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Flüchtlingsheim BurbachDas ewige Provisorium

Die Misshandlungen der Flüchtlinge in Burbach haben aufgeschreckt. Die Unterkunft ist in einem katastrophalen Zustand.

Das Flüchtlingsheim in Burbach. Betreiber und Bezirksregierung können nicht entdecken, dass sie hier einiges reparieren müssen. Bild: Pascal Beucker

BURBACH taz | An Stube 312 prangt noch das Namensschild der Soldaten, die einst hier wohnten. Heute leben Blerina und Ilir Cerma mit ihrer sechsjährigen Tochter und Ilirs Schwester in dem kargen Zimmer. Seit zwei Monaten sind sie in der alten Siegerlandkaserne untergebracht.

Von dem Misshandlungsskandal, der hier stattgefunden hat, haben die Flüchtlinge aus Albanien gehört. Dazu äußern wollen sie sich aber nicht. Der Kampf ums tägliche Überleben beschäftigt die Romafamilie schon genug. „Ich habe schon so viel Gewalt in meinem Leben gesehen“, sagt Blerina Cerma, die ein bisschen Englisch spricht.

In der Einrichtung des Landes Nordrhein-Westfalen in Burbach haben Wachmänner Flüchtlinge misshandelt und gedemütigt, sich dabei selbst fotografiert und gefilmt – Bilder, die an das irakische Foltergefängnis Abu Ghraib erinnern und doch aus einer deutschen Flüchtlingsunterkunft stammten. Der Sicherheitsdienst wurde inzwischen ausgetauscht. Die Verhältnisse sind nach wie vor trostlos.

Das Zimmer, in dem die Cermas leben, ist spärlich ausgestattet. Ein Tisch, vier Betten. Einen Schrank gibt es nicht. Die Wände sind mit Krakeleien beschmiert. Ihre wenigen Habseligkeiten haben sie in Tüten verstaut. Auf der einen Fensterbank stehen Shampoo, Zahnbürsten, Deo. Auf der anderen Orangen, Gurken, Bananen, Salat. Ilir Cerma und seine Tochter haben Probleme mit dem in der Kantine ausgegebenen Essen. Von ihrem wenigen Taschengeld, das sie bekommen, kaufen die Cermas eigene Lebensmittel.

Verdreckt und vermüllt

Wenn sie ihr Zimmer verlassen, ziehen sie die Klinke von der Tür. Es gibt keine andere Möglichkeit, die Privatsphäre zu schützen. Ihre Nachbarn halten es ebenso. Die Türen haben keine Schlösser. Aus den Dusch- und Toilettenräumen, die auf dem Flur liegen, kommt ein unerträglicher Gestank. Beide Räume sind verdreckt und vermüllt. Zwei der vier Klos sind defekt. Der Hausmeister sei bereits alarmiert worden, sagt Einrichtungsleiter Ricardo Sichert. Außerdem sei erst am Morgen gereinigt worden, versichert er.

Sichert ist sich bewusst, dass hier einiges im Argen liegt. Der von der Betreiberfirma European Homecare mit der Leitung der Notunterkunft betraute 34-Jährige ist kein kühler Verwalter des Elends. Er wirkt sympathisch, zeigt Empathie.

taz am wochenende

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Dass es ausgerechnet in seiner Einrichtung zu den Misshandlungen kommen konnte, schockiert ihn sichtlich. „Ich wusste nichts von der Gewalt“, sagt Sichert. Es klingt glaubwürdig. Er würde gerne mehr für die Bewohner tun. Aber seine Möglichkeiten sind begrenzt.

Vor neun Jahren verließen die letzten Soldaten die Kaserne, im September vergangenen Jahres zogen die ersten Flüchtlinge ein. Es sollte ein kurzes Intermezzo für vier Monate sein, geplant für bis zu 500 Asylsuchende. Inzwischen leben hier mehr als 700 Menschen aus rund 20 Nationen. Sichert würde gerne einen Kinderspielplatz einrichten.

Bürokratie gegen gutes Leben

Aber er kann nicht einfach im Baumarkt eine Schaukel holen. „Der Spielplatz müsste den Sicherheitsvorschriften entsprechen und vom TÜV abgenommen werden“, sagt er. Zu viel Aufwand für eine Einrichtung, die immer nur befristet genehmigt wird. Zumal für ein profitorientiertes Unternehmen wie European Homecare.

Die nächste Genehmigung läuft im Januar aus. Die Bezirksregierung verlängert die Genehmigungen meistens am letzten Tag, sagt Sichert. Die Folge: Renovierungsbedürftige Anlagen werden nicht saniert, Fensterrahmen und Wände, die es nötig hätten, nicht gestrichen.

