich erst gar nicht um ein Landtagsmandat. Busemann soll auf das Amt des Landtagspräsidenten hoffen.

Einzig Kultusminister Bernd Althusmann und Sozialministerin Aygül Özkan gelten als gesetzt. Innenminister Uwe Schünemann tritt zwar an, taucht im CDU-Wahlkampf aber erst gar nicht auf. Sein Verhältnis zum Regierungschef gilt als belastet.

Kommt McAllister in die Verlegenheit, ein neues Kabinett besetzen zu müssen, wären die Reihen der Niedersachsen-CDU licht: Die ministrablen Köpfe dort hat sein Vorgänger Christian Wulff bereits bei seinen diversen Personalrochaden durchrotiert. Auch die aktuelle Ministerriege ist noch von Wulff zusammengewürfelt: McAllister hat nur ausgetauscht, wo es gar nicht mehr ging. Agrarminister Lindemann berief er, nachdem die Wulff-Altlast Astrid Grotelüschen wegen ihrer familiären Verbindungen in die Putenmast-Branche und Dumpinglohn-Vorwürfen zurückgetreten war.

Für die taz.nord ist das Grund genug, mit einem leisen Tschüss noch einmal durch die Ministerien hinweg Bilanz zu ziehen:

Hartmut Möllring

Neun Jahre lang hat Hartmut Möllring als Vorsitzender der Tarifgemeinschaft der Länder die Begehrlichkeiten der Angestellten des öffentlichen Diensts niedergerungen, hat Niedersachsens Finanzen seit 2003 saniert und die NordLB streng kontrolliert: Sie ist unbeschadet durch die Krise gekommen.

Doch, dieser wortkarge Ironiker verdient Respekt. Er war unverzichtbar, ein Unikum im Kabinett McAllister. Bei heiklen Themen, etwa in der Affäre Wulff, konnte sich der Regierungschef stets raushalten – weil sein Finanzminister den Ausputzer für ihn machte. Diese totale Einsamkeit beendet er nun: Anfang 2012 verkündete der 60-Jährige, nicht wieder anzutreten.

Jörg Bode

Ist der Ersatzmann für Fips Rösler, der Ersatzmann für Walter Hirche war. Und er würde total gerne weiter FDP-Wirtschaftsminister sein.

Johanna Wanka

Was macht eigentlich Johanna Wanka? Momentan hält sie still: Göttingens Uni ist ja Haupttatort des Transplantations-Skandals, und da ist Ruhe erste Wissenschaftsministerinnenpflicht. Sonst aber erweist sie sich als talentiert im Überwinden von Vorurteilen. Etwa beim Exzellenzwettbewerb. Den unterstützte sie zunächst „voll und ganz“. Dann scheiterte Göttingen. Seither lehnt Wanka ihn ab. Noch im Herbst 2011 verteidigte sie energisch das Kooperationsverbot, weil sonst der Bund in die Länder hineinsteuere – seit 2012 begrüßt sie seine Lockerung.

Nur für den Erhalt der Studiengebühren kämpft sie unbeirrt, nachdem sie deren Einführung in Brandenburg jahrelang abgelehnt hatte. Zu ihren ruhmreichsten Taten dort zählte seinerzeit die Eröffnung des Angermünder Heimatmuseums – mit seiner großen Sammlung historischer Wetterfahnen.

Gert Lindemann

Der Agrarminister ist ein Naturtalent. Studiert hat der 65-Jährige Jura, und seine Karriere fand nahezu ausschließlich in der Ministerialbürokratie des Hauses statt, dem er zur Zeit vorsteht. Aber seine wahre, große und eigentliche Begabung, das Betätigungsfeld, auf dem er als echter Virtuose gelten muss, ist es, den Deckel draufzuhalten.

Genau dafür war der de facto Ruheständler – Ilse Aigner (CSU) hatte ihn geschasst, um zu beweisen, dass sie und nicht ihr von Seehofer geerbter Staatssekretär Gert Lindemann das Bundesministerium führt – vor zwei Jahren reaktiviert worden. In Niedersachsen nämlich flog der Laden gerade auseinander, weil Astrid Grotelüschen die innige Verbindung zwischen CDU und agrarindustrieller Lobby zu offensichtlich verkörperte, und ihr Staatssekretär Friedrich Otto Ripke auch nur wie deren wackeliges Schwänzchen wirkte. Dann aber kam der Lindemann, und seither ist von Ripke so wenig zu hören, als sei er geknebelt und an eine Heizung gefesselt oder medikamentös sediert worden.

Als Agrarminister stellte Lindemann einen Plan vor, fünf Jahre zu probieren, ob es möglich ist, Schweine auch mit Schwänzen zu halten – und setzte sich, Ehrensache für einen ehemaligen Nordzucker-Aufsichtsrat, für die Beibehaltung der Zuckerrübenquote ein. Derzeit hält Lindemann vor allem den Deckel auf der Nachricht, dass er für eine weitere Amtszeit nicht zur Verfügung steht, obwohl die CDU keinen geeigneten Nachfolger hat.

