Die Wahrheit: Blutgrätschen mit rasselnden Säbeln

Das Freundschaftsspiel Deutschland gegen Saudi-Arabien im Vorfeld der Fußball-WM 2018 wirft seine dunklen Schatten voraus.

Illustration: Ari Plikat

Es soll ein ganz besonderes Spiel gegen einen ganz besonderen Gegner werden. Wenn die deutsche Fußballnationalmannschaft am 6. Juni in Leverkusen gegen Saudi-Arabien spielt, geht es nicht allein darum, sich den letzten Schliff für die ein paar Tage darauf beginnende Fußball-Weltmeisterschaft in Russland zu holen. Die Partie in Leverkusen soll die engen Beziehungen der beiden Sportnationen auf ein neues Niveau heben.

DFB-Präsident Reinhard Grindel und der Chef des saudischen Fußballverbands Ahmad al-Harbi freuen sich nicht nur darauf, Hand in Hand in die Arena einzulaufen, sie sind vor allem darüber glücklich, den Zuschauern rund um das Spiel ein Spektakel präsentieren zu können, von dem man nicht nur in Leverkusen noch Jahre sprechen soll. Eines steht auch in diesem frühen Planungsstadium bereits fest: Es wird laut werden im Stadion!

Vor dem Spiel und in der Pause sollen alle Waffen präsentiert werden, die seit Jahresanfang nach Saudi-Arabien geliefert worden sind. Und man will das Kriegsgerät aus deutscher Produktion nicht nur zeigen, man will die Waffen auch abfeuern. Bei allen Unterschieden zwischen dem Fußballsport und dem Kriegswesen, eines sei doch beiden Disziplinen gemein: die Freude nach einem Treffer, meinte Reinhard Grindel am Rande eines Vorbereitungs­treffens mit den saudischen Gästen am Marinestützpunkt in Eckernförde.

Zu den Waffen, die Saudi-Arabien in Leverkusen feierlich übergeben werden sollen, gehören auch acht Pa­trouillenboote, die der Marine des Königreichs am Golf ihren Dienst erweisen sollen. Ganz einfach wird es nicht, die Boote über den Rhein in die Farbenstadt zu transportieren, so dass sie im Stadion den Fans vorgeführt werden können, doch sowohl Grindel als auch al-Harbi zeigten sich nach Gesprächen mit Militärs in Eckernförde zuversichtlich, dass das Vorhaben gelingt. Die Schiffstaufe noch vor dem Anpfiff soll ein zentrales Element des deutsch-saudischen Fußballfests werden. Für Thomas Müller vom FC Bayern München ist dabei eine zentrale Rolle vorgesehen. Er wird eins der Boote auf den Namen „Gerd Müller“ taufen und damit dem „Bomber der Nation“ eine ganz besondere Ehre erweisen.

Patrouillenboote mit Namen deutscher Abwehrrecken

Die anderen Boote sollen auf Namen deutscher Abwehrspieler getauft werden. Darauf habe das Auswärtige Amt gedrängt, wie es heißt. Niemand solle auf die Idee kommen, die Patrouillenboote könnten dazu genutzt werden, Angriffe Saudi-Arabiens auf Ziele im Jemen vorzubereiten. Bei den Booten handle es sich um reine Verteidigungsgerätschaften. Umso passender erscheint es allen Beteiligten, dass sie die Namen deutscher Abwehrrecken tragen sollen. Neben Berti Vogts, Karlheinz Förster, Jürgen Kohler, Philipp Lahm und Hans-Peter Briegel werden bald auch Jens Nowotny und Christian Wörns durch die Gewässer des Persischen Golfs schippern und so vor dem Vergessen bewahrt.

Ein Boot hätten die Saudis gern nach David Alaba vom FC Bayern benannt. Das Auswärtige Amt soll dagegen jedoch sein Veto eingelegt haben. Nicht nur weil die Ausrichtung des Spielers zu offensiv sei, passe sein Name nicht zu den anderen, der Mann sei zudem Österreicher. Die Herkunft aus Österreich habe historisch gesehen noch niemanden daran gehindert, in Deutschland Karriere zu machen, sollen die Saudis eingewandt haben. Alabas offensive Ausrichtung auf dem Spielfeld habe dann letztlich den Ausschlag zugunsten von Nowotny gegeben, wie es aus dem DFB heißt.