Vier Sozialbetreuer sind für über 700 Leute im Einsatz, insgesamt arbeiten hier 24 Personen plus Security. Sichert sucht dringend weitere Mitarbeiter. Wenn er in seinem hellblauen European-Homecare-Poloshirt über das Gelände geht, wird er immer wieder von Bewohnern angesprochen. Er antwortet ruhig und geduldig. Mitarbeiter übersetzen, wenn er nicht weiterkommt. Sozialbetreuer Sami Naoui aus Tunesien zum Beispiel.

Er spricht neben Deutsch auch noch Arabisch und Französisch, scheint sich aber in jeder Sprache verständigen zu können. Auch mit Edina Pandzic. Sie wohnt wie die Cermas im Haus vier. Als sie Naoui sieht, winkt sie freudig. Er beginnt mit den Händen zu gestikulieren. Edina Pandzic ist taubstumm, die Romni ist mit ihrem ebenfalls taubstummen Mann aus Serbien geflohen.

Einrichtung unter Quarantäne

Auf dem umzäunten und nur über eine bewachte Schleuse zugänglichen Gelände stehen große mehrstöckige Häuser, dazwischen haben Bewohner Wäsche zum Trocknen aufgehängt. Auf dem Platz vor und zwischen den Häusern stehen viele in Gruppen und unterhalten sich, auf den wenigen Bänken sitzen die Älteren.

Eine von ihnen ist Mounouar Alhaboul, die mit ihrer Familie in Damaskus zwischen die Fronten geraten ist. Mit ihrem Mann, der 85-jährigen Schwiegermutter und ihren zwei Töchtern samt Enkeln wurde sie nach Burbach gebracht. Eigentlich sollten sie nur fünf bis zehn Tage bleiben, so wie alle anderen auch.

Doch inzwischen sind sie schon zwei Monate hier. Erst kamen die Masern in die Notunterkunft, dann die Windpocken. Die Einrichtung stand unter Quarantäne. Was die Lage für viele schier unerträglich machte. Auch die 62-jährige Alhaboul leidet sehr. Sie will ihre Söhne in Essen wiedersehen.

Am Montag besichtigte Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) die Einrichtung, am Mittwoch Oppositionsführer Armin Laschet (CDU). Der Christdemokrat ist einer der wenigen, der die zuständige Aufsichtsbehörde ins Visier nimmt, die Bezirksregierung Arnsberg. Sie ist eine von fünf Bezirksregierungen in NRW und für die Kontrolle aller Flüchtlingsunterkünfte des Landes zuständig. „Die Frage ist, ob eine einzige Bezirksregierung damit nicht überfordert ist“, kritisierte Laschet.

us wenigen Tagen wurden mehrere Monate: Familie Alhaboul in der Unterkunft in Burbach. Bild: Pascal Beucker

Permanent überbelegt

Eine Frage ist das nicht mehr. Die Bezirksregierung scheint unfähig zu begreifen, dass sie für die Menschen in den Unterkünften verantwortlich ist. Man habe sich nichts vorzuwerfen, erklärte der Arnsberger Regierungspräsident Gerd Bollermann (SPD) nach Bekanntwerden der Misshandlungen. Die einzige Idee, die die Bürokraten in Arnsberg haben: die Sicherheitsüberprüfung für die Security erhöhen.

In Burbach wird die Bezirksregierung von einem Mann repräsentiert, der im Verwaltungsgebäude im Erdgeschoss ganz hinten in seinem Büro sitzt. Die Tür ist abgeschlossen. Auf Klopfen reagiert er zunächst nicht. Erst als Einrichtungsleiter Sichert kommt, öffnet er. „Bei mir hat sich noch nie jemand wegen einer dreckigen Toilette beschwert“, sagt der Mann, der seinen Namen nicht nennen will.

Die Flüchtlinge kämen doch immer nur, wenn sie Geld haben wollten, „wofür auch immer“. Er wirkt, als kenne er die Diskussion um die Vorgänge in der Einrichtung nicht. Für Kontrollen hat er selbst keine Zeit, betont er. Schließlich habe er genug damit zu tun, Unterkünfte für die Leute in den Kommunen zu finden. „Ich arbeite bis zu zwölf Stunden am Tag, aber darüber schreibt keiner“, beschwert er sich.

