Debatte Gleichstellungsgesetz: Fatale Männerpolitik
Frauenministerin Schwesig will die Männerquote für Kitas und Sekretariate. Dabei bräuchte die Regierung erst mal ein vernünftiges Genderkonzept.
G leichstellungsbeauftragte demonstrieren – gegen ein Gleichstellungsgesetz. Es soll zurückgezogen werden, fordern sie. Das dürfte einmalig sein in der Geschichte der Frauenpolitik. Denn, so will es das neue Gleichstellungsgesetz, in Zukunft soll bei Bewerbungen und Beförderungen das jeweilige unterrepräsentierte Geschlecht gefördert werden. Zu wenig Männer in Kitas? Also werden Männer gefördert. Zu wenig Frauen in Chefsesseln? Dann werden Frauen gefördert.
Männer und Frauen sollen sich also ändern, sich weniger stereotyp verhalten. Bereits vor 20 Jahren, auf der Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking, wurde dieses Prinzip international beschlossen: Es heißt Gender-Mainstreaming. Seitdem bemühen sich die Länder mehr oder minder intensiv, dieses Konzept zu implementieren. Österreich etwa hat seinen gesamten Staatshaushalt gegendert. Die Regierung muss nun auch die Verantwortung dafür übernehmen, wenn sie im Steuerrecht oder bei Investitionen ein Geschlecht bevorzugt.
In Deutschland aber haben es ein paar altertümliche Publizisten geschafft, eine Art Hysterie zu entfachen: Umerziehung, Zerstörung von Identitäten, ein lesbisches Programm, mit dem Hausfrauen diffamiert werden, etc., etc. Die bisherigen Regierungen haben sich an das Thema von da an nicht mehr herangetraut. Soll man Frauenministerin Manuela Schwesig nun beglückwünschen, weil sie das Gendern wiederentdeckt hat?
Zunächst klingt das ganz prima: Beide Geschlechter werden angesprochen, Rollenbilder flexibilisiert, Männer in neuen Rollen unterstützt. Und Kampagnen wie „Mehr Männer in Kitas“ bekämen eine gesetzliche Grundlage. Doch de facto hätte dieses Gesetz katastrophale Auswirkungen. Denn es ist auf bemerkenswerte Weise geschlechterblind.
Männern wird mehr zugetraut
Eine Genderanalyse hätte ergeben, dass Gleichstellungsbeauftragte im Moment unterausgestattet sind und um ihren gesetzlich zugesicherten Einfluss jedes Mal wieder kämpfen müssen. So hatte Exfrauenministerin Kristina Schröder hohe Posten in ihrem Ministerium ohne Einbeziehung der dortigen Gleichstellungsbeauftragten vergeben. Die musste ihr Recht erst mühsam – und Jahre nachdem Fakten geschaffen waren – einklagen.
De facto fördert unsere patriarchal geprägte Gesellschaft Männer – wo auch immer. Gerade im Niedriglohnbereich kennen die Beauftragten den sogenannte Fahrstuhleffekt, die Tatsache, dass Männer dort regelmäßig bevorzugt werden, so dass sie bald nicht mehr im Niedriglohnbereich arbeiten. Männern wird, durch viele Studien bewiesen, viel mehr zugetraut als Frauen – auch wenn das von ihrer Leistung nicht gedeckt ist.
Teilzeit, Unterbrechungen, die angebliche Familienorientierung der Mütter – all das führt zu einer massiven Benachteiligung der Frauen im Beruf. Die Gleichstellungsbeauftragten kämpfen mühselig dagegen an.
Mit Männerarbeit zuschütten
Künftig wird in der Praxis ihr Arbeitsfeld schlicht verdoppelt. Nicht nur Frauen für höhere Posten sollen sie nun finden und fördern – auch Männer, die ins Sekretariat oder in die Kita gehen, sollen von ihnen gesucht und betreut werden. Und da im unteren Bereich viel mehr Stellen zu besetzen sind als im oberen, kann man sich den Arbeitsalltag der Gleichstellungsbeauftragten in Zukunft ganz gut vorstellen: Sie wird zur Männersucherin – und für den Kampf um die guten Frauenjobs ist sie weitgehend neutralisiert, weil man sie nun mit Männerarbeit zuschütten kann.
Ausformuliert findet sich dieses Problem in der Frage, ob die Männerquote überhaupt kompatibel mit dem Grundgesetz ist. Denn in Artikel 3 steht: „Der Staat wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Mit diesem Satz ist die Bevorzugung von Frauen bei Bewerbungen überhaupt erst möglich. Ist ein Mann, der nicht Sekretär werden will, tatsächlich benachteiligt? Kaum. Es ist also fraglich, ob die Männerquote gerichtsfest ist.
So, wie das Gesetz jetzt angelegt ist, entmachtet das Ministerium die Gleichstellungsbeauftragten. Denn hier wird gleich gemacht, was nicht gleich ist: Männer und Frauen sind ganz unterschiedlichen Vorurteilen ausgesetzt, die man keinesfalls parallel setzen kann. Gender-Mainstreaming heißt nicht, alle gleich zu behandeln. Es verlangt vielmehr, dass man sich die spezifischen Unterschiede ansieht und dann versucht, Benachteiligungen auszugleichen.
Kein Anwalt beleidigter Männer
Konsequentes Gender-Mainstreaming würde die Männer durchaus in den Blick nehmen. Doch würde es sehen, dass diese aus völlig anderen Gründen nicht in Frauenberufe gehen, als es etwa Frauen von Führungspositionen fernhält. Wegen des Fahrstuhleffekts muss man sie auch nicht unbedingt beim Aufstieg fördern, da haben sie nämlich schon Vorteile. Sie brauchen passgerechte Angebote: Die Möglichkeit, sich ihrer Familie zu widmen, Führungsposten in Teilzeit, Anreize, in sogenannten Frauenberufen tätig zu werden.
Konsequentes Gender-Mainstreaming hieße deshalb: der weiblichen Gleichstellungsbeauftragten einen männlichen zur Seite zu stellen. Mit einem klar definierten Auftrag: Er dürfte, ebenso wie die Gleichstellungsbeauftragte, nur tätig werden, wenn Männer in dem fraglichen Job unterrepräsentiert wären – und nicht etwa der Anwalt beleidigter Männer werden, die sich durch aufsteigende Frauen um ihre Karrierechancen gebracht sehen.
Er sollte Kampagnen für mehr Männer in Frauenberufen entwerfen. Er sollte die männliche Arbeitskultur infrage stellen, die Führungsjobs nur für familienfreie Menschen vorsehen. Das alles würde erfordern, dass man ein Gesamtkonzept für Gender-Mainstreaming hat, eine Art Masterplan, in den sich frauen- und männerspezifische Politiken einordnen lassen.
Von einem solchen ist aber die Regierung und auch das zuständige Frauenministerium sehr weit entfernt. Beide haben sich von ein paar frei drehenden Journalisten verschrecken lassen und Genderpolitik stillschweigend versenkt. Die Gleichstellungsbeauftragten haben recht: Die Regierung sollte diesen Artikel des Gesetzes verschieben – bis sie ein vernünftiges Genderkonzept hat.
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