Dort ist man vor allem gespannt, wie das Abfeuern der Kleinwaffen vor dem Spiel bei den Fans ankommen wird. Das Musikkorps der Marine möchte die Nationalhymnen der beiden Länder durch rhythmisches Abschießen von Waffen verschiedenen Kalibers zum Klingen bringen. Man wolle an diesem besonderen Abend auch musikalisch ein Zeichen setzen, meint DFB-Präsident Grindel. Außerdem will der DFB in der Debatte um die Legalisierung von pyrotechnischen Erzeugnissen in den Stadien endlich Farbe bekennen. Grindel ist es wichtig zu zeigen, dass man auf dem Platz durchaus mal ein Geschoss abfeuern darf, auf den Rängen dagegen nicht. Auch das sei wie beim Spiel selbst: „Schießt ein Zuschauer von seinem Platz aus den Ball ins Tor, wird das ja schließlich auch nicht gewertet“, meint er.

Ein Duell der Torhüter mit scharfer Munition

Das Schießen soll auch zentrales Element der Pausenshow sein. Dabei werden ebenfalls die sogenannten Kleinwaffen zum Einsatz kommen, die von deutschen Firmen nach Saudi-Arabien geliefert werden. Ob der genesene Manuel Neuer vom FC Bayern München oder Barcelonas Marc-André ter Stegen bei der WM die Rolle der deutschen Nummer eins einnehmen wird, soll durch ein finales Shoot-out mit scharfer Munition ermittelt werden. Bundestrainer Joachim Löw freut sich über den Wettbewerb. „Wenn der Streit um einen Platz in der ersten Elf geführt wird wie ein Kampf um Leben und Tod, ist das vor allem für die Zuschauer interessant“, meint er und bezeichnete das Ausschießen der Torwartfrage als „schöne Idee“.

Die Idee der Grünen-Politikerin Claudia Roth indes, nicht nur die deutsche, sondern auch die saudische Nationalhymne von den Mitgliedern des Fanklubs Nationalmannschaft singen zu lassen, konnte sich nicht durchsetzen. Roth, Mitglied in der Kommission für Nachhaltigkeit beim DFB und gewiss keine Freundin „des großen Säbelrasselns“, hätte es schön gefunden, wenn das „Allah akbar“, das im fünften Vers der Hymne gesungen wird, endlich einmal positiv besetzt würde. Weil aber im Verband Uneinigkeit in der Frage besteht, ob der Islam zum Fußball gehört, hatte Roths Idee zunächst keine Chance beim DFB.

Auf die Ankündigung von Menschenrechtsorganisationen, sich für das Spiel in Leverkusen Karten zu besorgen und im Stadion mit Transparenten auf die Verfehlungen Saudi-Arabiens in diesem Bereich aufmerksam zu machen, reagierte der DFB mit Gelassenheit. Wer bei den Einlasskontrollen mit einem entsprechenden Transparent erwischt werde, dem werde der Zutritt zum Stadion in jedem Fall verwehrt. Für den DFB-Präsidenten gibt es in dieser Frage keine zwei Meinungen. „Politik hat im Sport nichts verloren“, so Grindel.

Augenzwinkernd fügt er an: „Wir stehen für Meinungsfreiheit im DFB. Und selbst wenn man sich nicht äußern kann, bei uns ist noch niemand ausgepeitscht worden.“ Den Kindern des in Saudi-Arabien wegen Beleidigung des Islam inhaftierten Bloggers Raif Badawi, die mit ihrer Mutter im kanadischen Exil leben, habe der DFB zudem je ein Original-Trikot der Nationalmannschaft zukommen lassen. Man habe die grünen Auswärtstrikots dafür gewählt. „Das passt doch auch schön zur Farbe des Heimatlandes der Kinder“, so Reinhard Grindel.

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