Den Burbacher Bürgermeister Christoph Ewers (CDU) ärgern die Zustände in der Kaserne. „Es gibt keine Strategie für die Einrichtung“, kritisiert er. „Sie wurde in wenigen Tagen hochgezogen und seitdem ist sie ein Provisorium.“ Den Christdemokraten stört die permanente Überbelegung, deshalb war er auch im Innenministerium und hat einen Betreiberwechsel angeregt.

Ein weiteres Bett fürs Zimmer

Ewers macht die Profitorientierung von European Homecare misstrauisch. „Das Unternehmen bekommt Pauschalen pro Bett“, sagt er. Aber die Fixkosten für Miete und Personal steigen nicht im gleichen Maße wie die Zahl der aufgenommenen Flüchtlinge.

„Die Versuchung ist groß, nicht gegen Überbelegung zu protestieren.“ Stattdessen wird eben ein Bett mehr ins Zimmer geschoben, fürchtet er und zeigt Alternativen auf: „Das Deutsche Rote Kreuz und die anderen Wohlfahrtsverbände haben ehrenamtliche Strukturen vor Ort, die sich bei der Betreuung der Flüchtlinge einbringen.“

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11 Kommentare

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  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Nicht nur in Burbach werden Flüchtlinge behandelt wie Vieh. Es ist ganz offensichtlich, daß diese Menschen als Menschen zweiter oder dritter Klasse angesehen werden. Für ihre Unterkünfte stellen die Gemeinden ihnen nur bereit, was man sonst schon für den Sperrmüll vorgesehen hätte. In den Containern stinkt und schimmelt es nur so vor sich hin: Jedes öffentliche Gebäude in solchem Zustand würde man sofort sperren. Die Gemeinden müssen verpflichtet werden, einen festen Anteil ihrer Haushalte auschließlich für Flüchtlingsunterbringung zu verwenden. Einen Anteil, der eine Unterkunft auf ortsüblichem Hotelstandard ermöglicht. Überhaupt müssen Hotels und Pensionen herangezogen werden: Der Staat übernimmt die Kosten - denn wofür gibt man jeden Monat mehr als die Hälfte seines Einkommens ab?

    • D
      D.J.
      @90191 (Profil gelöscht):

      Ich möchte Ihnen mal ein Bild zeigen:

       

      http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2b/Bundesarchiv_B_145_Bild-F005100-0009A,_Lager_Friedland,_Lager_mit_Baracken.jpg

       

      Das Flüchtlings-Übergangslager Friedland um 1960. Baracken, innen Vielbettzimmer. Die Leute blieben dort oft auch mehrere Monate.

      "Die Leute wurden behandelt wie Vieh" - Ihre Worte. Komischerweise ist mir dort aber nichts von ständigen internen Ausenandersetzungen bekannt.

      Übrigens, Verehrer: Als Burbach noch Kaserne war, mussten sich die Soldaten tatsächlich um die Reinigung der Sanitäranlagen und anderer Bereiche kümmern. Welch Menschenverachtung.

       

      Die Übergriffe der Wachleute sind durch nichts, aber auch gar nichts zu entschuldigen. Ebensowenig aber das, was sich oft an archaischer Machtausübung zwischen einzelnen Asylbewerbergruppen abspielt (bzw. starke Gruppen gegen Anghörige von Minderheiten).

      • @D.J.:

        och ne! das archaische schon wieder!

        ich erzähle Ihnen bei gelegenheit gern mal, wie archaisch es 1958-60 im notaufnahmelager Giessen und einem pupsnormalen flüchtlingslager in Traisa bei Darmstadt zuging. unter den minderheiten der preussen und schlesier und sachsen und pommern und wie die starken gruppen sonst noch hießen.

         

        ja, in solchen 'lagern' bleibt so einiges auf der strecke. und je mehr menschen man unter den (heute) bedingungen von AsylVfG und AsylBwewLG zusammenpfercht, umso mehr bleibt auf der strecke.

        dass da die einen über die anderen herfallen, aus angst, die könnten vielleicht eher anerkannt werden und/oder da rauskommen, das wundert mich nicht. im gegenteil: mich wundert, dass es nicht öfter knallt.

        solch ein lager ist nicht der club med und auch noch nicht mal ein ferienlager der AWO, sondern eine relativ geschlossene anstalt, in der die insassen geradezu gezwungen sind, ihre abhängigkeit von den entscheidungen dritter aneinander auszutoben - nen fitnessraum mit ganz vielen punchingballs gibts nämlich auch nicht (gabs auch 1958-60 nicht, da nahm sich jeder starke den nächstschwächeren als punchingball).

        es wird für die leutz erst anders, wenn sie in ein 'heim' weiterziehen können und damit besseren zugang zu dem haben, was so gern als migrations-industrie verunglimpft wird.

