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EU-Grüner über Einreisekontrollen„Unwürdige Vorverurteilung“

Der Grüne EU-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht hält das Smart-Borders-Programm und die Datensammlung für „völlig unverhältnismäßig“.

Könnte Grenzbeamte verunsichern. Bild: dpa
Christian Rath
Interview von Christian Rath

taz: Herr Albrecht, wer sind die Hauptbetroffene des sogenannten Smart Borders-Programms?

Jan Philipp Albrecht: Das sind Nicht-EU-Bürger, die als Touristen oder Geschäftsreisende in die EU einreisen. Wer zu dieser Gruppe gehört, muss seine Fingerabdrücke abnehmen lassen, die dann gespeichert werden. Die Reisenden werden damit faktisch behandelt wie Verbrecher. Eine solche Vorverurteilung ist menschenunwürdig.

Offiziell geht es um die Verhinderung illegaler Migration. So könnten mit den Fingerabdrücken Menschen erkannt werden, die unter anderem Namen früher schon abgeschoben wurden.

Die Migrationskontrolle soll hier wieder einmal als Türöffner dienen. Ich erinnere an die Datei Eurodac, in der die Fingerabdrücke aller Asylbewerber gespeichert sind. Zunächst sollten damit nur Antragstellungen in unterschiedlichen Ländern aufgedeckt werden. Inzwischen darf auch die Polizei auf diese Daten zugreifen. Das ist ein schleichender Prozess. Auch bei den Fingerabdrücken der Reisenden wird es zu einer Zweckentfremdung zugunsten der Polizei kommen.

Wenn ich als Deutscher in die USA reise, muss ich auch meine Fingerabdrücke geben.

Die EU kopiert hier das System der USA. Aber das macht die Sache kein bisschen besser.

Fritz Schuhmann
Im Interview: 

Jan Philipp Albrecht, 30, ist seit 2009 Abgeordneter der Grünen im EU-Parlament. Er ist Datenschutzexperte und bereitet derzeit als Berichterstatter die Position des Parlaments zur geplanten EU-Harmonisierung des Datenschutzes vor.

Was halten Sie vom „registered traveller programm“, das eine schnellere Einreise erlaubt?

Hier werden Reisende animiert, den Behörden noch mehr Daten zu geben, zum Beispiel mehrere Fingerabdrücke und Informationen zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen. Das werden viele machen, weil die Warterei an der Passkontrolle lästig ist. Ich fürchte, dass das auf Dauer nicht freiwillig bleibt, sondern früher oder später zur Pflicht wird.

Das „registered traveller programm“ betrifft also auch EU-Bürger?

Derzeit noch nicht. Aber es gibt Revisionsklauseln, dass nach drei Jahren das ganze Programm auf den Prüfstand gestellt wird. Und dann wird vermutlich versucht, möglichst viele Elemente des Smart-Border-Programms auf EU-Bürger auszuweiten.

Die EU will ohnehin die Daten aller Flugpassagiere fünf Jahre lang speichern und auswerten.

Bei Smart Borders kommt noch dazu, dass an den EU-Außengrenzen bei Nicht-EU-Bürgern auch alle Einreisen mit dem Auto, dem Zug oder dem Schiff gespeichert werden. Das halte ich für ebenso völlig unverhältnismäßig wie die geplante fünfjährige Voratsdatenspeicherung der Fluggastdaten, von der auch EU-Bürger betroffen sind.

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4 Kommentare

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  • AL
    André Lemke

    @Karl Kraus

     

    Die Menschen die hier ankommen, haben in der Regel

    schon soviel Geld an Schlepper gezahlt, daß sie in

    ihren Heimatländern als Reich gelten.

    Die wirklich Bedürftigen haben nicht die Möglichkeit,

    evtl. sogar per Flugzeug, ihre Länder zu verlassen.

     

    Ob jetzt die neuen Regelungen zur Einreise gut oder

    schlecht sind habe Sie ja schon für sich entschieden.

    Aber einfach so ohne Grund wurden die Regeln ja auch

    nicht eingeführt.

  • FF
    Fischers Fritze

    Den Typen habe ich gefressen. Der war an der Schule meiner Tochter und hat da die Kinder indoktriniert; schlimmer als in der Zone damals. ich hasse die Grünen und diesen Typen insbesondere!

    • @Fischers Fritze:

      Grüne dürfen das; bei denen heißt es dann "Heranführen des jungen Bürgers an politische Verantwortung".

       

      Trotzdem... der Vergleich mit der Zone ist nicht von der Hand zu weisen und gefällt mir ;-)))

  • KK
    Karl Kraus

    Nicht, dass wieder Menschen kommen, die sich satt essen wollen!!