Eltern genervt aber verständnisvoll: Der Kita-Kampf geht weiter
15.000 Beschäftigte der Sozial- und Erziehungsdienste aus dem Norden demonstrieren in Hamburg. Sie verlangen eine Aufwertung ihres Berufes.
„Wir ziehen das jetzt durch“, sagt eine Erzieherin zu ihren Kita-Kolleginnen am Tisch beim Frühstück in der Stadtbäckerei in Hamburg, bevor es am Donnerstag kurz vor dem Ende der dritten Streikwoche zur großen Demonstration geht. Sie trägt eine Aufkleber am Revers „Richtig gut - Aufwertung jetzt“. Die Kollegin gegenüber stimmt ihr zu. „Es gibt kein zurück, weil es den Arbeitgebern längst nicht mehr ums Geld, sondern ums Prinzip geht“. Und eine Andere stimmt in den Reigen ein. „Ich bin zwar nicht in der Gewerkschaft, aber mitstreiken kann ich schon.“
Das Stimmung unter Streikenden ist sichtlich kämpferisch. Denn wenig später demonstrieren 15.000 Beschäftigte aus Sozial- und Erziehungsberufen aus Bremen, Niedersachsen und Hamburg durch die Hamburger Innenstadt. Sie fordern zehn Prozent mehr Gehalt und die Aufwertung ihres Berufes. „Das sind weitaus mehr, als wir erwartet haben“, sagt ein Sprecher der Gewerkschaft Ver.di.
Mit Rassel und Trillerpfeifen im Gepäck und Abba-Klängen aus dem Lautsprecher schlängelt sich der kilometerlange Zug über die Einkaufmeile Mönckebergstraße Richtung Speicherstadt: „Money, Money“ ist zu hören, als die Demo die Geschäftsstelle des kommunalen Hamburger Arbeitgeberverbandes „Arbeitsrechtliche Vereinigung“ passiert. In dem Verband sind die städtischen Betriebe der Hansestadt organisiert. „Wir hoffen sehr, dass die kommunalen Arbeitgeber, die sich zeitgleich heute in Frankfurt treffen, endlich ein verhandlungsfähiges Angebot auf den Tisch legen“, sagt Ver.di-Verhandlungsführerin Hilke Stein den Streikenden. Seit dem 8. Mai sind vor allem die Erzieherinnen an kommunalen Kitas im Norden im Ausstand.
Betroffen sind allein in Hamburg 25.000 Kinder und ihre Eltern. „Wir wissen, wie schwierig diese Situation für viele Familien ist. Aber solange die Arbeitgeber ihren schönen Worten keine Taten folgen lassen, müssen wir weitermachen“, sagt Stein.
Die Gewerkschaften werfen den kommunalen Arbeitgebern eine „totale Blockadepolitik“ vor, da sie sich seit drei Wochen nicht mehr bewegt haben, was Eltern teilweile zur Verzweiflung bringt, da der Arbeitskampf zwecks Kinderbetreuung teilweise ihren Urlaub aufgefressen hat. Die Wut richtet sich aber weniger gegen die Streikenden Kita-Mitarbeiterinnen, als gegen die Arbeitgeber. „Dieser Streik geht am Ziel vorbei: Er trifft nicht die Arbeitgeber, sondern die Eltern und deren Kinder“, sagte Björn Staschen vom Landeselternausschuss am Dienstag auf einer Kundgebung von 2.000 Eltern, bevor ein Teil von ihnen das Hamburger Rathaus stürmten.
Es sei unerträglich, dass tagelang nicht verhandelt wurde. „Das ist eine Verhandlungstaktik auf dem Rücken der Eltern und Kinder, das geht gar nicht“, sagte Staschen. „Die Stadt Hamburg muss ihren Einfluss geltend machen, um Bewegung in die Verhandlungen zu bringen“, forderte er. Die Wut der Eltern sei völlig nachzuvollziehbar und habe sich mit der Protestaktion im Rathaus einen richtigen Adressaten gesucht, sagt Hilke stein von Ver.di. Die Politik habe die Verantwortung in diesem Konflikt und dürfe ihn nicht aussitzen. „Ich wünsche mir, dass Eltern überall ihren Protest gegen Blockadehaltung der Arbeitgeber so zum Ausdruck bringen.“
Grund zur Hoffnung, dass die Arbeitgeber doch noch einlenken, gibt der schleswig-holsteinischen SPD-Fraktionschef, Ralf Stegner. Er teile die Auffassung der Beschäftigten, dass sie „mehr wert“ seien, erklärte er in Kiel. Der Aufgabenbereich in Kitas sei stetig anspruchsvoller geworden. Daher werbe er für Verständnis für den derzeitigen Streik und hoffe auf eine baldige Lösung.
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