         

        übrigens: soldaten hatten die möglichkeit, den wehrdienst zu verweigern.

      • 9G
        90191 (Profil gelöscht)
        @D.J.:

        Friedland 1960. Aussiedler mit 100% Wohnsitzgarantie in der BRD und Familienzusammenführung. Vom Staat hofiert. Wirtschaftswunder, jeder bekam einen Job. Ein Leben im Wohlstand für die ganze Familie war gesichert. Leute wie Sie würden heute von "Wirtschaftsflüchtlingen" oder "Armutszuwanderung" sprechen.

         

        Wir haben aber 2014. Bürgerkriegsflüchtlinge ohne Perspektive hier wie im Heimatland. Angehörige einer tief gespaltenen Gesellschaft voller Konflikte. Müssen bei Abschiebung um ihr eigenes und um das Leben ihrer Familie fürchten.

         

        Diese nicht vergleichbaren Situationen zu vergleichen, nur um heutige Flüchtlinge zu diskreditieren, entspricht ganz Ihrem Charakter, D.J.

         

        Soldaten: Jeder hatte das Recht, den Kriegsdienst zu verweigern. Wurde keiner gezwungen, in Kasernen zu leben.

         

        Und ja, Toiletten müssen gereinigt werden. Meistens machen es Haus- oder Putzfrauen. Erstaunliche Erkenntnis, hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut, so viel Realismus.

         

        Im Übrigen verdrehen Sie meine Worte: "Die Leute wurden behandelt wie Vieh" schrieb ich nicht in der Vergangenheitsform und schon gar nicht in Bezug auf Friedland. Haben Sie das wirklich nötig, so billige Methoden?

        • D
          D.J.
          @90191 (Profil gelöscht):

          Letzter Absatz: Ich habe Sie schon verstanden. Aber wir sollten aufpassen, nicht immer gleich Superlative herauszuposaunen. Sonst fehlen uns die Worte für die Situation von 99% der Flüchtlinge auf der Welt. Hass auf das Eigene schön und gut, aber bitte auch das mit Maß.

          Das mit der Toilette habe ich nicht richtig verstanden. Ich putze meine selbst bzw. zu WG-Zeiten nach Plan.

          Und ja, ich habe ein Problem damit, wenn Konflike der Heimat hierher getragen werden. Wenn (natürliche eine Minderheit) von Asylbewerbern meint, Andersgläubige schikanieren zu müssen. Sie nicht? Für einen Linken eher erstaunlich.

          Kann mich - letzter bzw. erster Punkt - nicht erinnern, die oben genannen Begriffe verwendett zu haben. Ich bevorzuge eher neutrale Bezeichnungen wie "Asylberwerber", "Migranten" oder, wo angemessen, "Flüchtlinge".

          • @D.J.:

            "Ich putze meine selbst bzw. zu WG-Zeiten nach Plan."

             

            Ja, sie sind auch nicht von einem Tag auf den anderen in eine Welt gekommen, deren Sprache sie nicht sprechen und deren Kultur sie nicht begreifen.

            Was meinen Sie, warum statt ein paar Sozialarbeitern und Dolmetschern mehr lieber 10 Putzfrauen eingestellt werden, die die Klos da reinigen?

            Weil Putzfrauen wesentlich günstiger sind als Menschen, die den dort lebenden Menschen erklären, wie sie dort am einfachsten unter halbwegs vernünftigen Bedingungen leben könnten. Selbst die Einstellung von 10 Feldwebeln wäre wesentlich teurer, wenn sie die Zustände in einer Kaserne mit einem Flüchtlingsheim vergleichen wollen.

          • 9G
            90191 (Profil gelöscht)
            @D.J.:

            Keine Antwort wert.

    • @90191 (Profil gelöscht):

      Die Hälfte Ihres Einkommens ? Sie sollten den Steuerberater wechseln. Soviel wird niemandem abgenommen. Und den Kommunen, die idR nicht ohne Neuschulden noch nicht einmal ihren Pflichtaufgaben nachkommen können wollen Sie auch noch Hotelkosten aufdrücken ? Was für eine schräge Idee ist das denn ?

      • 9G
        90191 (Profil gelöscht)
        • @90191 (Profil gelöscht):

          Ich meinte Steuern auf Einkommen verstamdem zu haben. Wenn man alles zusammenrechnet wo Steuern drin stecken, auch Vorprodukte, wird man wohl eher auf 80% kommen. Aber das war ja auch nicht der Punkt.

          • 9G
            90191 (Profil gelöscht)
            @Jom:

            Haarspalterei.