Freier Handel am Pazifik: Kapitel Nummer 30
Rund um den Pazifischen Ozean soll eine Freihandelszone entstehen – unter Ausschluss Chinas. Hintergrund sind US-amerikanische Interessen in Asien.
PNOM PENH taz | Das am Samstag verabschiedete Bali-Abkommen der Welthandelsorganisation hat vier Kapitel zu Handelserleichterungen. Die am selben Tag begonnene neue Runde zur Transpazifischen Partnerschaft (TPP) beinhaltet 29 Kapitel – angefangen von Agrarfragen über das öffentliche Beschaffungswesen bis hin zu Zollsätzen.
Entsprechend viele Interessengruppen sind betroffen. Kein Wunder, dass die TPP-Gespräche geheim sind – so geheim, dass mehrere Parlamente bereits mehr Transparenz gefordert haben.
Zwölf Pazifik-Anrainer nehmen an den Verhandlungen teil: die USA, Mexiko und Kanada, Australien, Neuseeland, Japan, Brunei, Malaysia, Singapur, Vietnam sowie Chile und Peru. Nicht aber China.
Das ist kein Zufall: Wie die laufenden Gespräche über eine Freihandelszone zwischen den USA und der EU sind die TPP-Verhandlungen der Versuch der westlichen Welt, die Handelsregeln für das 21. Jahrhundert festzuzurren.
Urheberrecht soll erst nach 70 Jahren erlöschen
Erst nach dem Abschluss der Verhandlungen, der eigentlich für Ende 2013 geplant ist, aber wohl frühestens im März 2014 kommen wird, soll der Text veröffentlicht werden. Wie brisant einige der Themen sind, zeigt schon das einzige bislang durchgesickerte Kapitel zum Schutz des geistigen Eigentums.
Die Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlichte die Pläne, nach denen die USA fordern, das Urheberrecht zu verlängern. Statt 50 Jahre nach dem Tod des Autors, wie weltweit üblich, will Washington, dass Bücher und andere Werke erst 70 Jahre danach in den Besitz der Allgemeinheit übergehen. Außerdem soll potenziellen Raubkopierern ohne Gerichtsbeschluss der Internetzugang gesperrt werden können.
Diese Forderungen wären nicht einmal im US-Kongress mehrheitsfähig. Ähnliche Ideen waren Teil des Gesetzes gegen Raubkopierer, das im US-Parlament scheiterte. Gegen eine schnelle Verabschiedung spricht auch, dass der US-Kongress Präsident Barack Obama keine Fast-track-Autorität erteilen will, mit der Obama vermeiden könnte, dass der Kongress den ausgehandelten Vertrag noch ändert.
Auch in Japan muss das Abkommen einige Hürden überwinden, denn Tokio wird den Schutz seiner Autoindustrie lockern müssen. In der Landwirtschaft hat die japanische Regierung dagegen bereits guten Willen demonstriert: Das als Gentan bekannte System, in dem Bauern dafür bezahlt werden, keinen Reis anzubauen, wird abgeschafft. In der Folge dürfte sich der Reispreis in Japan halbieren und die Regierung erhält Spielraum, den Zoll auf Reis von 777 Prozent zu senken.
Kritik von humanitären Organisationen
Große Veränderungen dürfte die TPP aber auch für Vietnam bringen, wo Staatsbetriebe immer noch eine große Rolle. Hier soll das relevante TPP-Kapitel für gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen diesen und privaten Firmen sorgen.
Humanitäre Organisationen sind wenig begeistert von dem, was bisher bekannt geworden ist oder gerüchteweise kursiert. Für Ärzte ohne Grenzen ist die TPP schlicht „der schädlichste Handelsvertrag aller Zeiten“, wenn es um den Zugang zu Medikamenten geht. Die USA wollen den Patentschutz für Arzneimittel verlängern, was die Herstellung von günstigeren Nachahmerpräparaten behindert.
Aber bei der TPP geht es vor allem auch um geostrategische Überlegungen. Die Freihandelszone gilt als der ökonomische Teil der US-amerikanischen Hinwendung zu Asien, die bislang vor allem eine militärische Dimension hatte: Die USA haben Verteidigungsabkommen mit Japan und den Philippinen, die derzeit in Gebietsstreitigkeiten mit China verwickelt sind.
Außerdem sind US-Marineboote in Singapur und US-Marine-Infanteristen in Australien stationiert. Länder wie Japan oder Vietnam müssen sich also entscheiden, ob sie den Schutz für ihre einheimische Industrie lockern, um dafür eher vom militärischen Schutzschirm der USA profitieren zu können. Das ist quasi das Kapitel Nummer 30.
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