Bernd Althusmann

Der Kultusminister gilt im Falle eines CDU-Wahlsiegs als gesetzt, ob auf bisherigem Posten oder als Möllring-Ersatz im Finanzministerium. Mit McAllister ist er seit jeher ein Team: Noch unter Wulff arbeitete der „Panzer“, wie der Reserveoffizier genannt wird, als Fraktionsgeschäftsführer Seite an Seite mit dem damaligen Fraktionschef McAllister.

Als Kultusminister hat er die Einführung der Oberschule als Gesamtschul-Gegenmodell durchgeboxt. Den möglicherweise rechtswidrigen Einsatz von Honorarkräften an Ganztagsschulen hat Althusmann noch an den Hacken: Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit fast zwei Jahren wegen Sozialbetrugs. Darüber schaut man in der CDU ebenso hinweg, wie über die akademischen Schwächen des Ministers: Der Aberkennung seines Doktortitels ist er bei einem Plagiatsverfahren haarscharf entgangen.

Bernd Busemann

In der neuen Legislatur, heißt es, will es der 61-Jährige ruhiger angehen lassen: Als Landtagspräsident. Als Justizminister ist er indes vor allem ein Mann der markigen Sprüche: „Ein Knast ist eben kein Mädchenpensionat“, kommentierte er eine Studie, nach der im Jugendvollzug die Wahrscheinlichkeit, binnen vier Wochen vergewaltigt zu werden, bei sieben Prozent liegt. „Ich lasse keinen raus“, kündigte er an, als Gerichte die Sicherungsverwahrung für menschenrechtswidrig erklärt hatten.

Das Mitglied des Zentralkomitees der Katholiken warnt offen vor einem Adoptionsrecht für Homosexuelle, sieht Gefahren für das Kindeswohl: Es drohten Stigmatisierung und Mobbing. In Niedersachsen hat er jüngst das erste teilprivatisierte Gefängnis eröffnet. Zugleich hat er den Justizvollzug umgebaut, und daran hat selbst die Opposition wenig zu mäkeln: Mehr Angebote an Sozialtherapie, der Anteil der Häftlinge in Einzelzellen wurde deutlich erhöht.

Aygül Özkan

Ob Landarzt- oder Pflegekräftemangel, Krankenhäuser in Finanznot, Jobchancen von Frauen und MigrantInnen, die Probleme des Landes geht die Ministerin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration vor allem mit Runden Tischen, Beiräten und Appellen an.

Den Betroffenen mag das zu wenig sein, aus Özkans Sicht ist das sicher eine gute Strategie: Die Gefahr anzuecken, ist so am geringsten. Und so kandidiert sie bei der CDU auf Landtags-Listenplatz drei, ist neuerdings im CDU-Bundesvorstand. In Hannover wird Özkan schon als CDU-Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl gehandelt. Nachdem sie den Titel erste muslimische Ministerin bundesweit längst in der Tasche hat, könnte der Titel erstes muslimisches Großstadt-Oberhaupt auch verlockend sein.

Uwe Schünemann

Über den Innenminister ist sich die Gerüchteküche uneins: Sucht man einen Weg, ihn nach der Wahl geräuschlos zu entsorgen, oder will man ihn geräuschlos wieder im Innenministerium installieren, um den rechten Flügel der CDU zu befrieden?

Umstritten ist Schünemann nicht nur wegen seiner Ausländerpolitik: Das Verhältnis zu seiner Polizei ist mies. Mit dem Landeschef der größten Polizeigewerkschaft – ein SPD-Mitglied – will er partout nicht sprechen. Seine Versuche für eine freiwillige Gebietsreform blitzen weitgehend ab: Die Prämie, die finanziell angeschlagene Kommunen erhalten, wenn sie mit Nachbarkommunen fusionieren, zieht kaum. Und wo sich Kreise freiwillig zusammenschließen wollen, stellt sich Schünemann quer. Etwa in Südniedersachsen, wo Göttingen, Northeim und Osterode einen – SPD-dominierten – Großkreis gründen wollen.

Stefan Birkner

Viel gibt es über den Umweltminister nicht zu bilanzieren – er ist erst seit einem Jahr Minister. Vorgänger Hans-Heinrich Sander hatte seinem Staatssekretär das Amt schon Monate vorher in Aussicht gestellt: Birkner sollte als neuer Landeschef der FDP draufhauen können und nicht weiter politisch zurückhaltend agieren müssen, wie es für verbeamtete Staatssekretäre Pflicht ist. Dann klebte Sander doch an seinem Stuhl. Nun regiert Birkner still weiter. Negativ-Schlagzeilen wie über den Kettensägen-schwingenden Atomkraft-Freund Sander erspart er Regierungschef McAllister allerdings.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.