Eine andere Antwort auf Sascha Lobo: Wir müssen das Internet austauschen
Sascha Lobo ist gekränkt, weil er merkt, dass das Netz seine Hoffnungen enttäuscht hat. Der Thriller-Autor Daniel Suarez hat einen Heilungsvorschlag.
Wie steigert man die Nachricht, dass wir echt absolut total vollstüberwacht werden? Es gibt ein paar Menschen, die das wissen und sie werden es uns vermutlich bald verraten. Sie haben es in den vergangenen Monaten ja immer wieder getan, seit Edward Snowden im Juni 2013 zum ersten Mal aus den Archiven zitieren ließ, die er als Systemadministrator bei einem Dienstleister der NSA angelegt hatte.
Glenn Greenwald, einer der Journalisten, die über dieses Material verfügen, dürfte jetzt schon absehen, was die nächste Steigerungsstufe ist. Greenwald hat kürzlich erst wieder angekündigt, es komme noch mehr. Bisher ist jedes Mal immer noch etwas gekommen, das für eine Weltschlagzeile gereicht hatte, nachdem er das gesagt hatte.
NSA zapft regelmäßig Datenzentren von Google und Facebook an. NSA hört Kanzlerinnen-Handy ab. NSA überwacht komplette pazifische Datenkabel. NSA sammelt Millionen SMS in Großbritannien. Und so weiter.
Wie steigert man den Eindruck echt absolut totaler Totalstniederlage? Das hat in dieser Woche der Blogger, Romanautor und Internetintellektuelle Sascha Lobo gezeigt. Unter Menschen, die sich intensiver mit der Technik, den Hoffnungen und Möglichkeiten des Netzes beschäftigen, gibt es seit Jahren diesen einen Seufzer: „Wir haben den Krieg verloren.“ Frank Rieger, einer der Sprecher des Chaos Computer Clubs, hat es schon 2005 so formuliert: "Wir leben jetzt in der dunklen Welt der Scifi-Romane, die wir niemals wollten."
Der Seufzer war dann nach den ersten Enthüllungen aus den Snowden-Dateien wieder häufiger zu hören und es war auch zu lesen, dass er eben schon immer zu hören gewesen war, schon sehr lange.
Nun seufzt Sascha Lobo mit. Der Seufzer ist am vergangenen Woche in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschienen und neben der Erkenntnis, dass es wohl wirklich kein No-Spy-Abkommen zwischen den USA und Deutschland geben wird, war Lobos Seufzer die Internet-Nachricht der Woche.
Daniel Suarez hat in seinen Science-Fiction-Romanen prophezeit, was heute alle wissen: Die Überwachung im Netz ist total. Der Autor und Hacker hat sich ein neues Internet ausgedacht. Wie das aussieht, erklärt er im Interview in der taz.am wochenende vom 18./19. Januar 2014. Darin außerdem: Eine Hommage an den 100. Geburtstag von Arno Schmidt, eine Geschichte von einem traumatisierten Soldaten, der gegen die Geister des Krieges kämpft und eine Reportage über die Tram Linie 1 in Jerusalem, die die gespaltene Stadt dennoch verbindet. Am Kiosk, eKiosk oder //www.taz.de/!118468/:gleich im praktischen Wochenendabo.
Lobos Kränkung
„Ich spüre eine Kränkung“, seufzte Lobo. „Sie hängt mit meinem Irrtum zusammen, der Spähskandal zwang mich zu erkennen: Das Internet ist nicht das, wofür ich es gehalten habe. Nicht das, wofür ich es halten wollte. Auf eine Art hat es sich gegen mich gewendet und mich verletzt.“
Eine Debatte begann. //:Evgeny Morozov meldete sich noch einmal in der FAZ. Nico Lumma stellte auf seinem Blog lumma.de fest: „Das Internet ist nicht kaputt, es hat nur den nächsten Evolutionsschritt vor sich.“ Es gehe jetzt um die Stärkung der Rolle des Verbrauchers. //:http://onlinetaz.hal.taz.de/http://
Im Titelgespräch der taz.am wochenende vom 18./19. Januar 2014 sucht der Science-Fiction Autor und Cybersecurity-Experte Daniel Suarez nach einem anderen Ausweg. Die Macht der großen Telekommunikationsfirmen müsse gebrochen werden, argumentiert Suarez.
Das Neue: Unzählige benachbarte Knoten
„Die aktuellen Netzwerkarchitekturen sind zentralisiert. Was auch immer man da über das demokratische Wesen des Internets erzählen mag, die meisten Leute haben einen Internetanschluss bei einer der großen Telekommunikationsfirmen. Alles läuft über Glasfaserkabel, die noch größeren Konglomeraten gehören. Widerstand in so einer Architektur abzuwürgen, ist überhaupt kein Problem.“
Suarez schlägt vor, die Infrastruktur neu zu ordnen - „und zwar dezentralisiert“. Er stellt sich ein Netzwerk vor, das aus unzähligen benachbarten Knoten besteht, die die Verbindungen schaffen. „Anders als im zentralisierten Internet unserer Tage könnte in so einem Netzwerk ein Knoten ausfallen, ohne dass es große Nachteile für die Weiterleitung von Informationen hätte. Dann würde einfach ein anderer Knoten die Aufgaben übernehmen. Diese wie ein engmaschiges Netz aufgebaute Infrastruktur sollte eine zivile sein. Sie sollte den Kommunen gehören. Das wäre weniger effizient, aber extrem widerstandsfähig gegen den Versuch, dort die Kontrolle zu übernehmen“, stellt Suarez fest.
Daniel Suarez ist Bestseller-Autor. Viele, wie der CCC-Sprecher Rieger, lesen begeistert seine Thriller, weil er Science Fiction als ein Mittel versteht, die Umbrüche der Gesellschaft zu erkunden und weil seine Geschichten und Überlegungen auf fundiertem Fachwissen beruhen. Suarez hat als Programmierer gearbeitet und große US-Unternehmen in Sachen Cybersicherheit beraten. Für seinen ersten Tech-Thriller Daemon hat er auf einer Website zum Buch mit einem Quellenverzeichnis nachgewiesen, dass die Technologien, aus denen er seine Storys spinnt, tatsächlich existieren.
Das Netz, das sich Suarez vorstellt, müsste von Grund auf neu wachsen, es könnte über Crowdfunding-Plattformen finanziert werden, glaubt er, über Crowdsourcing organisiert, indem sich viele die Arbeit daran teilen. Ein langer Weg, gesteht er ein, aber kein unmöglicher.
Hat Suarez recht? Sollten wir mit dem Aufbau eines völlig neuen Netzes beginnen? Freifunker aller Länder, vereinigt euch? Wann, wenn nicht jetzt? Oder wäre das viel zu mühsam und technisch und wie soll man für so ein Projekt überhaupt die Massen begeistern? Diskutieren Sie mit!
Das Titelgespräch „Nun zittert das Establishment“ mit Daniel Suarez über Heilserwartungen an Hacker, private Geheimdienste und das neue Netz, das er sich ausgedacht hat, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 18./19. Januar 2014.
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