Gutachten zu Volksbegehren: Mehr Videoüberwachung ist illegal
Laut einem juristischen Gutachten, das die Linksfraktion in Auftrag gegeben hatte, ist das Volksbegehren für mehr Videoüberwachung in großen Teilen verfassungswidrig.
Noch bevor das Volksbegehren für mehr Videoüberwachung die erste Stufe erreicht hat, finden die Regierungsparteien klare Worte in Richtung der Initiative, die unter anderem von dem früheren Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) sowie Neuköllns berüchtigtem Ex-Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) unterstützt wird: Der Gesetzentwurf ist mit geltendem Recht nicht vereinbar, so die einhellige Meinung.
Am stärksten vertritt diese Position die Linksfraktion. Ein von ihr in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten, das am Freitag im Abgeordnetenhaus vorgestellt wurde, unterstützt diese Einschätzung. „Der Gesetzentwurf weist nicht nur handwerkliche Mängel auf, sondern begegnet auch erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken“, fasst Fredrik Roggan, Professor für Strafrecht an der Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg, seine Ergebnisse zusammen.
Der Gesetzentwurf könne einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht standhalten. So eröffne laut Roggan das Gesetz die Möglichkeit zur unbemerkten Videoüberwachung außerhalb der Wohnung zum Zwecke der Strafverfolgung. Wann eine solche zulässig ist, sei aber bereits bundesgesetzlich geregelt. Das Land habe hier keine Gesetzeskompetenz.
Schon deswegen ist das Gesetz dem Strafrechtler zufolge insgesamt als unzulässig einzustufen. Es gebe aber noch an weiteren Stellen erhebliche Bedenken. Sowohl verdeckte Video- als auch verdeckte akustische Überwachung im öffentlichen Raum, die das Gesetz vorsieht, seien mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip unvereinbar – zumal die Bedingungen dafür, wann diese Art von Überwachung erlaubt sein soll, überhaupt nicht definiert seien. „Wenn man sich nicht mehr sicher sein kann, wo in Berlin heimlich gefilmt wird und Gespräche mitgeschnitten werden, ist das eindeutig nicht mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar“, sagte Roggan.
Das im September gestartete Volksbegehren für mehr Videoüberwachung hat fast die erste Hürde genommen: 20.000 Unterschriften sind für die Zulassung notwendig, über 17.000 hat die Initiative bereits zusammen. Im zweiten Schritt müssten dann 170.000 BerlinerInnen unterschreiben, damit es zum Volksentscheid kommt. Berlins Datenschutzbeauftragte hatte bereits im September schwere Bedenken angemeldet. (mgu)
Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, 50 Orte in Berlin rund um die Uhr überwachen zu lassen. Kritik kommt nicht nur von der Linken, sondern auch von SPD und Grünen. Ex-Senator Heilmann hatte in einem Interview in Bezug auf die verfassungsrechtlichen Bedenken u. a. erklärt, die akustische Überwachung diene nicht dazu, „normale Gespräche“ mitzuschneiden, sondern „die Stimmung an einem Ort einzuschätzen“. Aus Roggans Sicht ein unzulässiger Einwand: Dass das Aufzeichnen jedweder Gespräche durch das Gesetz erlaubt werde, sei verfassungswidrig – völlig unabhängig davon, ob das am Ende auch so umgesetzt werde.
Udo Wolf, Fraktionschef der Linken, nutzte die Gelegenheit für Kritik am politischen Gegner: „Es ist ein Wahnsinn, dass ein ehemaliger Justizsenator eine solche Schlamperei einreicht.“ Er nennt die Initiative unverantwortlich, weil sie „den Leuten etwas vorgaukelt, was nicht umsetzbar ist.“
Nach Erreichen der ersten Stufe geht der Gesetzentwurf an die Innenverwaltung – und von dort wird er direkt zum Verfassungsgerichtshof Berlin wandern, sind sich Roggan, Wolf und der datenschutzpolitische Sprecher Niklas Schrader einig. Denn die Mängel seien so erheblich, dass eine Behebung dazu führen würde, das Wesen des Gesetzes grundsätzlich zu verändern. Das ist aber nicht erlaubt, denn schließlich können nicht in der ersten Stufe Unterschriften gesammelt werden für ein Gesetz, das in der zweiten Stufe völlig anders aussieht. Das Gesetz mit einer Mängelliste an die Initiative zur Nachbesserung zurückzugeben, komme deswegen nicht infrage.
Udo Wolf, Linkspartei
Allerdings: Für die Initiatoren wäre es kein allzu harter Schlag, würde das Begehren gekippt. Denn sie haben sich mit ihren Vorschlägen als Verfechter einer harten Sicherheitspolitik profiliert – ein wichtiges Ziel dürfte damit bereits erreicht sein.
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